Tödliche Messerattacke im Zug hat parlamentarisches Nachspiel

Kiel/Hamburg/Brokstedt - Die tödliche Messerattacke in einem Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt und der Umgang der Behörden mit dem mutmaßlichen Täter haben ein parlamentarisches Nachspiel.

Ibrahim A. (33) soll zwei Menschen in einem Zug in Brokstedt getötet und fünf weitere verletzt haben.
Ibrahim A. (33) soll zwei Menschen in einem Zug in Brokstedt getötet und fünf weitere verletzt haben.  © Jonas Walzberg/dpa

Der Justizausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wird sich in der kommenden Woche mit dem Fall befassen. In Düsseldorf soll der Rechtsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Das Motiv des Tatverdächtigen ist unterdessen weiter unklar.

Ibrahim A., ein 33 Jahre alter staatenloser Palästinenser, war in der Vergangenheit sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Hamburg mit Gewaltdelikten aufgefallen. Erst eine Woche vor der Bluttat im Regionalzug war er in Hamburg aus Untersuchungshaft freigekommen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) hatte am Donnerstag diesbezüglich bereits Fragen aufgeworfen. Auch müsse geklärt werden, "warum Menschen, die so gewalttätig sind, noch hier in Deutschland sind", hatte sie bei einem Besuch in Brokstedt gesagt.

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Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (39, Grüne) hat angekündigt, am kommenden Donnerstag im Justizausschuss zu den Hamburger Aspekten der Tat zu berichten.

Lange Liste von Ermittlungsverfahren gegen mutmaßlichen Messerstecher

Einwohner Brokstedts gedachten am Donnerstagabend der Opfer der Messerattacke auf dem Bahnsteig im Bahnhof.
Einwohner Brokstedts gedachten am Donnerstagabend der Opfer der Messerattacke auf dem Bahnsteig im Bahnhof.  © Marcus Brandt/dpa

Die Fraktionen von SPD und FDP in NRW betonen in ihrem Antrag für eine Sondersitzung des Rechtsausschusses am kommenden Dienstag, dass A. "ein justizbekannter Mehrfachstraftäter" sein soll, der in der Vergangenheit "insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen bereits in erheblichem Maße auffällig geworden sein soll".

Sie erwarten von der Landesregierung "einen umfassenden schriftlichen Bericht zu den Tatvorwürfen und den Strafverfahren, die gegen den mutmaßlichen Täter in der Vergangenheit in Nordrhein-Westfalen aktenkundig geworden sind".

Laut einer Auflistung der Deutschen Presse-Agentur wurden gegen A. seit seiner Einreise nach Deutschland 2014 mindestens elf Ermittlungsverfahren eingeleitet, darunter wegen Körperverletzung, Bedrohung, Diebstahls und Drogendelikten.

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Viermal wurde er verurteilt, davon drei Mal rechtskräftig. Auch zuletzt hatte er wegen eines Messerangriffs in Hamburg ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen.

Ministerin trifft auf Mitschüler der Getöteten

Bildungsministerin Karin Prien (57, CDU) traf auf Mitschüler der beiden Getöteten an der Gewerblichen Schule in Neumünster.
Bildungsministerin Karin Prien (57, CDU) traf auf Mitschüler der beiden Getöteten an der Gewerblichen Schule in Neumünster.  © Daniel Bockwoldt/dpa/Daniel Bockwoldt

Zu den Vernehmungen des Tatverdächtigen wurden keine weiteren Einzelheiten bekannt. Schon am Donnerstag hatte sich A. nach Angaben von Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (64, CDU) nicht geäußert, sodass man keine Rückschlüsse auf sein Motiv habe ziehen können. Daran änderte sich - soweit bekannt - auch am Freitag nichts.

Der Verteidiger des Mannes schloss indes ein terroristisches Motiv seines Mandanten aus. "Ich gehe sicher davon aus, dass er kein politisches oder religiöses oder terroristisches Motiv in sich trägt", sagte Rechtsanwalt Björn Seelbach der Deutschen Presse-Agentur.

Für möglich halte er hingegen, dass der 33-Jährige bei der Tat wütend und außer sich war. Er könne auch psychisch krank sein oder unter dem Einfluss von Drogen gestanden haben.

Unterdessen traf Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (57, CDU) am Freitag mit Schülern und Lehrern der Gewerblichen Schule der Stadt Neumünster zusammen, die auch die beiden Todesopfer aus dem Zug, eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger, besucht hatten. Dabei habe sie "ein allgemeines Gefühl der Angst und der Verunsicherung" wahrgenommen, sagte die Politikerin im Anschluss.

Andacht für die Opfer des Messerangriffs

Bei einem Gottesdienst für die Opfer des Messerangriffs wurden am Freitag Kerzen in Brokstedt aufgestellt.
Bei einem Gottesdienst für die Opfer des Messerangriffs wurden am Freitag Kerzen in Brokstedt aufgestellt.  © Axel Heimken/dpa

Sie habe sich aber davon überzeugen können, dass es an der Schule ein sehr gutes Kriseninterventionsteam gebe. Die gesamte Schulgemeinschaft, das gesamte Kollegium arbeitet nach Priens Angaben das Verbrechen gemeinsam mit der Klasse, in der die getötete Schülerin ging, und der Klasse des getöteten Jungen auf.

"Aber auch die anderen Schülerinnen und Schüler sind natürlich betroffen davon, dass auf einer Bahnstrecke, die sie täglich benutzen, ein solches Verbrechen geschehen konnte." Da sei viel zu tun.

In der Kirche der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Brokstedt fand Freitagabend eine Andacht für die Opfer statt, zu der sich laut Beobachtern rund 500 Menschen in und vor der Kirche versammelten. Auch Schleswig-Holsteins stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin Monika Heinold (64, Grüne), Innenministerin Sütterlin-Waack (CDU) und Sozialministerin Aminata Touré (30, Grüne) kamen.

Die Reisenden, die am Mittwoch mit im Zug saßen, können mittlerweile nach Angaben der Polizei ihr Gepäck zurück bekommen. Ansprechpartner für die Abholung sei der regionale Kundendialog der Deutschen Bahn.

Titelfoto: Jonas Walzberg/dpa

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