Dramatische Zustände nach Dauerregen: Zehntausende sollen Wohnungen verlassen

Altena/Werdohl/Wuppertal/Trier - Im Einsatz gegen die Auswirkungen der neuesten Unwetter sind zwei Feuerwehrleute im Märkischen Kreis ums Leben gekommen. Zudem droht in Euskirchen der Damm der Steinbachtalsperre zu brechen - die A61 wurde bereits vollgesperrt. Im Eifelkreis sind sechs Häuser eingestürzt, mindestens 70 Menschen werden vermisst. In mehreren Ortschaften konnten Menschen nur noch tot geborgen werden.

Die Straßen von Esch (Kreis Ahrweiler) haben sich in reißende Ströme verwandelt.
Die Straßen von Esch (Kreis Ahrweiler) haben sich in reißende Ströme verwandelt.  © Thomas Frey/dpa

Heftiger Regen sorgte in vielen Teilen Nordrhein-Westfalens und in Rheinland-Pfalz sowie im Saarland für Überschwemmungen, Hochwasser und Stromausfälle.

Der extreme Dauerregen sollte zwar laut Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in der Nacht zum Donnerstag nachlassen. Doch vielerorts dürfte es nun an die Aufräumarbeiten gehen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (60, CDU) will am Donnerstag die von Überflutungen besonders betroffene Ruhrgebietsstadt Hagen besuchen.

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Wetter Deutschland So wird das Wetter an Ostern im Norden

In Rheinland-Pfalz sollen im Kreis Vulkaneifel und in der Ortsgemeinde Kordel im Landkreis Trier-Saarburg die Schulen geschlossen bleiben.

Tief "Bernd" bestimmt mit feuchtwarmen Luftmassen das Wetter in Deutschland. Dem DWD zufolge bleibt es in den nächsten Tagen wechselhaft mit Schauern und Gewittern, teils mit heftigem Starkregen.

Dieser führte bereits am Mittwoch vielerorts zu Alarm: Es kam zu Erdrutschen, Straßen wurden überspült, Keller liefen voll und der Bahn- und Straßenverkehr war gestört.

Altena "so gut wie nicht erreichbar"

Im nordrhein-westfälischen Altena kam es durch Starkregen zu einem Erdrutsch. Die Straße wurde gesperrt.
Im nordrhein-westfälischen Altena kam es durch Starkregen zu einem Erdrutsch. Die Straße wurde gesperrt.  © Markus Klümper/DPA

In Altena im Sauerland kam bei der Rettung eines Mannes nach dem Starkregen ein 46 Jahre alter Feuerwehrmann ums Leben. Er wurde von den Wassermassen fortgerissen und ertrank. Das bestätigte ein Sprecher der Polizei im Märkischen Kreis am Mittwoch.

Nur zwei Stunden später kollabierte ein 52 Jahre alter Feuerwehrmann bei einem Einsatz im Bereich des Kraftwerks Werdohl-Elverlingsen. Er sei am Mittwochabend trotz Reanimations- und Hilfsmaßnahmen gestorben, teilte die Polizei mit. Dort gehe man von einem gesundheitlichen Notfall aus.

In Altena waren - wie in vielen anderen Orten - Keller und Straßen überflutet. Der über die Ufer getretene Fluss Lenne verschärfte dort die Situation zusätzlich. Das Wasser lief in die Innenstadt. Altena sei "so gut wie nicht erreichbar", teilte die Polizei am Nachmittag mit.

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In Hückeswagen im Oberbergischen Kreis lief aufgrund der heftigen Regenfälle die Bevertalsperre über. Das Wasser liefe aktuell unkontrolliert über den Rand der Staumauer, teilte ein Sprecher der Leitstelle am frühen Donnerstagmorgen mit. Mehr als 1000 Menschen mussten demnach ihre Häuser verlassen.

Nach enormen Regenfällen haben die Behörden im Bergischen Land einen unkontrollierten Überlauf der Wupper-Talsperre bei Radevormwald befürchtet. Einsatzkräfte der Feuerwehr können das Wasser nach Angaben eines Sprechers der Leitstelle Oberbergischer Kreis mittlerweile jedoch kontrolliert ablaufen lassen.

Aus Sicherheitsgründen wurden die Anwohner der Wupper in Radevormwald bereits seit dem späten Abend aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen, auch mit Lautsprecherdurchsagen. Für Betroffene wurde eine Betreuungsstelle in einer Grundschule in Radevormwald eingerichtet.

Flutwelle befürchtet

Die Wupper in der Wuppertaler Innenstadt ist über das Ufer getreten. Aus Sicherheitsgründen sollen Anwohner ihre Wohnungen verlassen.
Die Wupper in der Wuppertaler Innenstadt ist über das Ufer getreten. Aus Sicherheitsgründen sollen Anwohner ihre Wohnungen verlassen.  © Fabian Strauch/dpa

Mehrere Häuser sowie ein Tierheim wurden am frühen Donnerstagmorgen in Solingen-Unterburg aufgrund des Hochwassers geräumt. Der Wasserzufluss bleibe derzeit unvermindert hoch, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Wuppertal mitteilte.

Demnach werde das Wasser momentan von Einsatzkräften der Feuerwehr abgelassen, was sich auf das Stadtgebiet auswirkt. Die Bewohner konnten in Notunterkünften und teilweise bei Bekannten untergebracht werden.

Auch in Wuppertal sorgten heftige Regenfälle zu einem Anstieg der Wupper und so für überflutete Straßen. Wie ein Sprecher der Polizei am frühen Donnerstagmorgen mitteilte, wurden einige Straßen auf der Talachse entlang der Wupper gesperrt.

Anwohner wurden aufgefordert, sich nicht in Kellergeschossen aufzuhalten, sondern sich in höher gelegene Wohnungen zu begeben.

Trotz der angekündigten Flutwelle sei die Unwetterlage in der Stadt aber noch überschaubar, teilte der Sprecher weiter mit.

Die Feuerwehr wies auf Twitter vorzeitig darauf hin, den Trinkwasserverbrauch vorsorglich einzuschränken. Durch einen Stromausfall sei auch die Wasserversorgung betroffen.

Kreis Vulkaneifel ruft Katastrophenfall aus

In der Ortschaft Balken in Leichlingen hat sich die Wupper zu einem reißenden Fluß entwickelt, die Fluten strömen durch die Stadt.
In der Ortschaft Balken in Leichlingen hat sich die Wupper zu einem reißenden Fluß entwickelt, die Fluten strömen durch die Stadt.  © Roberto Pfeil/dpa

Die Deutsche Bahn riet allen Bahnreisenden, Nordrhein-Westfalen weiträumig zu umfahren. "Bitte verschieben Sie Reisen von und nach NRW nach Möglichkeit auf die kommenden Tage", hieß es in einer Mitteilung.

Am Mittwoch wurde auf zahlreichen Bahnlinien der Betrieb eingestellt. Die Bahn berichtete unter anderem von Verspätungen und Ausfällen von Zügen zwischen Köln und Düsseldorf sowie zwischen Köln und Wuppertal.

Die Strecken zwischen Köln und Koblenz waren auf beiden Seiten des Rheins nicht befahrbar. ICE-Züge zwischen Frankfurt und Brüssel fuhren nur zwischen Frankfurt und Köln.

In Rheinland-Pfalz rief der Kreis Vulkaneifel nach starken Regenfällen und Überschwemmungen den Katastrophenfall aus.

"Die Lage ist sehr ernst, wir haben viele überschwemmte Straßen und Ortschaften, die nicht mehr erreichbar sind", sagte Landrätin Julia Gieseking am Mittwochabend in Daun. Die Schulen im Kreis sollen am Donnerstag geschlossen bleiben.

"Ich appelliere an die Bevölkerung, dass alle zu Hause bleiben und sich schützen vor den Wassermassen", sagte Gieseking.

Update, 15. Juli, 21.50 Uhr: Neun Tote und vier Vermisste nach Unwettern in Belgien

Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit Unwettern im östlichen Belgien ist bis zum späten Donnerstagabend auf neun gestiegen.

Zudem werden vier Menschen vermisst, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga berichtete. Bereits am Morgen hatte es erste Meldungen über Tote gegeben. Innenministerin Annelies Verlinden hatte den Katastrophenschutzmechanismus der EU in Anspruch genommen, Frankreich, Italien und Österreich hatten Hilfe angeboten.

König Philippe von Belgien und Königin Mathilde fuhren den Angaben zufolge in die besonders betroffene Gemeinde Chaudfontaine. Der zentrale Bahnhof der Stadt Lüttich mit knapp 200.000 Einwohnern wurde am Nachmittag geschlossen.

Ein Auto ist komplett vom Hochwasser umgeben, nachdem die Maas über die Ufer getreten ist.
Ein Auto ist komplett vom Hochwasser umgeben, nachdem die Maas über die Ufer getreten ist.  © Valentin Bianchi/AP/dpa

Update, 15. Juli, 21 Uhr: 10.000 Menschen sollen in Maastricht Wohnungen verlassen

Die südniederländische Stadt Maastricht hat rund 10.000 Bürger und Bürgerinnen aufgerufen, ihre Wohnungen zu verlassen und sich vor dem Hochwasser in Sicherheit zu bringen.

Mehrere Viertel der Stadt in der Provinz Limburg würden evakuiert, teilte die Stadt am Donnerstagabend mit. Es wird erwartet, dass in der Nacht die Maas so stark über die Ufer tritt, dass Wohnviertel überschwemmt werden.

Auch die Stadt Roermond evakuierte Viertel, mehrere Hundert Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Die Wasserstände der Flüsse in den Niederlanden schwellen durch die Wassermassen schnell an. Die Armee schickte mehrere Hundert Soldaten, um zu helfen.

Update, 15. Juli, 20.28 Uhr: Erneut Warnung vor Starkregen in Wuppertal und Schwelm

Für Wuppertal und Teile des Ennepe-Ruhr-Kreises hat der Deutsche Wetterdienst am Donnerstagabend erneut vor schweren Gewittern mit heftigem Starkregen gewarnt.

Innerhalb einer Stunde könnten dabei bis zu 40 Liter Regen fallen. Auch vor Sturmböen wurde gewarnt. Eine amtliche Unwetterwarnung galt zunächst bis 20.45 Uhr. Auch nordöstlich davon in Hagen, Dortmund, im Kreis Unna und in Hamm warnte die Wetterbehörde am Abend vor starkem Gewitter mit kräftigem Regen.

Update, 15. Juli, 20.05 Uhr: Bundeswehr hat weitere Soldaten in Hochwasser-Einsatz geschickt

Die Bundeswehr hat nach der Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands weitere Soldaten in den Hilfseinsatz geschickt. Inzwischen seien mindestens 850 Männer und Frauen zur Unterstützung der Rettungsarbeiten eingesetzt, sagte ein Bundeswehrsprecher der Deutschen Presse-Agentur am Abend. Am Donnerstag sei in neun Fällen Amtshilfe geleistet worden.

So seien im Raum Hagen 230 Soldaten und Großgerät im Einsatz, darunter zwei 2 Bergepanzer, Lastwagen und Radlader. In Leverkusen helfen 200 Soldaten beim Befüllen von Sandsäcken. In Aachen waren zwei Bergepanzer und ein Rettungshubschrauber "AR" unterwegs.

Im Landkreis Ahrweiler helfen 100 Soldaten. Sie nutzen fünf "tiefwatfähige Fahrzeuge", die also auch in überschwemmten Straßenzügen noch vorankommen, vier Radlader und 2 Rettungshubschrauber "SAR" der Bundeswehr. Insgesamt befanden sich nach Angaben der Bundeswehr dort elf Hubschrauber im Einsatz, auch um von den Fluten eingeschlossene Menschen zu retten.

Update, 15. Juli, 20.01 Uhr: Lewentz: Neun weitere Tote durch Hochwasser-Katastrophe

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) geht von neun weiteren Todesopfern durch die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz aus.

"Wir gehen davon aus, dass wir neun weitere Tote bergen konnten durch die Feuerwehr, das ist jedenfalls die Meldung der technischen Einsatzleitung", sagte Lewentz am Donnerstagabend im SWR Fernsehen.

Update, 15. Juli, 19.20 Uhr: Hunderte Häuser im Kreis Trier-Saarburg durch Wassermassen beschädigt

Der extreme Starkregen hat im Landkreis Trier-Saarburg immense Schäden angerichtet.

Hunderte Häuser seien in Mitleidenschaft gezogen worden, sagte ein Sprecher des Landkreises am Donnerstagabend in Konz. Die Schäden reichten von vollgelaufenen Kellern bis hin zu Totalschäden an Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden wie beispielsweise einer Kläranlage. Schwerpunkte seien die Gemeinde Kordel am Mosel-Nebenfluss Kyll sowie der Trierer Stadtteil Ehrang. In der Südeifel seien zudem am Mosel-Zufluss Sauer vier bis fünf Orte teils überspült worden.

Update, 15. Juli, 19.16 Uhr: Eon: Nach Unwetter noch rund 165.000 Menschen ohne Strom

Rund 165.000 Menschen im Westen Deutschlands waren nach Angaben des Energieversorgers Eon wegen des Unwetters auch am Donnerstagnachmittag noch ohne Strom.

Besonders betroffen seien die Eifel, der linksrheinische Rhein-Sieg-Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und Teile des Bergischen Landes, teilte das Unternehmen in Essen mit.

Titelfoto: Sebastian Schmitt/dpa

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