Wie nackt mögen wir es noch? Der große FKK-Report

Den ganzen Tag nackt sein - Heinke Thiel (53, r.) und ihre Tochter Romy Grupe (32) hüllenlos beim FKK in Moritzburg.
Den ganzen Tag nackt sein - Heinke Thiel (53, r.) und ihre Tochter Romy Grupe (32) hüllenlos beim FKK in Moritzburg.

Von Katrin Richter

Sachsen - Sommer, Sonne, Nackedeis - FKK gehörte für viele DDR-Bürger zum Urlaubsvergnügen. Nacktbaden war eine Selbstverständlichkeit. Die Wartelisten für FKK-Clubs waren lang. Heute, fast 25 Jahre später, ist vieles anders.

MOPO24 hat sich bei einem der traditionsreichsten sächsischen FKK-Vereinen umgeschaut. Der alte Spaß am Ausziehen, aber auch die neuen Sorgen und Nöte der nackten Vereinsmeier hier sind typisch für die textilfreien Clubs in ganz Sachsen.

Ausziehen fürs Wohlgefühl - Heinke Thiel (53) verbringt von Mai bis Oktober die meiste Zeit auf dem Gelände der Moritzburger Waldteichfreunde.

„Bei hohen Temperaturen über 30 Grad ist das einfach toll und angenehm“, schwärmt die FKK-Dauercamperin, für die der Verein längst wie eine zweite Familie ist.

Die zwanglose Geselligkeit, das ist es, was viele FKK-Fans so schätzen. Schon in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts wurde in den Waldteichen Volkersdorf bei Dresden nackt gebadet.

Das hüllenlose Planschen war zu DDR-Zeiten ein zwangloser Familienspaß.
Das hüllenlose Planschen war zu DDR-Zeiten ein zwangloser Familienspaß.

Zwischen 1906 und 1910 entstand hier eine große Anzahl Aktbilder späterer „Brücke“-Künstler wie Pechstein oder Schmidt-Rottluff. Auch bekannte Ausdruckstänzer aus Hellerau nutzten ab 1904 die grüne Oase als Übungsplatz für den nackten Bühnentanz.

Auf dem elf Hektar großen Areal tummelten sich zu DDR-Zeiten zahlreiche Familien. Oft musste der Platz an heißen Sommertagen wegen Überfüllung geschlossen werden.

„Bereits in den frühen Morgenstunden war es prasselvoll, die Zufahrtswege blockiert“, erinnert sich Inge Karl (80) an alte freizügige Zeiten.

Zusammen mit ihrem Mann Jochen sind sie die Campingältesten und halten dem Verein seit 65 Jahren die Treue. Aber: Nach der Wende kamen immer weniger. Viele reisten lieber angezogen in die Ferne, als sich weiter nackt in der Heimat zu sonnen.

Mittlerweile herrscht denn auch gedrückte Stimmung: Der nackte Nachwuchs fehlt - nicht nur hier in Moritzburg. Der Altersschnitt ist weit jenseits der 50. und der Verein zählt aktuell noch 515 Mitglieder - Tendenz schrumpfend!

Aufgrund von Bauarbeiten liegt der Untere Waldteich derzeit auf dem Trockenen.
Aufgrund von Bauarbeiten liegt der Untere Waldteich derzeit auf dem Trockenen.

Darum zieht sich die Jugend zurück - und lieber etwas an

Pächter gesucht: Nach Fehlschlägen betreibt der Verein übergangsweise Kiosk und Imbiss.
Pächter gesucht: Nach Fehlschlägen betreibt der Verein übergangsweise Kiosk und Imbiss.

Blankziehen im Verein? Immer weniger junge Menschen können sich für die organisierte Freikörperkultur in Vereinen begeistern. Ein Grund könnte die Scheu vor Verantwortung und Verpflichtung sein.

Eine weitere Erklärung ist laut Geschlechterforscher Matthias Stiehler (54) der verloren gegangene Reiz: „Nacktheit ist heute kein Phänomen mehr.“

Nackte Haut ist allgegenwärtig. Wer die Jugend deshalb für freizügig hält, der irrt sich:

Sonnenbaden ja, aber niemals ohne Bikini-Höschen. Stiehler, selbst FKK-Freund: „Sich komplett textilfrei zu zeigen, macht schutzlos. Dabei will man doch vor allem in der heutigen Zeit den perfekten Anschein wahren.“

Nicht überall ist Blöße erlaubt

Zu DDR-Zeiten eine Selbstverständlichkeit, ist der Nachwuchs von FKK heute wenig angetan.
Zu DDR-Zeiten eine Selbstverständlichkeit, ist der Nachwuchs von FKK heute wenig angetan.

Während das Nacktsein an deutschen Stränden in der Regel geduldet wird, zieht es an anderen öffentlichen Orten oft rechtliche Konsequenzen mit sich - sobald sich jemand beschwert.

Ordnungsämter und Polizeisprecher geben oft die - unter Juristen umstrittene - Auskunft: „Wenn sich jemand belästigt fühlt, schreiten wir ein.“

Und zwar nach §118 Ordnungswidrigkeitengesetz: „Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.“

Vor Gericht streiten sich dann Juristen, ob nackt sein ein Zustand oder eine Handlung ist.

Erst war es unmoralisch, dann Massenbewegung

In den 1920/1930er- Jahren wurde der Naturismus populär und man hatte Freude am Nacktsein.
In den 1920/1930er- Jahren wurde der Naturismus populär und man hatte Freude am Nacktsein.

Nacktbaden erfuhr in Sachsen, aber auch in ganz Deutschland eine durchaus wechselvolle Geschichte:

Im 19. Jahrhundert galt gemeinsames Baden der Geschlechter selbst in zeitgenössischer Badekleidung als unmoralisch und wurde teilweise verboten.

1898 gründete sich in Essen der erste FKK-Verein, ab 1900 wurde das „Schwedisch Baden“ auch zunehmend bei Berlin und an der Ostsee beobachtet.

Die Waldteichfreunde in Moritzburg pachteten 1910 ein Wassergrundstück.

Die idyllische Anlage gilt als ältestes FKK-Gelände Deutschlands. Bereits 1913 gab es im Reich über 50 Nackt-Vereine.

Viel nackte Haut am Zeesener See um 1989.
Viel nackte Haut am Zeesener See um 1989.

Der Naturalismus wurde von links und rechts ideologisiert: Als „Gleichheit aller Menschen“ oder als „völkisch abgehärtetes Germanentum“.

1920 entstand auf Sylt der erste offizielle Nacktbadestrand.

Am Ende der Weimarer Republik hatten deutsche Nacktvereine über 100.000 Mitglieder. 1931 fand in Leipzig das erste Nackt- Schwimmfest statt.

Kurz darauf wurde Nacktbaden außerhalb geschlossener Vereinsgelände verboten, die FKK-Vereine 1932 meist aufgelöst.

Die Reichsbadeverordnung gestattete 1942 zumindest wieder, abseits von Unbeteiligten nackt zu baden.

Männer unter sich: Vor 30 Jahren war das Nacktbaden im Osten noch eine Selbstverständlichkeit.
Männer unter sich: Vor 30 Jahren war das Nacktbaden im Osten noch eine Selbstverständlichkeit.

Die DDR tat sich anfangs schwer mit FKK. Zwar wurde im Künstlerdorf Ahrenshoop Nacktbaden eingeführt, aber 1954 von der Gemeinde verboten.

DDR-Kulturminister Johannes R. Becher soll einer Nacktbaderin zugerufen haben:

„Schämen Sie sich nicht, Sie alte Sau?“ Es war die Schriftstellerin Anna Seghers ...

Ein allgemeines Verbot wurde nach Protesten 1956 aufgehoben.

Nacktbaden war an gekennzeichneten Stellen erlaubt. Spätestens in den 70ern war FKK in der DDR Massenbewegung.

Das Recht auf Nacktheit als echte realsozialistische Errungenschaft.
Das Recht auf Nacktheit als echte realsozialistische Errungenschaft.

In der Bundesrepublik wurde 1953 in Hannover die FKK-Jugend gegründet.

Die Tabuisierung des Nacktseins nahm immer mehr ab - besonders durch die 68er-Bewegung.

Erst sollten die „Nackerten“ im Englischen Garten (München) verboten werden, doch dann erhielten sie 1980 das weltweit erste innerstädtische Nacktbadegebiet ohne Sichtschutz.

Hier darf man auch "ganz ohne" baden

Badespaß an der Ostsee am FKK-Strand Prerow.
Badespaß an der Ostsee am FKK-Strand Prerow.

Nacktbadeplätze gibt es in Sachsen von Altenberg bis Zwickau an über 100 Plätzen. Eine Auswahl:

Raum Dresden: In der Landeshauptstadt sind das Strandbad Wostra und das Freibad Dölzschen öffentliche FKK-Bäder. Über einen FKK-Bereich verfügen das Staubecken Cossebaude an der Bundesstraße 6 Richtung Meißen und das Strandbad am Kleinen Galgenteich in Altenberg. Mit und ohne Textil kann geplanscht werden im Kiessee Leuben, Birkwitz und Malter.

Raum Leipzig: Im Süden von Leipzig gibt es am Cospudener See einen ausgewiesenen FKK-Strand, ebenso am Kulkwitzer See. Die linken und rechten Uferflächen des Elster-Saale-Kanals werden gelegentlich zum Nacktbaden genutzt.

Raum Chemnitz: Der Stausee Oberrabenstein im Westen von Chemnitz: Hier gibt es einen offiziellen FKK-Bereich, der ist ebenso wie der Parkplatz gebührenpflichtig (Eintritt 3 EUR, Parken 1 EUR). Übersicht: www.nacktbaden.de

Urlaub mal ganz unbeschwert

Zwei Frauen sonnen sich an einem FKK-Strand des Seebades Lubmin bei Greifswald.
Zwei Frauen sonnen sich an einem FKK-Strand des Seebades Lubmin bei Greifswald.

Raus aus den Klamotten, rein in den FKK-Urlaub. Für viele Reisewillige klingt das immer noch nach Zelten an der Ostsee.

Immerhin: Zwischen Glücksburg bei Flensburg und Heringsdorf auf Usedom ist FKK-Baden und -Sonnen an fast 50 Stränden möglich.

Außerdem haben sich etliche Hotels in Europa und sogar in der Karibik auf Freikörperkultur spezialisiert. Unter den schönsten: Das 4-Sterne-Hotel „FKK Club Vera Playa“, Spaniens erstes FKK-Hotel.

Pionier für organisierte FKK-Reisen ist Miramare, ein Veranstalter, an dem der Deutsche Verband für Freikörperkultur beteiligt ist.

Bis heute ist Kroatien eines der begehrtesten Reiseziele für Naturisten. Das 3-Sterne-Hotel „Naturist Solaris“ gilt als eine der schönsten FKK-Anlagen Kroatiens. Infos gibt's unter: www.fkk-urlaub.de

Am größten Nackedei-Strand mangelt's nicht nur am Stoff

An Sachsens größtem FKK-Strand fehlt es an fließend Wasser und Strom, lediglich ein paar Dixie-Klos sind vorhanden.
An Sachsens größtem FKK-Strand fehlt es an fließend Wasser und Strom, lediglich ein paar Dixie-Klos sind vorhanden.

Pöhl - Der weit und breit größte FKK-Strand Sachsens liegt bei Helmsgrün an der Talsperre Pöhl. Er ist 2,5 Kilometer lang, die Nackten räkeln sich auf 10 Hektar Liegewiese. Trotz katastrophaler Infrastruktur kommen zu Stoßzeiten bis zu 6000 Freikörper-Enthusiasten.

Jetzt wollen Tourismusmanager aber das große wirtschaftliche Potential der Nackedeis nutzen. An warmen Wochenenden quillt der provisorische Parkplatz am FKK-Strand über.

Man sieht Kennzeichen aus allen sächsischen Regionen, aus Bayern, Hessen und Thüringen. Selbst Nacktbader aus Dänemark, Holland und der Schweiz kommen nur übers Wochenende an das idyllische Fleckchen Sachsen.

„Der FKK-Strand ist das Aushängeschild unserer Region“, sagt die Pöhler Bürgermeisterin Daniela Hommel-Kreißl (FDP) stolz. Und dann etwas verärgerter: „Oder könnte es sein. Denn wenn wir Geld für die Infrastruktur hätten, würden hier die Leute alle essen und übernachten.“

Trotz mangelndem Komforts werden die Besucher des FKK-Strands bei Helmsgrün zur Kasse gebeten.
Trotz mangelndem Komforts werden die Besucher des FKK-Strands bei Helmsgrün zur Kasse gebeten.

Sachsens größter FKK-Strand führt ein Jammerdasein: Es fehlen fließend Wasser, Abwasserentsorgung, Strom - es gibt ein paar Dixi-Klos und einen Imbiss-Kiosk. Die schmale Zufahrtstraße ist marode, völlig überlastet.

„Während Millionen Euro Fördermittel in die neuen Tourismusgebiete Lausitz und Leipzig gepumpt werden, gehen wir leer aus“, beschwert sich die Bürgermeisterin.

In dieser Woche trafen sich Tourismusplaner und Politiker zu einer Beratung, wie Fördergeld und Investoren nach Pöhl gelockt werden.

Landtagsabgeordneter Stephan Hösl (49): „Wir haben dabei auch die Nackten im Blick.“ Aber der CDU-Mann ist ganz froh, wenn die in ihrem abgegrenzten Bereich bleiben.

Die Talsperre Pöhl - beliebtes Ausflugsziel für Badelustige, Wassersportler, Wanderer und Radler.
Die Talsperre Pöhl - beliebtes Ausflugsziel für Badelustige, Wassersportler, Wanderer und Radler.

Fotos: Norbert Neumann/Ellen Liebner/Igor Pastierovic/akg-images/Wikipedia/Eberhard Klöppel/picture alliance/dpa/imago