Sondierungen gestartet: Klappt's bis Donnerstag mit einer neuen Regierung?

Berlin - Unter hohem Erfolgs- und Reformdruck sind die Spitzen von CDU, CSU und SPD in die Sondierungen für eine Regierungsbildung gestartet. Führende Vertreter der drei Parteien gaben sich am Sonntag trotz aller Differenzen zuversichtlich, dass eine Einigung möglich sei, und mahnten Kompromissbereitschaft an.
Hoffnung sowie Erfolgs- und Reformdruck liegen bei diesen Sondierungen nahe beieinander. Kann eine Regierungsbildung von Union und SPD trotz großer Hürden gelingen?
CDU und CSU streben eine stabile Große Koalition an, die SPD lässt offen, ob sie eine Neuauflage der noch amtierenden schwarz-roten Regierung oder andere Formen der Zusammenarbeit ermöglichen will.
Auf eine neue Bundesregierung warteten gewaltige Aufgaben, betonte die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, vor dem Beginn der Gespräche in Berlin. Kritiker hatten ihr sowie SPD und CSU in der Vergangenheit wiederholt mangelnden Reformwillen vorgehalten.
Die Vorsitzenden von SPD und CSU, Martin Schulz und Horst Seehofer, machten daraufhin klar, ein "Weiter so" dürfe es mit der neuen Regierung nicht geben. Die Sondierungen stehen mehr als drei Monate nach der Bundestagswahl unter hohem Erwartungsdruck.
Martin Schulz: "Wir ziehen keine roten Linien"

Schulz sagte vor Beginn der Sondierung, Politik und Staat müssten modernisiert und Deutschland insgesamt auf den Stand der Zeit gebracht werden.
Das gelte für die Bildungspolitik ebenso wie für Investitionen in den Wohnungsbau, für die Infrastruktur und für die Pflege. Die SPD werde ergebnisoffen sondieren, bekräftigte Schulz. Aber: "Wir ziehen keine roten Linien, sondern wir wollen möglichst viel rote Politik in Deutschland durchsetzen."
Auch Seehofer sagte auf eine entsprechende Frage, er wolle nicht schon mit Bedingungen in die Gespräche starten. Er machte aber für die CSU klar: "Wir wollen unser Profil nicht verwischen."
Merkel, Schulz und Seehofer sind nach ihren schlechten Ergebnissen bei der Bundestagswahl angeschlagen und auf einen Erfolg der Verhandlungen angewiesen. Seehofer betonte den Einigungswillen der Union. Es lägen spannende fünf Verhandlungstage vor den drei Parteien.
Am Sonntagvormittag setzte sich zunächst die Sechser-Runde der Parteichefs und Fraktionsspitzen zusammen. Am Nachmittag befassten sich die insgesamt 39 Unterhändler aller Seiten in 14 Fachgruppen mit konkreten Arbeitsplänen.
Die Mehrheit der Deutschen geht von einer erneuten GroKo aus

Zur ersten Runde traf man sich im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale. In den kommenden Tagen wollen die Parteien abwechselnd auch in der CDU-Zentrale und in der bayerischen Landesvertretung beraten.
Die bisherigen Regierungspartner werden wohl bis in die Nacht zum Freitag ausloten, ob sie ihren Parteigremien Koalitionsverhandlungen über eine Neuauflage von Schwarz-Rot empfehlen können. Die SPD-Spitze braucht dafür die Zustimmung eines Parteitags, der am 21. Januar in Bonn stattfinden soll und als große Hürde gilt.
Die Spitzen von Union und SPD haben sich vorgenommen, anders als bei den im November gescheiterten Jamaika-Verhandlungen während der Gespräche in der Öffentlichkeit zurückhaltender zu sein.
Die Mehrheit der Bürger (53 Prozent) geht nach einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" inzwischen von der Bildung einer erneuten Großen Koalition aus. 54 Prozent glauben, dass sich dies positiv auf Deutschland auswirken werde.
Fotos: DPA