Die Steelwings haben die strengsten Regeln

Die Rockerszene in Sachsen - sie ist bunt und vielfältig, aber auch verschlossen und voller Rätsel. In unserer neuen Serie wollen wir einen Einblick in eine faszinierende, teilweise auch verstörende Subkultur geben - unverstellt, ungeschönt und jenseits üblicher Klischees. Rockerclubs haben uns ihre Türen geöffnet, Polizisten ihre Akten, ein Philosoph seine Gedankenwelt.

Einer ist für den anderen da: Tag und Nacht!

Die Steelwings vergangenen Donnerstagabend vor ihrem Clubhaus im Leipziger Westen.
Die Steelwings vergangenen Donnerstagabend vor ihrem Clubhaus im Leipziger Westen.

Von Alexander Bischoff und Jens Fuge

Leipzig - Baumstamm sägen, Apfelsinen tätowieren, aus einem Haufen Einzelteilen einen Anlasser zusammenbauen - das sind Prüfungen, denen sich Dutzende Rocker aller zwei Jahre bei der Leipziger Biker-Rally stellen. Ausgerichtet wird die von den „Steelwings“ - neben Höllenengeln und Red Devils der dritte große MC in der Messestadt.

Die Steelwings verstehen sich als „Oldschool“. Lange Haare, wilde Bärte, Lederklamotten. „Wir pflegen Beziehungen zu vielen anderen Clubs, supporten aber niemanden. Unsere Regeln sind einfach, aber strikt“, sagt Präsident Torsten (47). Wer sich nicht daran hält, fliegt raus.

Respekt anderen gegenüber spielt eine große Rolle und somit auch das Benehmen in der Öffentlichkeit. „Das geschieht ja immer unter unseren Farben und somit sind wir immer auch verantwortlich für die Taten einzelner Mitglieder“, erklärt Torsten. Mit der strikten Einhaltung der Regeln gelinge es aber, den Ruf des Clubs sauber zu halten.

Graue Mähne, Vollbart, Lederkutte - Steelwings-Präsident Torsten (47) verkörpert den klassischen Oldschool-Rocker.
Graue Mähne, Vollbart, Lederkutte - Steelwings-Präsident Torsten (47) verkörpert den klassischen Oldschool-Rocker.

Was ihnen wichtig ist, sind die einfachen Dinge: Dass man seinem Bruder vertrauen kann. Dass ein Wort zählt. Dass einer für den anderen da ist - Tag und Nacht. Diese Werte schweißen zusammen, und das verteidigen sie strikt.

Wie zum Beispiel die Regel der Pünktlichkeit. Wenn es um 7 Uhr heißt, geht es um sieben auch los. Nicht eine Minute später! „Wir fahren auch ohne den Präsi los“, sagt Vize Stefan (37). Und wäre der dann nicht sauer? „Nein, höchstens auf sich selbst“, grinst Stefan, fügt hinzu: „Das kommt aber nicht vor.“

Seit fast 17 Jahren sind die Jungs am Start. Tagsüber arbeiten sie als Installateur, Karosserieklempner und IT-Spezialist, abends schrauben sie an ihren Motorrädern. Eine Harleypflicht besteht übrigens nicht, es gibt auch Suzuki und Victory im Club. Viel Zeit verschlingt auch das Clubhaus.

Zweite Heimat Clubhaus - hier lassen die Steelwings-Rocker ihren Feierabend ausklingen. Die meisten arbeiten in Handwerksberufen.
Zweite Heimat Clubhaus - hier lassen die Steelwings-Rocker ihren Feierabend ausklingen. Die meisten arbeiten in Handwerksberufen.

Es gibt immer etwas zu tun. Mal muss etwas repariert werden, dann wieder sind die wöchentlichen offenen Abende zu organisieren. Legendär sind die Partys der Steelwings. Besonders die Glühweinparty oder die Chop’n’Wing-Night sind beliebte Treffpunkte für die Biker aus Leipzig sowie für viele befreundete Clubs.

Und die im Zweijahresrhythmus stattfindende "Bikerrally" (nächste 2016), bei der neben dem Tätowieren von Südfrüchten die Kräfte auch im Schießkeller und beim Geschicklichkeitsfahren gemessen werden, ist unter Sachsens Rockern Kult. Enge Verbindungen pflegen sie auch ins Ausland. So kommen pro Saison zahlreiche Fahrten zusammen.

Das schlechte Bild, das in der Öffentlichkeit über Rocker vorherrscht, stört die Steelwings zwar, doch von ihrem Weg lassen sie sich nicht abbringen: „Das ist unsere Lebensart, die muss niemand verstehen. Wir machen unser Ding und gehen niemandem auf die Nerven. Das gleiche nehmen wir für uns in Anspruch“, sagt Torsten.

Apfelsinen tätowieren - die größte Herausforderung bei der Bikerrally der Steelwings.
Apfelsinen tätowieren - die größte Herausforderung bei der Bikerrally der Steelwings.

Als MC (Motorcycle Club) stehen die Steelwings in der Rocker-Hierarchie weit oben. Das liegt daran, dass sie die Regeln strenger auslegen und befolgen. Deshalb sind auch die Aufnahmebedingungen schärfer. Außer den Steelwings gibt es nur zwei weitere MC in Leipzig: die Hells Angels und deren Unterstützer Red Devils.

Alle anderen Clubs laufen als MF, also Motorradfreunde. Sie sind ähnlich strukturiert, leben aber längst nicht so strikt das Rockerleben.

Der Junior unter den Altrockern: Sören (19) ist seit knapp zwei Jahren Propect (Anwärter) bei den Steelwings. Wenn er aufgenommen wird, kommt der Adler auf die Kutte.
Der Junior unter den Altrockern: Sören (19) ist seit knapp zwei Jahren Propect (Anwärter) bei den Steelwings. Wenn er aufgenommen wird, kommt der Adler auf die Kutte.

Fotos: fotojump, Jens Fuge