Dieser Balken kostet 61.000 Euro! Aber wozu liegt er da?

Von Ronny Licht
Chemnitz - „Das ist nichts Ganzes und nichts Halbes“: Ralf Kunze (70) schimpft - kopfschüttelnd betrachtet der Chemnitzer Rentner die Bänke vorm Archäologie-Museum „smac“ am Stefan-Heym-Platz.
61.000 Euro teuer - doch wer nutzt sie eigentlich?
MOPO24 macht die Stichprobe am frühen Nachmittag. Azubi Danny Böhme (25) schlendert vorbei, grinst: „Soll das ein Boot sein? Als Bank nimmt man das nicht wahr.“
Sein Bekannter Jerome Kaiser (19) ist ebenfalls entsetzt: „So viel Geld für das bisschen Holz?“ Das Projekt des Berliner Architektur-Büros Topotek 1 kostete die GGG 40.000 Euro, die Stadt Chemnitz steuerte rund 21.000 Euro bei.

Hergestellt wurden die 10,5 und 4,5 Meter langen Bänke aus Eichenkernholz.
Beim „Bund der Steuerzahler“ rollt der sächsische Vize-Chef Knut Schreiter (44) mit den Augen: „Da hätten es auch Bänke für 15.000 Euro getan. Aufmerksamkeit ist ja okay, aber nicht um jeden Preis. Das muss im Rahmen bleiben. Diese Kosten sind unrealistisch.“
Kurz darauf setzt sich Rentnerin Brigitte Nagel (66) auf eine Bank. Sie packt gar ein Maßband aus: „Die Bänke sind für ältere Menschen viel zu tief. Da kommt man ohne Hilfe kaum noch hoch.“
44 Zentimeter Sitzhöhe misst sie: „Das sind zehn Zentimeter zu wenig. Da wurde völlig an der Realität vorbeigeplant.“
Kommentar
Von Ronny Licht
Es geht um rund 15 Meter Holz. 61.000 Euro teuer. Das sind 4.066 Euro pro Meter! Gedacht als Sitzmöglichkeit zum Durchschnaufen - aber bis jetzt einfach nur ein großes Missverständnis: Chemnitz hat seine Bankenkrise.
Die Idee war nachvollziehbar. Durch die Sitzbänke sollten die Chemnitzer und die Touristen noch ein Stückchen mehr aufs Archäologie-Museum „smac“ aufmerksam gemacht werden. Bänke vorm Museum? Warum nicht?
Bis jetzt ist die teure Idee aber ein absoluter Reinfall. Kaum jemand nimmt die zwei Gebilde wirklich wahr. Sie wirken eher lieblos in den Weg gestellt. Auch wenn sich ein renommiertes Architekturbüro aus Berlin sicherlich ganz viele Gedanken drüber gemacht hat - das Leben findet eben nicht auf Reißbrett oder Flachbildschirm statt.
Vielleicht sollte man einfach noch ein paar Gestaltungs-Ideen für das Areal rund ums „smac“ in einen Rettungsfonds werfen. Schlimmer kann es nicht mehr werden. Aber es muss sich was tun - sonst bleiben GGG und die Stadt auf ihren Bänken sitzen. Und nicht die Chemnitzer, wie eigentlich mal geplant.
Fotos: Heinz Patzig