Typisch deutsch: "What the Fuck is Heimat?"
Stuttgart: Im Heimatmuseum wird nach der Frage des Heimatbegriffs nachgegangen
Stuttgart - "Ich hab' das Heimatmuseum, ähm, das Heimatministerium gegründet", sagte Horst Seehofer im März. Seit der Minister im Amt ist, ist Heimat Sache des Bundes. Aber nicht nur - eine Spurensuche im Ländle.

Ein hölzerner Breilöffel, ein dunkler Wirtshaustisch und rostige Werkzeuge zum Krautschneiden stehen in einem Fachwerkhaus in Plieningen.
Symbole für einen etwas verstaubten, aber auch sehr aktuellen Begriff - die Rede ist von Heimat.
"Es ist wichtig zu wissen, wo man herkommt", sagt Rentner Adolf Martin Steiner, der das Heimatmuseum in dem südlichen Stuttgarter Stadtbezirk unterstützt. Der hölzerne Löffel stammt aus seinen Kindertagen.
Um die Heimat kümmert sich künftig in Berlin auch Bundesminister Horst Seehofer (CSU). Sein Ziel als Heimatminister:
Die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, ein "Wertebündnis" schmieden und ähnliche Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands schaffen.
"Ich halte nichts davon, den Heimatbegriff zu politisieren", sagt Steiner zu diesen Plänen. Allerdings müssten Angebote für Neubürger geschaffen werden, ihre neue Umgebung kennenzulernen und Teil davon zu werden.

"Heimat ist die Umgebung, in der ich mich geborgen und verstanden fühle", sagt Steiner. Jeder habe das Bedürfnis, sich irgendwo heimisch zu fühlen. Der 81-Jährige hat - bis auf "zwölf Lehr- und Wanderjahre" - sein Leben in Plieningen verbracht.
"Ich kann natürlich auch hier geboren sein, mich aber für nichts interessieren und in die nächste Straßenbahn nach Stuttgart setzen", sagt Steiner. Den Maibaum zu schmücken oder Wald und Wiesen zu erwandern sind für ihn stärkere Zeichen fürs Heimischsein als die Geburtsurkunde.
Denn sei es wegen des Jobs, der Liebe oder aus Fernweh: Für viele Menschen ist heute der Ort, an dem sie leben, nicht mehr der, an dem sie geboren sind. Das gilt auch für die "Rheingeschmeckten", eine Gruppe von Kölnern, Düsseldorfern und anderen Rheinländern, die in Stuttgart leben. Regelmäßig treffen sie sich zum Stammtisch und holen damit ein Stück alte Heimat in ihre neue.
"Ich halte Verbundenheit mit der eigenen Heimat für wichtig, weil dort die Werte liegen, die man hat", sagt der Vorsitzende der «Rheingeschmeckten» Armin Münch aus Düsseldorf, der selbst mit einer Schwäbin zusammenlebt.
"What the Fuck is Heimat?", fragt auch der Offenburger Künstler Stefan Strumbel schon seit Jahren. In seinen Graffitis und Pop Art-Werken macht er seine Verwurzelung im Schwarzwald immer wieder zum Thema, etwa in Form von überdimensionalen Tannenzapfen oder pinken Kuckucksuhren.

Für den Künstler soll Heimat bunt sein, nicht braun - keine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen rechte Kreise den Begriff zunehmend politisch vereinnahmen.
Auch die Stuttgarter Veranstaltungen zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus haben sich in diesem Jahr bereits zum dritten Mal den Titel Heimat gegeben - und verstehen das auch als Provokation. "Der Begriff löst in jedem eine Emotion aus und jeder kann sich darüber streiten", sagt Alice Heisler aus dem Organisationsteam vom Stadtjugendring.
Sich mit seiner Heimat zu identifizieren, diene immer auch der Abgrenzung, meint Steiner. "Wenn man Heimat als Ort begreift, geht es nicht ohne Grenzen", sagt Heisler dazu.
Sie lehnt es ab, Heimat als geografischen Ort zu verstehen. Stattdessen begreift ihre Initiative Heimat als "Ort, an dem sich jeder Mensch verwurzelt, akzeptiert, einbezogen und sicher fühlen kann – egal welcher Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung, körperlichen Verfassung oder religiösen Zugehörigkeit".
Heimat ist in aller Munde - in manchen auch in Form von Hochprozentigem. In Schwaigern bei Heilbronn brennt man "Heimat Gin" - und zwar ausschließlich mit Früchten von heimischen Streuobstwiesen, wie die bauchige Flasche im hippen Design verrät. Rund 600 Kilometer weiter nordöstlich macht sich der neue Heimatminister an die Arbeit.
Fotos: DPA