Pandemie verändert Büro-Alltag: Wie viel Homeoffice wird bleiben?

Leipzig - Den Arbeitsplatz am Küchentisch und Zoom-Konferenzen aus dem Wohnzimmer heraus - Corona hat unseren Arbeitsalltag auf vielen Ebenen komplett umgekrempelt. Seit fast zwei Jahren ist das durch die Pandemie bedingte Homeoffice für viele schon zur Normalität geworden. Es stellt sich also nun die Frage, ob Arbeitnehmer je zu alten Gewohnheiten zurückkehren werden und wie viel Homeoffice nach Corona bleibt? Experten sind sich sicher: Heimarbeit und mobiles Arbeiten sind gekommen, um zu bleiben.

Ein Büro am Küchentisch ist für viele bereits zur Normalität geworden. Nicht immer lässt es sich in den eigenen vier Wänden jedoch konzentriert und effizient arbeiten. (Symbolbild)
Ein Büro am Küchentisch ist für viele bereits zur Normalität geworden. Nicht immer lässt es sich in den eigenen vier Wänden jedoch konzentriert und effizient arbeiten. (Symbolbild)  © imago images / Westend61

Wegen der steigenden Corona-Zahlen kehren derzeit immer mehr zurück in das heimische Büro. Laut ifo-Institut arbeiteten im Januar wieder 28,4 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland im Homeoffice. Im Dezember waren es noch 27,9 Prozent.

"Nicht alle Unternehmen beachten offenbar die Ende November wieder eingeführte Homeoffice-Pflicht", sagt Jean-Victor Alipour (27), Experte für Homeoffice beim Ifo-Institut. Das von den Wirtschaftsforschern ausgerechnete Homeoffice-Potenzial von 56 Prozent ist somit nicht ausgeschöpft.

"Durch das Homeoffice wurden Produktivitätssteigerungen verzeichnet", so Alipour. Gründe dafür seien u.a. ein ruhigeres Arbeitsumfeld und das Wegfallen von Pendelzeiten.

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"Studien zeigen außerdem, dass die Homeoffice-Option etwa den Wert einer achtprozentigen Gehaltserhöhung ausmacht", so der ifo-Experte. "Interessant ist, dass besonders die ländlichen Regionen beim Homeoffice-Potenzial aufgeholt haben", so Alipour.

Mehr Kleinstadt, modernere Büros

Coworking Spaces, also gemietete Gemeinschaftsbüros, sind Teil einer modernen Arbeitswelt.
Coworking Spaces, also gemietete Gemeinschaftsbüros, sind Teil einer modernen Arbeitswelt.  © Katarzyna Bialasiewicz Photographee.eu

Kommt also bald der Trend, dass Arbeitnehmer verstärkt aufs günstige Land ziehen, weil sie ja nicht mehr täglich ins städtische Büro pendeln müssen? René Hobusch (45), Präsident des Haus & Grund Sachsen e.V., sieht tatsächlich einen Zuwachs besonders im Speckgürtel von großen Städten wie Dresden, Chemnitz und Leipzig.

"In Dresden beispielsweise ist die Bevölkerung in den vergangenen zwei Jahren gesunken, jedes Jahr um etwa 1000. Auf dem Immobilienmarkt lässt sich in dieser Hinsicht aber keine Entspannung beobachten", sagt Hobusch.

Einen "Run" könne er zwar nicht bestätigen, doch die Immobilienpreise in Mittel- und Kleinstädten würden steigen. Nämlich in denen, die infrastrukturell gut angebunden und mit gutem Internet versorgt sind.

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Einen deutlichen Wandel beobachtet er auch bei der Planung und dem Umbau von Büroräumen. Sprich: Weg von den Büros der 90er Jahre, hin zu modernen und offenen Arbeitsplätzen.

Mehr als nur Gehalt bieten

AviloX-Geschäftsführerin Lydia Zillmann (35).
AviloX-Geschäftsführerin Lydia Zillmann (35).  © PR

Eine Firma, die ganz ohne Büros und festen Arbeitsplatz auskommt, ist AviloX aus Leipzig. Seit 2013 berät sie mittelständische Unternehmen und Konzerne bei der Gestaltung einer modernen Arbeitswelt.

"Wir als Firma treten den Beweis dafür an, dass es funktioniert", sagt Geschäftsführerin Lydia Zillmann (35). Ihre insgesamt 17 Mitarbeiter seien ganz individuell auf ihre Bedürfnisse ausgestattet und würden dort arbeiten, wo sie sich selbst am produktivsten fühlen - ob im Café, am heimischen Schreibtisch oder im Coworking Space.

Damit das funktioniert, baut AviloX auf einige einfache, wenn auch wirksame Grundpfeiler: "Eines unserer Prinzipien lautet: Wissen teilen statt Wissens-Fürstentümer bauen", so Zillmann. Sprich: Im Team arbeitet es sich besser als in einer One-Man-Show. "Das kann aber nur funktionieren, wenn wir beim Arbeiten Transparenz wahren. Das beschleunigt und lässt uns sehr schnell dazulernen. In einem dynamischen Marktumfeld, das viele Unternehmen kennen, ist es genau das, was zählt."

Zillmann ist überzeugt, dass Homeoffice und moderne Arbeitsweisen auch nach Corona bleiben. "Man muss den Leuten mehr bieten als nur Gehalt."

Flexiblere Arbeitsplätze und das Problem mit der Steuerpauschale

Claudia Lehmann (40) von Handelshochschule Leipzig.
Claudia Lehmann (40) von Handelshochschule Leipzig.  © PR/ Daniel Reiche

Der Arbeitsplatz der Zukunft wird sich verändern, da ist sich Claudia Lehmann sicher. Die 40-Jährige ist Professorin für Digitale Innovation an der Handelshochschule Leipzig (HHL).

In einer aktuellen Studie der HHL wurden 25 Führungskräfte und 279 Mitarbeiter von Unternehmen aus Leipzig und Umgebung mit büronahen Tätigkeiten zu neuen Arbeitsmodellen in ihren Unternehmen befragt. Unter anderen mit dabei waren BMW, das Klinikum St. Georg, Konsum Leipzig und European Energy Exchange AG (EEX). 68 Prozent aller Befragten gaben an, dass Homeoffice auch in Zukunft in ihrer Firma eine relevante Rolle spielen wird.

Übrigens: Um Heimarbeiter steuerlich zu entlasten, gibt es seit 2020 die Homeoffice-Pauschale. Die neue Bundesregierung möchte diese nun bis Ende 2022 verlängern. Bis zu 120 Arbeitstage im Jahr werden durch die Pauschale abgedeckt. Pro Tag im Homeoffice können fünf Euro und maximal 600 Euro im Jahr angesetzt werden. Die Pauschale gilt sowohl für Angestellte als auch Freiberufler.

Allerdings steckt der Teufel im Detail: Die Summe zählt zu den Werbungskosten, sprich zu Ausgaben für Weiterbildungen oder dem Kauf neuer Technik. Das heißt: Nur wer über die 1000 Euro Werbungskosten kommt, profitiert von der Pauschale.

Titelfoto: imago images / Westend61

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