Doppelt so viele Hundewelpen: Haustier-Boom bereitet Tierheimen Sorge

München - Seit mehreren Monaten fällt in Deutschlands Tierheimen ein neues Phänomen auf, das den Tierschützen große Sorgen vor der Zukunft bereitet.

Die Nachfrage nach Hundewelpen ist in der Corona-Zeit deutlich angestiegen. (Symbolbild)
Die Nachfrage nach Hundewelpen ist in der Corona-Zeit deutlich angestiegen. (Symbolbild)  © magryt/123RF

"Wir kriegen ungefähr doppelt so viele Anfragen nach Tierbabys – Hundewelpen, Babykatzen oder auch die vermeintlich mit weniger Aufwand verbundenen Kleintiere", berichtet Kristina Berchtold vom Tierschutzverein München.

"Klar haben wir auch hin und wieder Tierkinder zur Vermittlung. Aber diese mittlerweile himmelhohe Nachfrage können wir nicht mal im Ansatz decken".

Viele alte, erwachsenen und heranwachsende Tiere stranden jedoch im Tierheim. Meist werden sie unter dem Überbegriff "Überforderung" abgegeben.

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Das heißt, ihre Besitzer waren überfordert mit den natürlichen Bedürfnissen der Tiere. Erziehung, Versorgung oder auch entstandenen Kosten (zum Beispiel nach Erkrankung), sind ihnen über den Kopf gewachsen.

"Lauter arme Seelen mit Profil und Vergangenheit, die alle aber kein bisschen weniger ein liebevolles Zuhause verdient haben", beschreibt Berchtold die Tierheiminsassen. Werden diese dann den Interessenten statt eines Tierbabys angeboten, verfliegt das Interesse leider schnell.

Die Leute weichen dann auf das Internet und Zuchtvereine aus, um an Welpen und Co. zu kommen.

"Fast jeder von uns Mitarbeitern hat plötzlich zahlreiche neue Hunde und Katzen in der Nachbarschaft. Aber auch unsere Kontakte bei der Stadtverwaltung und den zuständigen Behörden im Münchner Umland verzeichnen circa ein Drittel mehr Neuanmeldungen von Hunden als letztes Jahr", so Berchtold.

Was steckt hinter dem explosionsartigen Anstieg? Leicht zu erraten: Auch hier zeigt die Corona-Pandemie ihre Auswirkungen.

Was wird aus Haustieren, wenn der Alltag nach Corona wieder Einzug hält?

"Was passiert mit uns nach Corona?", fragt Illustrator Sebastian Meinecke zum derzeitigen Haustier-Boom.
"Was passiert mit uns nach Corona?", fragt Illustrator Sebastian Meinecke zum derzeitigen Haustier-Boom.  © Sebastian Meinecke/Tierschutzverein München

Das heißt, die Anschaffung eines Haustiers ist weniger eine wohlüberlegte Entscheidung, sondern rührt mehr von der Einsamkeit und Langeweile der Menschen.

Wer auf einmal den ganzen Tag zu Hause im Homeoffice arbeitet, hat doch wunderbar Zeit, sich um einen Welpen zu kümmern, oder?

"Die Tiere sollen die Isolation ausgleichen, die entstandenen Löcher im Alltag und Freizeitleben stopfen. Das halten wir grundsätzlich für eine sehr fragliche Intention", betont Kristina Berchtold.

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Dass Tiere glücklich machen und Menschen Halt geben, ist dem Tierheim bewusst. Doch Hunde, Katzen und Co. haben eigene Bedürfnisse, die beim Kauf oft nicht bedacht werden.

"Wer sich ein Haustier anschafft, übernimmt damit eine lebenslange Verantwortung", erklärt Berchtold.

Auch wenn es uns zurzeit in weiter Ferne erscheint: Irgendwann werden die Pandemie-Maßnahmen wieder zurückgefahren. Man kann dann abends wieder ausgehen, in den Urlaub fahren und im Büro arbeiten. Was passiert dann mit den Tieren?

Der "Lockdown-Dog" bereitet den Tierheimen Kopfzerbrechen

Im Tierheim warten zahlreiche erwachsene Tiere auf ein neues Zuhause. (Symbolbild)
Im Tierheim warten zahlreiche erwachsene Tiere auf ein neues Zuhause. (Symbolbild)  © sonjachnyj/123RF

Im Tierheim müssen zeitweise Wartelisten für Abgabetiere geführt werden, die Mitarbeiter sehen sich oft emotionaler Erpressung ausgesetzt.

Aussagen wie "Wenn ihr den Hund nicht gleich übernehmt, lass ich ihn einschläfern" oder "dann setz ich ihn auf der Autobahn aus", waren laut Berchtold schon vor Corona keine Seltenheit.

"Wie soll das erst nächstes Jahr werden mit all den neu angeschafften Corona-/ Lockdowntieren, die ihren Haltern dann plötzlich lästig und zu teuer werden?", fragt sich die Tierheim-Mitarbeiterin.

Der Tierschutzverein macht sich große Sorgen um die Tiere, die es nicht verdient haben, als Lückenbüßer zu dienen.

Kristina Berchtold hofft, dass sich die vielen Familien weiterhin gut um ihre neuen Mitglieder kümmern werden und will nicht vorverurteilen.

"Wir möchten lediglich für ein allgegenwärtiges Problem in der Haustierhaltung sensibilisieren, nämlich den Missbrauch zum eigenen Zweck der emotionalen Befriedigung auf Kosten der Tiere."

Titelfoto: magryt/123RF

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