Nächste DFB-Enttäuschung lässt WM-Sorgen wachsen: "Darf uns nicht passieren"
London - Stets bemüht und trotzdem nicht erfolgreich! 58 Tage vor dem Auftakt der Weltmeisterschaft 2022 gegen Japan hat die deutsche Nationalmannschaft im letzten echten Härtetest in England eine Zwei-Tore-Führung verspielt. Am Ende rettete sie sich noch zu einem 3:3-Unentschieden, das allerdings ein zwiespältiges Gefühl hinterließ.
"Es gibt viel zu analysieren", sagte RTL-Experte Steffen Freund (52) kurz vor Abpfiff der turbulenten Nations-League-Partie im Wembley.
Das Team von Bundestrainer Hansi Flick (57) hatte im Vergleich zur peinlichen 0:1-Pleite gegen Ungarn zwar an einigen Stellschrauben gedreht und präsentierte sich insgesamt engagierter, dennoch offenbarte das Londoner Wechselbad der Gefühle erneut die Defizite der DFB-Auswahl.
"Natürlich sind wir enttäuscht. Wir haben 2:0 geführt. Die erste Halbzeit war sehr ausgeglichen. Wir haben dann knapp 20 Minuten wirklich guten Fußball gespielt und sind verdient 2:0 in Führung gegangen. Dann gab es einen kleinen Bruch nach dem Anschlusstreffer. Das ist so eine Phase, die darf uns nicht passieren", so der 57-jährige Übungsleiter nach dem Match.
Schon im ersten Durchgang tat sich Deutschland gegen tief stehende und schnell umschaltende Engländer schwer und fand im letzten Drittel kaum Räume oder kreative Lösungen.
Da Japan und Costa Rica in knapp zwei Monaten sicherlich einen ähnlichen Ansatz wählen werden, muss diese Ideenlosigkeit Flick Sorgen bereiten. Viel Zeit, um Abläufe einzustudieren, bleibt nämlich nicht mehr.
Jamal Musiala war der Lichtblick beim Remis gegen die "Three Lions"
Immerhin belebte der für Thomas Müller (33) in die Startelf gerückte Jamal Musiala (19) das Offensivspiel sichtlich. Der Youngster vom FC Bayern München ging beherzt ins Gegenpressing und suchte zudem mit der Kugel am Fuß das Eins-gegen-eins.
Dieser Einsatz wurde - mit freundlicher Unterstützung des englischen Innenverteidigers Harry Maguire (29), der sich gleich zwei Böcke leistete - belohnt.
Der 19-jährige Offensivakteur verzeichnete vor den ersten beiden Treffern wichtige Ballgewinne, holte anschließend im Dribbling einen Strafstoß raus bzw. leitete er die Umschaltbewegung ein.
"Jamal hat gezeigt, warum er ein außergewöhnliches Talent ist", erkannte auch der Bundestrainer. "Er ist defensiv und offensiv ein Spieler, der uns sehr gut tut. Er kann dem Gegner Probleme bereiten und solche Situationen wie den Elfmeter rausholen."
Mit Leistungen wie diesen könnte Musiala beim Winter-Turnier in Katar tatsächlich zu einem wichtigen Baustein werden. Wie seine Kollegen ließ aber auch er sich nach dem englischen Anschluss vom wechselnden Momentum und der Wembley-Kulisse überrumpeln.
"Wir haben uns in einer Viertelstunde den Schneid abkaufen lassen von den Engländern. Das müssen wir besser machen, denn wir wollen eine erfolgreiche WM spielen", erklärte Flick.
Ilkay Gündogan und Kai Havertz konnten gegen England überzeugen
Die Verunsicherung aufgrund der durchwachsenen Ergebnisse in den letzten sechs Begegnungen (ein Sieg, vier Unentschieden, eine Niederlage) war der Mannschaft streckenweise anzumerken.
Außerdem ließen die Automatismen in der Rückwärtsbewegung weiterhin zu wünschen übrig, wie vor allem beim Anschluss von Luke Shaw (27) nach Flanke von Reece James (22) erkennbar wurde.
Auf der anderen Seite stimmte jedoch zumindest die Einstellung. Insbesondere Mittelfeldmotor Ilkay Gündogan (31) ging mit gutem Beispiel voran, forderte die Bälle, dirigierte das Spiel der DFB-Auswahl und übernahm beim Elfer die Verantwortung.
Auch Kai Havertz (23) beeindruckte mit einem mutigen Auftreten inklusive Zauberbude zum zwischenzeitlichen 2:0. Zudem blieb er beim späten Ausgleich in der Aktion und reagierte gedankenschnell auf den Torwartfehler von Nick Pope (30).
Wie wichtig der Treffer zum versöhnlichen Remis so kurz vor WM-Start war, weiß auch der deutsche Coach.
"Was am Ende noch positiv ist, dass wir nach dem 3:2 zurückgekommen sind und das 3:3 gemacht haben. So können wir das besser verkraften als eine Niederlage. Nicht aufzugeben ist das, was wir brauchen."
Titelfoto: Nick Potts/PA Wire/dpa