Union Berlin wie Leicester City oder doch nur wie Hertha? Der Wahnsinn geht immer weiter

Berlin - Jetzt kann der 1. FC Union Berlin auch noch last minute! Selbst Urs Fischer (56) geriet in Erklärungsnot. Angesprochen auf den seit Wochen herrschenden Wahnsinn, fand auch der Schweizer keine Erklärung. "Das kann ich nicht. Aber ich glaube, dass die Mannschaft versucht, in jedem Spiel an ihre Grenzen zu gehen", verriet der 56-Jährige.

Wahnsinn an der Alten Försterei: Kapitän Christopher Trimmel (34, 2.v.r.), Diogo Leite (r.), Sven Michel (2.v.l.) und Siegtorschütze Danilo Doekhi kennen nach dem 2:1 kein Halten mehr.
Wahnsinn an der Alten Försterei: Kapitän Christopher Trimmel (34, 2.v.r.), Diogo Leite (r.), Sven Michel (2.v.l.) und Siegtorschütze Danilo Doekhi kennen nach dem 2:1 kein Halten mehr.  © Andreas Gora/dpa

Wie das aussieht, sehen die Fußballfans Woche für Woche auf dem Rasen. Mit einer ekligen Spielweise, der besten Abwehr der Liga und Top-Stürmer Sheraldo Becker (27) machen die Eisernen den Gegnern das Leben schwer.

Das ist nicht immer schön, aber erfolgreich und jetzt auch noch dramatisch. In allerletzter Sekunde sicherten sich die Eisernen gegen Borussia Mönchengladbach (2:1) den Sieg. Zuvor hatten die Köpenicker, wenn sie in Rückstand geraten sind, immer verloren.

Jetzt aber können sie nicht nur Spiele drehen, sondern offenbar auch noch Ballbesitz. Bislang schien es so, dass sie vor allem Probleme bekommen, wenn der Gegner ihnen die Kugel überlasst. Das war zunächst auch gegen die Gladbacher der Fall und doch schlugen sie trotz zweier aberkannter Tore noch zurück. Der Union-Wahnsinn geht immer weiter!

Beendet Union gegen Bayern seine Sturmflaute? Worauf Bjelica jetzt hofft
1. FC Union Berlin Beendet Union gegen Bayern seine Sturmflaute? Worauf Bjelica jetzt hofft

Es scheint, als könnten die Bundesligisten machen, was sie wollen, am Ende gewinnt dann doch Union. Mal werden ihnen Tore geschenkt (Dortmund), mal ist auf Becker Verlass, die Abwehr zur Stelle oder sie sind einfach komplett überlegen. Selbst Niederlagen wie beim Abstiegskandidaten VfL Bochum (1:2) bringen die Fischer-Truppe nicht aus dem Tritt. Dann wird eben in der Festung Alte Försterei wieder gewonnen.

In letzter Sekunde köpfte Doekhi Union doch noch zum Sieg.
In letzter Sekunde köpfte Doekhi Union doch noch zum Sieg.  © Andreas Gora/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

Erstaunliche Parallelen des 1. FC Union Berlin zum Sensationsmeister Leicester City

Leicester City schaffte 2016 die Sensation. Jamie Vardy (35, 24 Saisontore) sorgte oft für den Unterschied.
Leicester City schaffte 2016 die Sensation. Jamie Vardy (35, 24 Saisontore) sorgte oft für den Unterschied.  © EPA/HANNAH MCKAY

Während die Profis ganz im Sinne des Trainers von "einer geilen Momentaufnahme" sprechen und der Schweizer nicht müde wird, den Klassenerhalt als Saisonziel ausgeben, dürfen die Fans von der Schale träumen. "Deutscher Meister wird nur der FCU", hallte es nach Schlusspfiff lautstark von den Rängen.

Schon längst werden Vergleiche mit Leicester City, dem Sensationsmeister der Premier League 2016, gezogen. Bis 2009 spielte der Briten-Klub noch drittklassig, stieg 2014 in die Premier League auf, nur eine Saison später gelang das Fußballwunder - dank schwächelnder Konkurrenten, einem Kult-Trainer (Claudio Ranieri) und einem starken Gerüst mit Unterschiedsspielern wie Ngolo Kanté (31), Riyad Mahrez (31) oder Top-Stürmer Jamie Vardy (35).

Erstaunliche Parallelen zu den Köpenickern, die 2008 in die 2. Liga aufgestiegen sind, zehn Jahre im Unterhaus kickten, ehe Urs Fischer sie in seiner Premierensaison in die Bundesliga führte. Auch die Eisernen haben eine klare Struktur, eine starke Achse und mit Becker einen der gefährlichsten Angreifer der Liga. Der Star ist aber die Mannschaft. Jeder weiß, was er zu tun hat.

Union empfängt Bayern: Was Bjelica heute über den Skandal sagt
1. FC Union Berlin Union empfängt Bayern: Was Bjelica heute über den Skandal sagt

Durchbricht ausgerechnet der "ewige" Underdog aus Berlin-Köpenick die Dauer-Dominanz des FC Bayern München? Der Traum von der Meisterschaft ist längst keine Momentaufnahme mehr. Seit dem 6. Spieltag stehen die Eisernen nun schon ganz oben.

Hertha BSC träumte 2009 lange von der Meisterschaft

Der Trainer tanzt in der Mitte: Lucien Favre (64) ließ Hertha-Fans lange von der Meisterschaft träumen.
Der Trainer tanzt in der Mitte: Lucien Favre (64) ließ Hertha-Fans lange von der Meisterschaft träumen.  © Gero Breloer dpa/lbn

Gerade in Berlin dürfte man aber nicht nur auf Leicester City zurückblicken. In der Saison 2008/09 war es Hertha BSC, die lange Zeit von der Meisterschaft träumen durften. Unvergessen, wie sie damals im ausverkauften Olympiastadion Bayern durch einen Doppelpack von Andrej Voronin schlugen und auch noch die Tabellenführung übernahmen.

Wochenlang herrschte in der Stadt eine unglaubliche Euphorie. Auch damals war es ein Schweizer auf der Trainerbank, der Berlin verzauberte: Lucien Favre (64) führte sein Team von Sieg zu Sieg. Ähnlich wie bei Union staunte auch damals die Liga. Es war meist knapp, aber am Ende hieß der Sieger Hertha. Ging die Alte Dame in Führung, war das Spiel zugunsten der Berliner entschieden.

Erst zum Ende der Saison ging den Blau-Weißen die Puste aus. Hertha machte wieder Hertha-Sachen, verspielte mit einem 0:4 beim schon abgestiegenen Karlsruher SC die Champions League, verlor seine besten Spieler (Pantelic, Voronin, Simunic), holte Artur Wichniarek zurück und stieg in der nächsten Saison ab.

Und Leicester City? Die Briten wurden nach der unglaublichen Erfolgswelle ebenfalls von der Realität eingeholt. Als englischer Meister beendeten die Foxes die Folgesaison auf Platz zwölf.

Vielleicht will Fischer als Europa-League-Teilnehmer und Bundesliga-Spitzenreiter auch deshalb konsequent nichts von neuen Saisonzielen wissen. "Wir fangen nicht an, rumzuspinnen. Unser Ziel bleibt das gleiche, egal ob wir nun 26 Punkte haben oder nicht, die 40-Punkte-Marke." Siegtorschütze Danilo Doekhi (24) blieb zwar ebenfalls vorsichtig, ließ sich aber zu einem "Alles ist möglich" hinreißen.

Titelfoto: Andreas Gora/dpa, EPA/HANNAH MCKAY

Mehr zum Thema 1. FC Union Berlin: