Dynamo Dresden: So heißblütig lebt und liebt Markus Anfang den Fußball

Dresden - Er läuft an der Seitenlinie auf und ab, feuert an, klatscht und schreit, wenn es sein muss: Markus Anfang (48), Cheftrainer von Dynamo Dresden, lebt und atmet den Fußball.

Markus Anfang (48) lebt und atmet Fußball und verfügt über jede Menge Emotionen, die er versucht, seinen Spielern weiterzugeben.
Markus Anfang (48) lebt und atmet Fußball und verfügt über jede Menge Emotionen, die er versucht, seinen Spielern weiterzugeben.  © Lutz Hentschel

Davon konnten sich alle Fans und Beobachter zum Auftakt in die 3. Liga gegen den TSV 1860 München (3:4) ein Bild machen. Da zeigte der Coach am Rand nicht weniger Einsatz als seine Spieler auf dem Feld.

Wie es hinter den Kulissen aussieht, das verrät nun "Ein Jahr zweite Liga - die Werder Doku". Anfang stand von Sommer bis Ende September 2021 bei den Grün-Weißen unter Vertrag und ist einer der Hauptakteure des Films, der seit Montag auf verschiedene Episoden aufgeteilt bei DAZN zu schauen ist.

In einem abgedunkelten Raum, der vor dem Spiel gegen Hannover 96 zur Videoanalyse dient, steht der 48-Jährige und schlägt zunächst leise Töne an. "Es ist die zweite Liga, es wird gekämpft", macht er seinem Team zeigefingerhebend klar.

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Mit jeder Sekunde und mit jedem Wort verleiht er seiner Stimme mehr Power: "Es wird viel über Mentalität, über Leidenschaft, über Widerstandsfähigkeit gemacht", versucht er seinem Team, das gerade zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den Absturz ins deutsche Unterhaus hingelegt hat, einzubläuen.

Anfang bildet prägnante, kurze Sätze mit in Erinnerung bleibenden Aussagen: "Und wenn DU dann nicht bereit bist und nicht dagegen hältst, dann frisst er Dich auf", schallt es mittlerweile laut und deutlich durch den Raum.

Dynamo Dresdens Coach Markus Anfang ist ein Mentalitätsmonster, das seine Spieler pusht ohne Ende

"No Stress" steht auf seinen Armband in Jamaika-Farben. Für Spieler, die nicht genug Einsatz zeigen, kann es aber durchaus mal Stress mit Anfang geben.
"No Stress" steht auf seinen Armband in Jamaika-Farben. Für Spieler, die nicht genug Einsatz zeigen, kann es aber durchaus mal Stress mit Anfang geben.  © Lutz Hentschel

Nach den ersten 45 Minuten an diesem 24. Juli 2021 gegen die Niedersachsen, in denen Werder zum Auftakt in die 2. Liga zwar die Null hält, aber auch kein eigenes Tor erzielt, liefert die Dokumentation einen noch tieferen Einblick in die emotionale Seite von Anfang.

"Ihr seid so geile Fußballer, ihr könnt so geilen Fußball spielen. Draußen wunderbarer Platz, schön feucht, die Kugel wird richtig schnell", versucht der Trainer durch die Kabine schreiend die positiven Seiten des strömenden Regens, der durch das Weserstadion peitscht, hervorzuheben.

Dauerhaft in den Knien, dribbelt er mit kleinen Schritten immer wieder gestikulierend vor den sitzenden Spielern hin und her. "Zuschauer sind da, Heimspiel, Flutlicht, Männer, viel besser geht's ja gar nicht, dafür spielen wir alle Fußball", versucht der 48-Jährige sich in die Köpfe seiner Jungs vorzuarbeiten.

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Er senkt seinen Körper nach unten, als er in die Kindheit zurückblickt und meint: "Als wir so klein waren, haben wir gesagt, wenn wir mal ins Stadion gehen und das ist voll und wir können da Fußball spielen, das ist ein Traum für uns, das ist ein Traum! Den haben wir, den haben wir."

Bevor er und Mannschaft unter tosendem Applaus die Kabine verlassen, kommt ein letzter Appell: "Geht da raus und habt einfach Spaß am Fußball, habt Bock darauf, konzentriert Euch auf Eure Aufgaben, setzt sie um, volle Leidenschaft und dann werden wir das Ding auch ziehen. Jeder Einzelne eine Schippe drauf."

Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man meinen, in Anfangs Adern fließt italienisches Blut

Markus Anfang (48) kann laut, ja sogar richtig laut werden.
Markus Anfang (48) kann laut, ja sogar richtig laut werden.  © picture point/Sven Sonntag

Diese Schippe reicht zur 1:0-Führung, aber ausgerechnet Marvin Ducksch, der wenig später nach Bremen wechselt und mit Anfang nach der gemeinsamen Saison 2017/2018 bei Holstein Kiel wieder vereint ist, erzielt den 1:1-Ausgleich und vermiest Werder und Anfang den erfolgreichen Einstand.

Es folgt ein 3:2-Auswärtssieg bei Fortuna Düsseldorf, ehe die Nordlichter im DFB-Pokal beim VfL Osnabrück hart auf dem Boden aufschlagen und mit 0:2 ausscheiden. In der Halbzeit erlebt das Team einen Markus Anfang, der immer noch emotional ist, dieses Mal aber verbal und sogar mit der Faust richtig auf den Tisch haut.

"Ihr müsst den zeigen, ihr seid dran, ihr wollt in den Zweikampf, ihr wollt den Zweikampf beherrschen", schreit er in den Katakomben und tobt weiter: "Wenn ich Innenverteidiger bin und der setzt sich ab, dann geh ich mit und dann gebe ich dem Feuer, aber richtig Feuer. Es tut ihm richtig weh." Das tut wohl anschließend auch des Coaches rechte Hand, die er aufweckend auf die weiße Platte vor ihm donnert.

Als Letztes schimpft er: "Das macht keiner, keiner." Wenn man es nicht besser wüsste, würde man meinen, der gebürtige Kölner MUSS italienisches Blut in seinen Adern fließen haben.

Jeder Dynamo-Fan, der sich diese beiden Episoden anschaut, kann sich zumindest annähernd vorstellen, wie der neue Coach die Spieler packt und wie seine Ansprachen vor den Partien oder in der Halbzeit aussehen.

Wohl auch am Freitag, wenn das Team im DFB-Pokal den VfB Stuttgart im Rudolf-Harbig-Stadion empfängt. Dieses Mal sind Anfang und sein Team der Underdog. Und sie wollen dafür sorgen, dass man die Worte des echten Italieners und Schwaben-Coaches Pellegrino Matarazzo (44) im negativen Sinne lauter aus den Katakomben hallen hört als die von Anfang auf schwarz-gelber Seite.

Titelfoto: Lutz Hentschel

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