Ein Gespräch mit Jesus, Steve Jobs oder Hitler? Neue KI-App macht's möglich und erntet Kritik

USA - Eine der klassischsten Fragen in Gesellschaftsspielen ist wohl: "Welche drei Personen aus der Geschichte würdest Du zum Essen einladen?" Oft fällt die Wahl auf bereits verstorbene Persönlichkeiten, von denen man sich wünscht, mehr zu erfahren. Michael Jackson (†50), Elvis (42), vielleicht die Queen (96) oder doch gleich Jesus Christus? Eine neue App soll solche Gespräche mithilfe einer künstlichen Intelligenz nun möglich machen.

Michael Jacksons (†50, r.) Chatbot spricht von einem friedlichen und angenehmen Dasein in der Hölle. Wie es Elvis Presley (†42) wohl im Jenseits gehen mag?
Michael Jacksons (†50, r.) Chatbot spricht von einem friedlichen und angenehmen Dasein in der Hölle. Wie es Elvis Presley (†42) wohl im Jenseits gehen mag?  © Bildmontage: Jan Nienheysen/dpa, UPI/dpa

"Historical Figures" heißt die App, die Gespräche mit 20.000 historischen Persönlichkeiten ermöglicht. Darüber berichtete jüngst der US-Nachrichtensender NBC.

Sie wurde von einem gerade einmal 25 Jahre alten Software-Ingenieur entwickelt, der bei Amazon arbeitet. "Historical Figures" nutzt das GPT-3-System und arbeitet mit Fakten, Quellen und Berichten, die das Programm online findet, um ein Gespräch so authentisch wie möglich zu gestalten.

Doch die Technologie hinter der KI-App ist bislang noch alles andere als perfekt, worauf auch Nutzer in den sozialen Medien hinweisen. Sie teilten Screenshots von Gesprächen, in denen sich historische Persönlichkeiten widersprachen oder Dinge sagten, die nicht belegt worden seien.

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So nannte der Chatbot von Adolf Hitler (†56) das Töten von Juden während des Zweiten Weltkriegs einen "schrecklichen Fehler", der aber "notwendig" gewesen sei, da Juden "eine Bedrohung für Deutschland und Europa darstellen" würden. Es gebe jedoch keine Beweise dafür, dass Hitler die Ermordung von sechs Millionen Juden als Fehler bezeichnete.

Michael Jackson wurde von einem App-User gefragt, "wie die Dinge in der Hölle laufen", der King of Pop antwortete mit: "Es ist ehrlich gesagt recht friedlich und angenehm hier."

Seit "Historical Figures" Anfang Januar auf den Markt kam, registrierten sich etwa 9000 Menschen, so App-Erfinder Sidhant Chadda in einem Telefoninterview mit NBC.

KI-App liefert Zugang zu zweifelhafte Persönlichkeiten und macht viele Fehler

Selbst mit Adolf Hitler (†56, r., hier im Bild mit Reichspräsident Paul von Hindenburg) kann man durch den Chatbot "sprechen".
Selbst mit Adolf Hitler (†56, r., hier im Bild mit Reichspräsident Paul von Hindenburg) kann man durch den Chatbot "sprechen".  © picture alliance / dpa

Besonders in Bezug auf Kriegsverbrecher haben viele Menschen einen eher kritischen Blick auf die künstliche Intelligenz der App. Besonders Nazi-Fanatiker könnten zu viel in die Worte der Chatbots hineininterpretieren.

Die "Anti-Defamation League" (ADL), eine jüdische Organisation, die sich der Verbreitung von Hass gegen ihre Gemeinde entgegenstellt, meinte, die App werfe Bedenken auf.

"Vorgetäuschte Gespräche mit Hitler - und vermutlich anderen bekannten Antisemiten aus der Geschichte - zu führen, ist zutiefst beunruhigend und wird Nahrung für Fanatiker liefern", sagte Yael Eisenstat, die Vizepräsidentin des Zentrums für Technologie und Gesellschaft der ADL, in einer Erklärung.

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Laut "Historical Figures"-Schöpfer Chadda sei die App aktuell noch weit davon entfernt, ein fertiges Produkt darzustellen. Antworten sind noch nicht zu 100 Prozent historisch korrekt und Schutzmechanismen sollen künftig verhindern, dass "tote Nazis Hass im Internet verbreiten, indem sie den Holocaust verteidigen".

"Wenn ich feststelle, dass die Ausgabe des Modells rassistisch, sexistisch oder hasserfüllt ist, lasse ich die Antwort eigentlich ganz aus", fügte der App-Entwickler hinzu.

KI-Chatbot im Wandel

Auch Steve Jobs (†56) ist derzeit als Chatbot in "Historical Figures" verfügbar - aber nicht mehr lange, wenn es nach Apple geht.
Auch Steve Jobs (†56) ist derzeit als Chatbot in "Historical Figures" verfügbar - aber nicht mehr lange, wenn es nach Apple geht.  © Monica M. Davey/EPA/dpa

Genau wie Menschen könnten auch die virtuellen Bots lügen. Nicht immer seien die Antworten der historischen Chatbots daher auf Fehler der KI-Programmierung zurückzuführen.

"Die Menschen erwarten, dass diese historischen Zahlen wahrheitsgemäß sind, aber in Wirklichkeit sind die Menschen nicht immer zu hundert Prozent ehrlich", sagte Chadda. "Der Politiker wird als Antwort eine politische Antwort geben, und das kann zu Problemen führen, aber ich denke, das ist aus historischer Sicht ehrlicher."

Aktuell muss man für die Freischaltung von historischen Personen und das Stellen von Fragen Münzen bezahlen, die man digital für echtes Geld erwerben kann. Auch diese Preisstruktur sorgte bereits für mächtig Kritik.

Die Freischaltung von Adolf Hitler zum Beispiel soll 500 Münzen kosten, welche man für 15,99 US-Dollar (14,71 Euro) kaufen kann. Jede Frage kostet eine zusätzliche Münze. Aktuell überdenke Chadda mit seinem Team die preisliche Struktur der App.

Neben einigen schrecklichen Kriegsverbrechern bietet "Historical Figures" auch die Chance, mit großen Schauspielern, Sportlern, Geschäftsleuten und Wissenschaftlern zu chatten. Chadda sagte, er habe Wikipedia verwendet, um festzustellen, "wie relevant Menschen während ihrer Lebenszeit waren", sie eingestuft und bei 20.000 Zahlen abgeschnitten.

Dazu gehöre auch Steve Jobs (56), der 2011 verstarb. Apple war davon allerdings nicht sehr begeistert und forderte, den Jobs-Chatbot von der App entfernen zu lassen.

Titelfoto: Bildmontage: 123rf/fotoall, 123rf/ramirezom, picture alliance / dpa, Monica M. Davey/EPA/dpa

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