Selbstständige und Freiberufler sind frustriert: Ewiges Warten auf die Corona-Entschädigung

Von Christian Grube

Leipzig - Wer kennt es nicht? Man fühlt sich nicht wohl, geht zum Arzt und wird krankgeschrieben – die Lohnfortzahlung wird weiterhin vom Arbeitgeber gewährleistet. Doch was passiert, wenn man wegen eines Kontakts mit einer positiv auf das Coronavirus getesteten Person in Quarantäne muss?

Hat man Kontakt mit einer an Corona erkrankten Person gehabt, darf man seine Freizeit vorerst zu Hause verbringen. (Symbolbild)
Hat man Kontakt mit einer an Corona erkrankten Person gehabt, darf man seine Freizeit vorerst zu Hause verbringen. (Symbolbild)  © 123RF/simpson33

Dazu hat der Gesetzgeber im Infektionsschutzgesetz den Passus der Entschädigung verankert. Für Angestellte ist dies ebenfalls unproblematisch, denn der Arbeitgeber zahlt das Geld weiter und holt es sich von der Landesdirektion zurück. Selbstständige und Freiberufler müssen den Antrag selbst stellen.

Beide Gruppen haben eines gemeinsam: langwierige Bearbeitungszeiten.

Henry Eltzsch betreibt im Leipziger Osten einen Hausmeister- und Seniorenservice. Einer seiner Mitarbeiter war im Frühjahr 2021 in häuslicher Quarantäne – das ihm zustehende Geld hat Eltzsch sofort gezahlt. Entsprechend der Richtlinien hat er im Mai 2021 dann bei der Landesdirektion in Chemnitz die Erstattung der Entschädigung beantragt.

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Doch dann geschah erst einmal nichts. Ein Anruf im Sommer erbrachte auch keine weitergehenden Informationen – erst im Januar 2022 erhielt er eine Eingangsbestätigung.

Eine Zahlung des Freistaates hat er bis heute nicht erhalten – immerhin über 2000 Euro.

Eingangsbestätigungen erst nach vielen Monaten

222.473 Anträge wurden bis Ende Februar 2022 bei der Landesdirektion eingereicht.
222.473 Anträge wurden bis Ende Februar 2022 bei der Landesdirektion eingereicht.  © Christian Grube

Genau wie Henry Eltzsch erging es auch Stefan Schneider (Name geändert), er ist freiberuflicher Mediengestalter. Im April 2021 wurde Schneider nach einem Kontakt mit einem Infizierten vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt.

Da ihm in der 14-tägigen Isolation Einnahmen im oberen dreistelligen Bereich verloren gegangen sein sollen, musste er ebenfalls einen Antrag auf Entschädigung nach §56 des Infektionsschutzgesetzes stellen. Diesen schickte er im Mai 2021 ab.

"Da ich nach vier Monaten weder eine Eingangsbestätigung noch eine andere Information erhielt, rief ich in Chemnitz an und fragte nach dem Bearbeitungsstand", erzählt Schneider.

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Man habe ihm lediglich den Eingang des Antrags bestätigt – wann der Antrag bearbeitet werden würde, habe man ihm aufgrund der großen Anzahl an Einsendungen nicht beantworten können. Er wurde um Geduld gebeten.

Eine weitere Nachfrage im Januar 2022 ergab Ähnliches. "Der freundliche Herr am Telefon sagte mir, man sei derzeit bei Anträgen im Januar 2021."

Der Mediengestalter ist deshalb zunehmend frustriert.

Oft sind Anträge unvollständig, was zu noch längeren Wartezeiten führt

In der Landesdirektion in Chemnitz gibt es nur eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern, die sich um die Anträge von Selbstständigen und Freiberuflern zu kümmern.
In der Landesdirektion in Chemnitz gibt es nur eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern, die sich um die Anträge von Selbstständigen und Freiberuflern zu kümmern.  © Uwe Meinhold

Dass Antragsteller sehr viel Geduld haben müssen, bestätigt auch der stellvertretende Pressesprecher der Landesdirektion Sachsen, Jürgen Herrmann.

"Derzeit gehen in der Landesdirektion Sachsen pro Woche etwa 2000 Anträge ein. Von März 2020 bis zum 28. Februar 2022 sind 222.473 Anträge eingegangen. Davon waren 33.371 Verdienstausfälle wegen Kinderbetreuung."

Insgesamt hat der Freistaat damit etwa 72 Millionen Euro ausgezahlt.

Woran liegt es, dass eine Bearbeitung annähernd ein Jahr dauert? Zum einen liege dies an den unterschiedlichen Sachverhalten, aber auch an der höchst uneinheitlichen Qualität der eingehenden Anträge.

Probleme wie unvollständige Antragsunterlagen, ungenaue oder fehlerhafte Angaben im Antrag, zahlreiche Anfragen von Antragstellern, aber auch Änderungen der gesetzlichen Grundlagen können die Bearbeitung erschweren. Ist alles vollständig, dauert es hingegen nur gute zwei Stunden bis ein Antrag abgearbeitet ist, heißt es aus der Landesdirektion.

Liegt es an zu wenigen Mitarbeitern? "Da diese teilweise auch andere Aufgabenfelder betreuen, lässt sich die Bearbeitung nur in sogenannten Vollzeitäquivalenten (VZÄ) beziffern."

Zum aktuellen Zeitpunkt sind 47,025 reguläre VZÄ und 90,18 zusätzliche VZÄ – also Abordnungen aus anderen Abteilungen oder befristete Neuanstellungen – mit den Anträgen betraut. Wie viele Mitarbeiter dies sind, lässt sich daraus nicht ableiten.

Umstellung auf Online-Anträge erst im vergangenen Mai

Obwohl manche das Geld dringend brauchen, sind sie gezwungen, sich in Geduld zu üben. (Symbolbild)
Obwohl manche das Geld dringend brauchen, sind sie gezwungen, sich in Geduld zu üben. (Symbolbild)  © 123RF/sirikan1990

In jedem Fall zeigt es, dass die Bearbeitung auch so lange dauert, weil die Flut der Anträge schlicht zu hoch ist. Geht man davon aus, dass ein Vollzeitmitarbeiter vier Anträge pro Tag bearbeiten kann und derzeit etwa 137 VZÄ mit der Bearbeitung betraut sind, dann schafft die Landesdirektion in einer Woche etwa 552 Anträge. Das ist aber der Idealfall.

Man darf also von einer niedrigeren Anzahl ausgehen – vor allem, wenn man bedenkt, dass wöchentlich noch immer etwa 2000 Anträge eingehen. Die erste Welle im April 2020 dürfte hier noch angemessen zu stemmen gewesen sein. Wie kann die Bearbeitung beschleunigt werden?

"Dies erfolgt durch eine stetige Optimierung der Prozessabläufe. Neben der Umstellung auf Online-Anträge über Amt24 seit Mai 2021 erfolgt inzwischen eine teilautomatisierte Antragsbearbeitung. Abgesehen davon wurden Berechnungsmodule optimiert und antragsspezifische Arbeitsgruppen gebildet, sodass ein effektiver und spezialisierter Personaleinsatz erfolgt", erläutert Jürgen Herrmann.

Henry Eltzsch und Stefan Schneider bleibt also nichts anderes übrig, als abzuwarten. "Eine andere Möglichkeit hat man nicht. Frust ist da, aber Resignation hilft hier nicht", resümiert Schneider.

Titelfoto: 123RF/sirikan1990

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