Überfällig oder ein falsches Signal? Das Kiffen wird schon bald salonfähig
Dresden - Bier, Wein und Schnaps sollen nach Ansicht der Bundestherapeutenkammer teurer und nur noch in lizenzierten Geschäften verkauft werden. Zudem fordern sie die Legalisierung von Cannabis.

Seither ist die Debatte um legale Drogen in Deutschland entfacht. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die kontrollierte Abgabe von Cannabis als Genussmittel in Deutschland zuzulassen. Seitdem wird diskutiert, wie konkret denn so eine Legalisierung umgesetzt werden kann. Dürfen wir bald wirklich legal kiffen?
Die Ampel-Koalition will die kontrollierte Abgabe von Cannabis erlauben. Bis Ende dieses Jahres sollen die Ministerien einen Gesetzentwurf vorlegen.
Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (56, SPD) fordert eine neue Debatte über den Umgang mit legalen Drogen. Er erklärt, warum er für die Cannabis-Legalisierung ist, aber trotzdem vor dem Konsum warnt.
Burkhard Blienert warnt vor legalen Droge, möchte Cannabis aber gleichzeitig freigeben. Wie passt das zusammen? "Die Gesundheitsgefahren der Prohibition sind größer als die ihrer Aufhebung", so Blienert.
Das Gras könnte dann etwa in speziellen Fachgeschäften an Erwachsene verkauft werden, Konsumenten müssten keine illegale Ware mehr vom Schwarzmarkt beziehen.
"Ich möchte, dass Cannabiskonsumenten endlich nicht mehr kriminalisiert werden. Denn wer etwas Verbotenes macht, der tut sich deutlich schwerer, Hilfe zu suchen, wenn Hilfe erforderlich wird", sagt Blienert.

Burkhard Blienert möchte eine schärfere Debatte um den Genuss von Alkohol anschieben

Bei der Cannabis-Debatte hat vor allem die EU ein Wörtchen mitzureden. Doch Blienert ist sich sicher: "Wir werden eine rechtssichere Lösung finden."
Wann genau man in Deutschland den ersten legalen Joint rauchen dürfe, darauf möchte sich der Politiker noch nicht festlegen. Vergangenen Dienstag startete die erste der fünf Expertenanhörungen im Bundesgesundheitsministerium.
Bis Ende Juni soll dort über Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz diskutiert werden, aber auch über Lieferketten und ökonomische Fragen.
Der Drogenbeauftragte möchte außerdem eine schärfere Debatte um den Genuss von Alkohol anschieben. "Dazu gehört, den Status Quo infrage zu stellen. Was wir in dieser Legislatur noch auf der To-do-Liste haben, sind Einschränkungen bei Werbung und Sponsoring", sagt Blienert.
"Es muss jedem klar werden: Alkohol ist ein starkes Zellgift."

Auch in Sachsen wird Hanf angebaut

Rund 400 Kilo Cannabis wurden dieses Jahr schon in Ebersbach bei Dresden geerntet. Und das ganz legal. Das sächsische Unternehmen Demecan ist eine von nur drei Firmen in Deutschland, die das Rauschmittel unter staatlicher Kontrolle für medizinische Zwecke anbauen dürfen.
Die Cannabis-Farmer sagen Ja zur Legalisierung der Hanfblüten als Genussmittel. Sollte die Regierung grünes Licht geben, könnte Demecan die Produktion in Windeseile hochfahren.
"Die Freigabe ist eine längst überfällige Entwicklung", findet Constantin von der Groeben. Der 37-jährige Jurist ist einer der Gründer der Indoor-Plantage. "In Deutschland gibt es viele Konsumenten - und ein Großteil konsumiert vom Schwarzmarkt. Niemand weiß genau, was da drin ist."
Constantin von der Groeben findet: Cannabisanbau in Deutschland lohnt sich. "Es ist die Regulierung in Deutschland, die derzeit im Bereich des medizinischen Cannabis eine Belastung für deutsche Produktionen darstellt."


Deutsches Cannabis ist deutlich günstiger als Stoff aus dem Ausland

Noch kommen etwa drei Viertel des medizinischen Cannabis aus dem Ausland. Grund: Die Cannabisagentur erlaubt den drei deutschen Standorten eine maximale Ernte von vier Tonnen pro Jahr.
Demecan allerdings könnte seine aktuelle Produktionskapazität in Sachsen in wenigen Monaten auf zehn Tonnen pro Jahr verfünffachen - zum Beispiel im Falle der Legalisierung.
Cannabis "Made in Germany" ist mit knapp fünf Euro pro Gramm deutlich günstiger als Stoff aus dem Ausland. Vom kommerziellen Anbau könnte die heimische Wirtschaft außerdem profitieren: mehr Jobs, mehr Steuereinnahmen und weniger Kosten für Justiz und Polizei.
"Studien zeigen, dass die Legalisierung dem Staat mehr als 4,7 Milliarden Euro zusätzlich einbringen", sagt von der Groeben.
Ganz so harmlos ist der Joint nicht

Wer sich ab und zu einen Joint reinpfeift, behauptet gern, dass Alkohol viel schlimmer sei. Aber ist Cannabis deswegen völlig risikofrei? Weit gefehlt, warnen Experten seit Langem. Vor allem drei Bedenken hört man immer wieder.
• Die Wirkung ist kaum einschätzbar: Die Hanfpflanze Cannabis enthält mehr als 60 Substanzen, von denen das THC besonders auf die Psyche drückt. Überall im Körper gibt es Rezeptoren, an die dieses THC andockt. Dadurch, dass die Rezeptoren noch relativ schlecht erforscht sind und der THC-Gehalt je Pflanze teils stark schwankt, lassen sich keine vernünftigen Wirkungsvorhersagen treffen.
• Nebenwirkungen: Ja, Trinken macht viele Menschen aggressiv, Kiffen beruhigt und entspannt. Aber: Beide Substanzen wirken aufs Hirn. Konzentration und Gedächtnisleistung leiden, Angstgefühle, Panikattacken und Psychosen sind keine Seltenheit unter Dauerkiffern.
• Gefährdet die Jugend: Der Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Thomasius (65) warnt vor Hirnschädigungen selbst durch gelegentlichen Cannabis-Konsum. Das Gehirn sei auch mit 18 Jahren noch nicht ausgereift, es drohten Minderungen der Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit.
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