Meinung zu Chemnitz: Dieses Problem will wohl keiner ansprechen!

Chemnitz - Egal aus welcher politischen Perspektive man schaut, die Zustände in Sachsen verursachen vielerorts nur noch Frust und Kopfschütteln. Frust innerhalb, Kopfschütteln außerhalb des Freistaates.

Der Trauerort in Chemnitz.
Der Trauerort in Chemnitz.  © Uwe Meinhold

Und bei all der Prügel, die Sachsen jetzt wieder von außen bekommt, wird eines leider zu wenig thematisiert: Es geht hier nicht nur um "rechts" oder "links". Es geht um Kriminalität.

Es gab einen Mord, da, wo in Chemnitz eigentlich das bunte Leben toben müsste.

Mag sein, dass viele Städte und dadurch auch viele Journalisten an solche Kriminalfälle gewöhnt sind. Sie passieren halt, so tragisch es im Einzelfall auch ist. Aber in Chemnitz sind sie in der Form kein Normalfall.

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Menschen, die da leben, sind geschockt. Sie haben Angst, fühlen sich unsicher. Natürlich gibt es auch in Chemnitz Kriminalität. Aber eben bisher nicht auf dieser Eskalations-Stufe.

Das relativiert keinesfalls rechte Aufmärsche. Im Gegenteil. Gern und laut muss über Rassismus in Sachsen gesprochen werden. Dringend aber auch über Kriminalität!

Auf der Pressekonferenz wurde kaum über die ursächliche Tat gesprochen.
Auf der Pressekonferenz wurde kaum über die ursächliche Tat gesprochen.  © Sven Gleisberg

Warum wird von offizieller Seite zu wenig über die Tat selbst gesprochen, um Aufklärung in das große Meer an Spekulationen zu bringen? Es wurde immerhin ein Stadtfest abgesagt. Tausende wurden dadurch zu Betroffenen.

In der einberufenen Pressekonferenz der Chemnitzer Polizei und Staatsanwaltschaft spielte die Tat, die Festnahme und die Täter nur etwa 90 Sekunden lang eine Rolle. Dann verstummt die unsicher wirkende Sprecherin der Staatsanwaltschaft wieder.

Es wäre auch für den anwesenden Minister die Chance gewesen, klarzustellen, dass Kriminalität das Problem sei. Nicht nur die von rechts und links.

Schon zu diesem Zeitpunkt stand fest, was offenbar keiner sagen wollte: Bei den Tätern handelt es sich um Intensivtäter. Mehrfach vorbestraft, unter Bewährung stehend. Es sei also die Frage erlaubt:

Hätte diese Tat verhindert werden können? Ich fürchte: Ja, sie hätte. Denn der Täter stand schon etliche Male vor dem Richter. Und dass, obwohl sein Asylantrag noch nicht entschieden war.

Demo in Chemnitz: Politische Lager nutzen Chemnitz für ihre Zwecke aus.
Demo in Chemnitz: Politische Lager nutzen Chemnitz für ihre Zwecke aus.  © Sven Gleisberg

Nicht, dass so ein Status irgendwas über einen Menschen aussagt. Aber man geht bei Menschen, die gern hierbleiben und sich integrieren wollen, schon davon aus, dass sie nicht wiederholt gewalttätig werden.

Chemnitz dagegen leidet fast wöchentlich unter Attacken in der Innenstadt. Oft sexueller Motive. Es braucht keine politische Einstellung, um das zu kritisieren.

Es sind eben diese Intensivtäter, die auf alle anderen Migranten ein schlechtes Bild werfen. Gegen die aber nicht entsprechend vorgegangen wird. Seit zwei Jahren sagen Kriminalitätsstatistiken genau das aus. Wann kommt die Reaktion auf diese Zahlen? Sie kam nun auf dem Gehweg in der Chemnitzer Innenstadt.

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Ob strategisches Nicht-Integrieren, inkonsequente Justiz oder mangelhafte Abschiebung das Problem verursachen, mag Gegenstand einer Debatte sein. Aber diese wäre dringend zu führen, um die Deutung nicht nur den Rechten zu überlassen. Deren Gebrüll und Verdrehung der Tatsachen ist der Grund, dass die gefühlte Sicherheit der Realität nicht gerecht wird. Und genau die wenigen Intensivtäter machen es den Rechten auch leicht, erfolgreich auf Stimmenfang zu gehen oder Massen bei irgendwelchen Trauermärschen zu mobilisieren.

Die AfD und andere rechte Gruppierungen werden nun wieder etliche Kundgebungen in Chemnitz halten, unter dem angeblichen Motiv der Trauer.

Rechte brüllten in Chemnitz radikale Parolen. Mit Trauer oder Anteilnahme hat das nichts zu tun.
Rechte brüllten in Chemnitz radikale Parolen. Mit Trauer oder Anteilnahme hat das nichts zu tun.  © DPA

Der Minister hätte auf einer der Pressekonferenzen sagen können, dass es ein Fehler war, immer mehr Polizeistellen abzubauen. Dass Beamte zahlenmäßig so unterlegen sind, nicht mal mehr Hitlergrüße ahnden zu können. Geschweige denn, den Intensivtätern Herr zu werden.

Kann man durch falsche Politik und Kommunikation Menschen in die Arme rechter Seelenfänger treiben? Offensichtlich ja. Denn Chemnitz ist nicht voller Nazis. Im Gegenteil. Viele wurden von Rechten instrumentalisiert.

Ihre Trauer und ihre Wut wurden von Populisten ausgenutzt, Stimmung zu machen. Und sie sind in die Falle getappt, waren plötzlich Teil einer Veranstaltung, auf der Sachen skandiert wurden, für die keinesfalls eine Mehrheit in Chemnitz steht. Wir erinnern uns: Bei Veranstaltungen von CEGIDA in Chemnitz kamen nur wenige Hundert zusammen.

Bei kritischen Lagen war es in Regierungskreisen bisher typisch sächsisch, Gras darüber wachsen zu lassen. Doch schon nächstes Jahr ist Wahl. Sachsen droht unregierbar zu werden. Denn Gras wächst nicht schneller, auch wenn man in der Staatskanzlei noch so stark daran zieht.

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