"NSU 2.0"-Drohschreiben: Angeklagter zeigt Mittelfinger und bestreitet Vorwürfe
Frankfurt am Main - Im Prozess um die "NSU 2.0"-Drohschreiben hat der Angeklagte am Donnerstag die Vorwürfe der Anklage bestritten und sich im Gerichtssaal daneben benommen.

"Von einer rechtsextreme Gesinnung kann bei mir keine Rede sein", sagte der 54-Jährige aus Berlin vor dem Frankfurter Landgericht. Er räumte lediglich ein, Mitglied eines rechten Forums im Darknet gewesen zu sein. Dort seien in einer geschlossenen Chatgruppe auch Polizisten gewesen, sagte Alexander M., der mit monotoner Stimme seine schriftliche Erklärung ablas.
In diesem Forum seien viele antisemitische Äußerungen gefallen, der Umgangston sei "unter aller Sau" gewesen. Er beschrieb sich als Opfer von Tricksereien, das als Täter hingestellt werden solle. Er habe Insiderwissen, behauptete M., wolle dann aber in ein Zeugenschutzprogramm.
Der Angeklagte muss sich seit Mittwoch vor dem Frankfurter Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung und Bedrohung vor.
Außerdem geht es um die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie einen Verstoß gegen das Waffengesetz.
Alexander M. (54) zeigte zu Beginn des Prozesses vor dem Frankfurter Landgericht den Stinkefinger

Angeklagter im "NSU 2.0"-Prozess: "Die spinnt doch"

Fragen des Gerichts und der anderen Prozessbeteiligten wollte M. nicht beantworten. Wiederholt unterbrach er eine Erklärung der Nebenklagevertreterin, bis hin zu einem "Die spinnt doch." Nur mühsam gelang es der Vorsitzenden Richterin, den Angeklagten zu mäßigen.
Dessen Äußerungen seien "sehr selektiv" gewesen, sagte die Nebenklagevertreterin Kristin Pietrzyk nach der Verhandlung. M. habe nur Punkte herausgegriffen, wo eine alternative Erklärung zur Tatbeteiligung angeboten werden könne.
Unklar sei weiterhin die Frage der illegalen Datenabfragen über die später mit "NSU 2.0"-Schreiben Bedrohten. "Das wird noch zu klären sein", sagte Pietrzyk. "Wir gehen davon aus, dass absolut nicht aufgeklärt ist, in welchen Netzwerken er sich bewegt hat."
Die Serie der Drohschreiben hatte im August 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie begonnen. Die Schreiben waren mit "NSU 2.0" unterzeichnet in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).
Unter den Adressaten der Schreiben waren Privatpersonen und Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden. Besonders häufig betroffen und heftigen Beleidigungen und Drohungen ausgesetzt waren Frauen, die öffentlich engagiert und erfolgreich sind.
Titelfoto: Boris Roessler/dpa pool/dpa