NSU-Akten: Anwältin Basay-Yildiz wirft Verfassungsschutz "Komplettversagen" vor

Frankfurt am Main - Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz (46) spricht im Zusammenhang mit den NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes von einem "Komplettversagen" der Behörde.

Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz (46) vertrat im Münchner NSU-Verfahren die Familie von Enver Şimşek, dem ersten Opfer des NSU.
Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz (46) vertrat im Münchner NSU-Verfahren die Familie von Enver Şimşek, dem ersten Opfer des NSU.  © dpa/Boris Rössler

"Man ist Hinweisen nicht nachgegangen, man hat nichts getan", sagte sie am heutigen Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Für sie sei es ein Schock gewesen zu sehen, dass es entgegen der öffentlichen Behauptungen dabei nicht etwa um Quellenschutz gegangen sei. In einer Vielzahl der gesammelten Informationen sei es um Waffen- sowie Sprengstofferwerb und -besitz von Rechtsextremisten gegangen. Daraufhin habe es aber offenbar keine weiteren Ermittlungen gegeben.

"Es war für mich ein Schock", sagte Basay Yildiz, die im Münchner NSU-Verfahren die Familie von Enver Şimşek vertrat. Der am 9. September 2000 ermordete Blumenhändler war das erste Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU gewesen.

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NSU Vernehmung in Chemnitz: Zschäpe als Zeugin im Untersuchungsausschuss

Bereits in dem Prozess vor dem Oberlandesgericht München hatten Basay-Yildiz und andere Nebenklagevertreter kritisiert, dass Ermittler und Gericht Spuren zum Unterstützernetz des NSU-Trios und möglichen Mittätern nicht nachgegangen seien. Schon lange forderte sie, die Akten des Verfassungsschutzes dazu zu öffnen.

Das "ZDF Magazin Royale" hatte die hessischen NSU-Akten veröffentlicht

Die Plattform "Frag den Staat" und das "ZDF Magazin Royale" von Jan Böhmermann (41) haben die hessischen NSU-Akten veröffentlicht.

Bei dem seit Freitag abrufbaren Dokument handelt es sich laut Deckblatt um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen im Jahr 2012. Der Bericht ist auf den 20. November 2014 datiert.

Die sogenannten NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes sind Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU untersucht hatte.

Die Plattform "Frag den Staat" und das "ZDF Magazin Royale" von Jan Böhmermann (41) haben die hessischen NSU-Akten veröffentlicht.
Die Plattform "Frag den Staat" und das "ZDF Magazin Royale" von Jan Böhmermann (41) haben die hessischen NSU-Akten veröffentlicht.  © dpa/Christoph Gateau

Verfassungsschutz hat Strafanzeige gestellt

Um sie gibt es seit Jahren Streit. Die Akten waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Mehr als 130.000 Menschen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert.

Mittlerweile hat das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen Strafanzeige wegen der unrechtmäßigen Weitergabe von als Verschlusssachen eingestuften Dokumenten gegen Unbekannt gestellt.

Titelfoto: dpa/Boris Rössler

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