Tarifrunde im öffentlichen Dienst gescheitert: So geht es jetzt weiter!

Potsdam - Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind gescheitert – jetzt sind unabhängige Schlichter am Zug.

Für die Zeit der Schlichtung herrscht ab sofort eine Friedenspflicht. Das heißt, es soll vorerst höchstens kleinere regionale Warnstreiks geben.
Für die Zeit der Schlichtung herrscht ab sofort eine Friedenspflicht. Das heißt, es soll vorerst höchstens kleinere regionale Warnstreiks geben.  © Christian Charisius/dpa

Ab diesem Sonntag herrscht nach Angaben von Verdi für die Zeit der Schlichtung Friedenspflicht. Bis dahin seien allenfalls noch kleinere regionale Warnstreiks geplant.

Nun wird mit Spannung erwartet, ob die Schlichter den aufgeheizten Tarifstreit lösen können – oder ob auch die Schlichtung scheitert und in einigen Wochen neue Streiks bevorstehen.

Nach zähem Ringen über drei Tage hinweg erklärten Verdi und der Beamtenbund dbb die Verhandlungen in der Nacht zu Donnerstag in Potsdam für gescheitert.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) kündigte für die Arbeitgeber daraufhin an: "Wir werden jetzt die Schlichtung einberufen."

Die Schlichtung folgt einem festgelegten Verfahren mit Fristen. Eine Schlichtungskommission hat bis Mitte April Zeit, einen Einigungsvorschlag für das Einkommen der 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen vorzulegen.

Die Vorsitzenden der Schlichtungskommission sind der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (78) für die Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (72) für die Gewerkschaften, wobei Lühr die entscheidende Stimme hat.

Sie sollen schlichten: der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (78, l.) und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (72, Archivbild).
Sie sollen schlichten: der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (78, l.) und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (72, Archivbild).  © Bildmontage: Robert Michael/dpa & Carmen Jaspersen/dpa

Verdi-Chef: "Unterschiede waren nicht überbrückbar"

Verdi-Chef Frank Werneke (55) verkündete am Donnerstag das Scheitern der Verhandlungen.
Verdi-Chef Frank Werneke (55) verkündete am Donnerstag das Scheitern der Verhandlungen.  © Jonathan Penschek/dpa

In drei Verhandlungsrunden ab Januar war Gewerkschaften und Arbeitgebern keine ausreichende Annäherung gelungen.

Verdi-Chef Frank Werneke (55) sagte: "Am Ende mussten wir feststellen, dass die Unterschiede nicht überbrückbar waren."

Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach (61), spielte auf die großen Teuerungsraten und die hohen Energiepreise in Deutschland an. Auftrag der Beschäftigten an die Gewerkschaften sei es gewesen, "dass sie nicht nur einen Inflationsausgleich erhalten, sondern eine Reallohnerhöhung".

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Die Gewerkschaftsgremien hätten einstimmig für das Scheitern votiert, erklärten Werneke und Silberbach.

Karin Welge: "Enttäuschung steht uns ins Gesicht geschrieben"

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) zeigt sich enttäuscht.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) zeigt sich enttäuscht.  © Bernd von Jutrczenka/dpa

Ministerin Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (61, beide SPD), zeigten sich enttäuscht.

"Ich bedauere sehr, dass die Gewerkschaften jetzt die Verhandlungen abgebrochen haben", sagte Faeser. "Wir hätten uns anderes gewünscht, und ich glaube, dass gerade in diesen Krisenzeiten es gut gewesen wäre, am Verhandlungstisch noch zu bleiben."

Die Arbeitgeber seien "bis an die Grenze des Verantwortbaren für die öffentlichen Haushalte" auf die Gewerkschaften zugegangen.

Welge sagte: "Die Brücke, die wir geschlagen haben, ist keine, die man nicht hätte begehen können. Insoweit steht uns die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben."

Verdi fordert 10,5 Prozent mehr Einkommen

Demonstranten der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stehen mit Plakaten vor dem Hauptbahnhof in Bremen.
Demonstranten der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stehen mit Plakaten vor dem Hauptbahnhof in Bremen.  © Sina Schuldt/dpa

Die Arbeitgeber boten laut Faeser acht Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro an – dazu eine steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro mit einer Auszahlung von 1750 Euro bereits im Mai.

Verdi und dbb hatten 10,5 Prozent mehr Einkommen gefordert, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Der Mindestbetrag, der vor allem Bezieherinnen und Beziehern unterer Einkommen zugutekäme, war für sie zentral.

Noch im Februar hatten die Arbeitgeber erst fünf Prozent mehr Lohn und Einmalzahlungen von 1500 und dann noch einmal 1000 Euro angeboten – aber keinen Mindestbetrag.

Die nun angebotenen mindestens 300 Euro mehr hätten in unteren Einkommensgruppen bis zu 15 Prozent mehr ausgemacht, hieß es aus Arbeitgeberkreisen.

Verdi-Chef: "Unterstützung ist ungebrochen!"

Verdi hatte in den vergangenen Wochen den öffentlichen Verkehr teils lahmgelegt.
Verdi hatte in den vergangenen Wochen den öffentlichen Verkehr teils lahmgelegt.  © Bodo Marks/dpa

Wie es nach der Schlichtung weitergeht, ist offen. Spätestens am 18. April müssen nach einer Aufstellung der Gewerkschaften, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, die Verhandlungen der Tarifparteien wieder aufgenommen werden.

Der Tarifstreit kann dann endgültig gelöst werden – aber es können auch reguläre Streiks folgen. Streiks nach gescheiterter Schlichtung gab es bereits Anfang der 90er Jahre im öffentlichen Dienst.

Verdi hatte sich in den vergangenen Wochen als mobilisierungsfähig erwiesen – und den öffentlichen Verkehr, Kitas, Kliniken und viele andere Bereiche teils lahmgelegt.

"Wir hatten bis zum Ende der vergangenen Woche eine halbe Million Teilnehmerinnen und Teilnehmer", sagte Werneke. Das zeige, mit welcher Unterstützung Verdi unterwegs gewesen sei.

"Und diese Unterstützung ist ungebrochen", sagte Werneke. In den vergangenen drei Monaten verzeichnete die Gewerkschaft über 70.000 Eintritte.

Es geht um das Einkommen von mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten

Auch Kliniken sind von den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst betroffen.
Auch Kliniken sind von den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst betroffen.  © Sven Hoppe/dpa

Betroffen von den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind Angehörige etlicher Berufe – unter anderem Erzieher, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Krankenpfleger, Verwaltungsangestellte, Altenpfleger, Klärwerksmitarbeiter, Förster und Ärzte.

Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes.

Auf die Beamtinnen und Beamten soll das Ergebnis nach dem Willen der Gewerkschaften übertragen werden.

Titelfoto: Christian Charisius/dpa

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