Ukraine-Krieg, Tag 69: Klitschkos Kritik am Offenen Brief - "Blinder Pazifismus gefährlich"

Kiew (Ukraine) - Seit nunmehr 69 Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Deutschland hat sich schwergetan mit dem ukrainischen Wunsch nach militärischer Hilfe. Ganz ausgeräumt sind die Verstimmungen noch nicht. Alle aktuellen Entwicklungen im TAG24-Liveticker!

Frauen gehen an einem zerstörten Wohnhaus in der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol vorbei.
Frauen gehen an einem zerstörten Wohnhaus in der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol vorbei.  © Alexei Alexandrov/AP/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) will die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland weiter militärisch und wirtschaftlich unterstützen, einen Besuch in Kiew lehnt er momentan aber ab.

Das Ziel seiner Politik sei: "Russland darf nicht gewinnen und die Ukraine darf nicht verlieren", sagte der SPD-Politiker am Montagabend in der ZDF-Sendung "Was nun?".

Dass die Regierung in Kiew aber Mitte April Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (66) ausgeladen habe, sei inakzeptabel gewesen.

Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist
Ukraine Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist

Ein anderer Unterstützer der Ukraine, der britische Premierminister Boris Johnson (57), will am Dienstag per Video zum ukrainischen Parlament in Kiew sprechen. Dabei dürfte er laut vorab verbreitetem Redemanuskript weitere Militärhilfe im Wert von 300 Millionen Pfund (357 Millionen Euro) zusagen.

Großbritannien will auch Spezialfahrzeuge für den sicheren Transport von Zivilisten schicken. Johnson hatte vor einigen Wochen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) in Kiew getroffen.

Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker vom Montag nachlesen. Alle Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Dienstag, dem 3. Mai, gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.

22.09 Uhr: Politische Verstimmung zwischen Ukraine und Deutschland, Habeck rechnet mit Lösung

Vizekanzler Robert Habeck (52, Grüne) geht davon aus, dass in absehbarer Zeit auch ein Mitglieder der Bundesregierung in die Ukraine reisen wird.

"Dass wir als Regierung noch nicht da sind, das hat ja der Bundeskanzler ausgeführt, liegt im Kern auch daran, dass der Bundespräsident ausgeladen wurde", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag am Rande der Kabinettsklausur in Meseberg bei Berlin. "Da wird es aber auch eine Lösung geben. Wir reden ja dauernd miteinander." Am Dienstag war der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in Kiew gewesen. Er wurde dort auch von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen.

Vizekanzler Robert Habeck (52, Grüne)n rechnet damit, dass in Bälde auch Mitglieder der Bundesregierung in die Ukraine reisen werden.
Vizekanzler Robert Habeck (52, Grüne)n rechnet damit, dass in Bälde auch Mitglieder der Bundesregierung in die Ukraine reisen werden.  © Kay Nietfeld/dpa

19.39 Uhr: Wladimir Klitschko kritisiert den Offenen Brief deutscher Intellektueller

Der frühere Profiboxer Wladimir Klitschko (46) geht mit einem von deutschen Intellektuellen verfassten Offenen Brief gegen Waffenlieferungen an die Ukraine hart ins Gericht.

"Blinder Pazifismus ist genauso gefährlich wie glückselige Kriegstreiberei", schrieb der Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Das absolut Gute ist nicht der Frieden, sondern die Freiheit und die Gerechtigkeit. Und um sie zu verteidigen, muss man kämpfen."

Die Feministin Alice Schwarzer und andere Prominente wie der Schriftsteller Martin Walser hatten in dem am Freitag veröffentlichten Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) appelliert, weder direkt noch indirekt schwere Waffen an die Ukraine zu liefern, um dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf die Nato-Staaten zu geben. Sie forderten Anstrengungen für einen raschen Waffenstillstand und einen "Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können". Der Brief fand digital Zehntausende Unterstützer, traf aber auch auf heftige Kritik.

Klitschko schrieb in dem am Dienstag online veröffentlichten Beitrag: "Unseren Widerstand als Kriegstreiberei zu beschreiben und als eine Provokation Putins darzustellen, ist völliger Unsinn."

18.33 Uhr: Gemeinsame Grenze mit Ukraine - Steinmeier reist zu Bündnispartner Rumänien

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist am Mittwoch für einen Tag nach Rumänien.

Er will sich in der Hauptstadt Bukarest mit Staatspräsident Klaus Iohannis (11.00 Uhr) treffen. Im Mittelpunkt der Gespräche wird nach Angaben des Bundespräsidialamts der russische Angriffskrieg in der Ukraine stehen. Steinmeier wolle Rumänien versichern, dass Deutschland ein treuer Bündnispartner sei. Das Land hat im Norden eine gemeinsame Grenze mit der Ukraine.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (64) wird für einen Tag nach Rumänien reisen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (64) wird für einen Tag nach Rumänien reisen.  © Britta Pedersen/dpa

18.01 Uhr: Zusammentreffen von Friedrich Merz und Wolodymyr Selenskyj in Kiew

Bei seinem Besuch in Kiew hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz (66) am Dienstag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) getroffen.

Beide hätten gut eine Stunde lang miteinander geredet, teilte ein Merz-Sprecher auf Twitter mit. Mehr zum Treffen der beiden Politiker lest Ihr im separaten Artikel zum Merz-Coup in Kiew.

Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz (66) links im Gespräch mit Ruslan Stefantschuk (46), Präsident des ukrainischen Parlament.
Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz (66) links im Gespräch mit Ruslan Stefantschuk (46), Präsident des ukrainischen Parlament.  © Efrem Lukatsky/AP/dpa

17.31 Uhr Weniger Zustimmung für Waffenlieferungen an die Ukraine

Die Zustimmung der Bürger zu Waffenlieferungen an die Ukraine ist laut einer Umfrage gesunken.

Im neuen RTL/ntv-Trendbarometer sprachen sich 46 Prozent der Befragten für eine Lieferung von Offensivwaffen und schwerem Gerät durch Deutschland aus.

Anfang April waren es noch 55 Prozent, wie aus den Dienstag veröffentlichten Daten des Meinungsforschungsinstituts Forsa hervorgeht. Demgegenüber ist der Anteil der Bundesbürger, die sich generell gegen eine solche Lieferung aussprechen, gestiegen: von 33 auf 44 Prozent.

Mehrheitlich abgelehnt werden Waffenlieferungen der Studie zufolge von den Ostdeutschen (57 Prozent), den Anhängern der Linkspartei (56 Prozent) und vor allem der AfD (88 Prozent). Die Anhänger der FDP (49 Prozent dafür; 48 Prozent dagegen) sind in dieser Frage ähnlich gespalten wie die Bundesbürger insgesamt. Am häufigsten befürwortet wird eine solche Lieferung von den Anhängern der Grünen (66 Prozent) und der Unionsparteien (62 Prozent).

Die Mehrheit der befragten Bundesbürger - nämlich 70 Prozent - meinen, dass der Krieg in der Ukraine nur durch Verhandlungen und eine diplomatische Lösung beendet werden könne. 24 Prozent glauben an einen militärischen Sieg.

Soll Deutschland schwere Waffen an die Ukraine liefern? Eine Mehrheit der Bundesbürger hofft, das Kriegsgeschehen durch eine diplomatische Lösung statt durch Panzer beenden zu können.
Soll Deutschland schwere Waffen an die Ukraine liefern? Eine Mehrheit der Bundesbürger hofft, das Kriegsgeschehen durch eine diplomatische Lösung statt durch Panzer beenden zu können.  © Sven Hoppe/dpa

16.33 Uhr: Macron spricht mit Putin über Mariupol

Erstmals seit Ende März hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron (44) mit Russlands Präsident Wladimir Putin (69) zum Krieg in der Ukraine telefoniert. Das Gespräch am Dienstag habe mehr als zwei Stunden gedauert, hieß es aus dem Élyséepalast. Weitere Details nannte Paris zunächst nicht. Der Kreml teilte mit, Putin habe Macron über die "Befreiung" der ukrainischen Hafenstadt Mariupol durch russische Truppen informiert sowie über die erfolgreiche Evakuierung von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron (44) hat sich telefonisch mit Russlands Präsident Wladimir Putin (69) verständigt.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron (44) hat sich telefonisch mit Russlands Präsident Wladimir Putin (69) verständigt.  © Francois Mori/POOL AP/dpa

15.12 Uhr: Boris Johnson sichert der Ukraine nachhaltige Unterstützung zu

Der britische Premierminister Boris Johnson (57) hat der Ukraine die nachhaltige Unterstützung seines Landes zugesichert und den russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) scharf kritisiert.

"Es geht um ukrainische Demokratie gegen Putins Tyrannei", sagte Johnson am Dienstag in einer Videoansprache an das ukrainische Parlament. "Es geht um Freiheit gegen Unterdrückung. (...) Es geht um Gut gegen Böse. Und deshalb muss die Ukraine gewinnen." Johnson lobte den Mut und Einsatz der ukrainischen Truppen als "eines der glorreichsten Kapitel in der Militärgeschichte und im Leben Ihres Landes".

Putin habe mit dem Angriff einen schweren Fehler gemacht, sagte Johnson. "Dies ist die Sternstunde der Ukraine, ein episches Kapitel in Ihrer nationalen Geschichte, das über Generationen hinweg erinnert werden wird", sagte er und zitierte dabei die berühmte Durchhalterede ("This Was Their Finest Hour") des früheren Premierministers Winston Churchill aus dem Zweiten Weltkrieg. "Die Ukraine wird gewinnen, die Ukraine wird frei sein."

Johnson räumte Fehler ein. "Die Wahrheit ist, dass wir zu langsam waren, um zu begreifen, was wirklich passiert, und wir haben gemeinsam dabei versagt, damals die Sanktionen gegen Wladimir Putin zu verhängen, die wir hätten verhängen müssen. Wir dürfen nicht denselben Fehler wiederholen." Johnson kündigte an, dass die britische Botschaft in Kiew wiedereröffnet werde.

Zugleich werde Großbritannien weiterhin Waffen liefern, sagte Johnson.

Boris Johnson (57) lobte die ukrainischen Truppen für ihren Mut und Einsatz und versprach Waffenlieferungen.
Boris Johnson (57) lobte die ukrainischen Truppen für ihren Mut und Einsatz und versprach Waffenlieferungen.  © Downing Street/PA Media/dpa

14.31 Uhr: Im Schlafwagen nach Kiew: Friedrich Merz in Ukraine angekommen

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) mit einer Reise nach Kiew zögert, ist der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz (66) in die Ukraine gereist.

Nach dpa-Informationen kam er am Dienstag in der Hauptstadt an. "Eine Nacht im Schlafwagen auf dem Weg nach Kyiw", hatte der 66-Jährige zuvor beim Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben und dazu ein 17-Sekunden-Video verbreitet.

Er will dort unter anderem den ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal (46) und den Bürgermeister Vitali Klitschko (50) treffen, auch Gespräche mit Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk (46) und Oppositionspolitikern sind geplant.

14.11 Uhr: Sturm auf Stahlwerk in Mariupol hat begonnen

In der heftig umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol haben russische Truppen Medienberichten zufolge mit der Erstürmung des belagerten Stahlwerks Azovstal begonnen.

"Die ganze Nacht haben sie uns aus der Luft bombardiert (...) und jetzt wird Azovstal gestürmt", zitierte etwa die Zeitung Ukrajinska Prawda am Dienstag den Vizekommandeur des ukrainischen Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar. Bei den jüngsten russischen Angriffen seien auch zwei Zivilisten getötet worden, sagte Palamar demnach.

Von russischer Seite gab es zunächst keine offizielle Bestätigung. Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete jedoch unter Berufung auf einen Sprecher des Verteidigungsministeriums, auf dem Werksgelände verschanzte Asow-Kämpfer hätten eine Feuerpause genutzt, um an ihre Schießpositionen zurückzukehren. Diese würden nun mit Artillerie und aus der Luft attackiert.

Dieses Bild aus einem undatierten Video, das 1. Mai 2022 von der ukrainischen Nationalgarde zur Verfügung gestellt wurde, zeigt Menschen, die über die Trümmer des Stahlwerks Azovstal in Mariupol klettern.
Dieses Bild aus einem undatierten Video, das 1. Mai 2022 von der ukrainischen Nationalgarde zur Verfügung gestellt wurde, zeigt Menschen, die über die Trümmer des Stahlwerks Azovstal in Mariupol klettern.  © Uncredited/Azov Special Forces Regiment/dpa

12.40 Uhr: Johnson räumt Schwächen bei Aufnahme von Ukraine-Flüchtlingen ein

Der britische Premierminister Boris Johnson hat Schwächen bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine eingeräumt.

"Hätten wir schneller handeln können? Ja, vermutlich hätten wir das", antwortete Johnson am Dienstag in einem Interview des Senders ITV auf die Frage nach Großbritanniens Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine. Bislang habe sein Land 86.000 Visa ausgestellt und 27.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen.

Laut Boris Johnson (57) hätte Großbritannien bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine schneller handeln können.
Laut Boris Johnson (57) hätte Großbritannien bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine schneller handeln können.  © Uk Parliament/Jessica Taylor/PA Media/dpa

12.39 Uhr: Zahl ukrainischer Flüchtlinge an Schulen deutlich gestiegen

Die Zahl der aus der Ukraine geflüchteten Kinder und Jugendlichen, die an Schulen in Deutschland aufgenommen wurden, ist deutlich auf fast 92.000 gestiegen.

Das zeigen aktuelle Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK), die am Dienstag veröffentlicht wurden. Eine Woche zuvor hatte die Zahl der angemeldeten Schülerinnen und Schüler noch bei rund 65.000 gelegen.

Titelfoto: Kay Nietfeld/dpa

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