Ukraine-Krieg: Putin dreht den Gashahn zu!

Ukraine - Seit inzwischen mehr als vier Monaten führt Russland seinen erbitterten Krieg gegen die Ukraine. Alle aktuellen Entwicklungen gibt es im TAG24-Liveticker.

Andrij Melnyk (46) ist nicht länger der Botschafter der Ukraine in Deutschland.
Andrij Melnyk (46) ist nicht länger der Botschafter der Ukraine in Deutschland.  © Kay Nietfeld/dpa

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk (46) muss seinen Posten in Deutschland räumen.

Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) hat den Diplomaten am Samstag abberufen, ebenso die ukrainischen Botschafter in Norwegen, Tschechien, Ungarn und Indien.

In einer Videobotschaft sprach Selenskyj am Abend von einem normalen Vorgang. "Diese Frage der Rotation ist ein üblicher Teil der diplomatischen Praxis", sagte er.

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Ukraine Brisanter Bericht: Wann Macron Truppen in die Ukraine schicken will

Ob Melnyk nach seiner Abberufung für ein anderes hochrangiges Amt in Kiew oder anderswo vorgesehen ist, blieb zunächst offen.

Die US-Regierung sagte Kiew unterdessen weitere humanitäre Unterstützung zu.

US-Außenminister Antony Blinken (60) kündigte am Samstag nach dem G20-Außenministertreffen in Bali an, "dass die Vereinigten Staaten fast 368 Millionen Dollar (361 Millionen Euro) an zusätzlicher humanitärer Hilfe bereitstellen werden, um die vom brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine Betroffenen zu unterstützen".

Alle aktuellen Entwicklungen folgen an dieser Stelle im Liveticker.

10. Juli, 22.20 Uhr: Angriff auf Wohnhaus: Selenskyj droht "russischen Mördern" mit Strafe

Nach einem verheerenden Raketenangriff mit vielen Toten im Gebiet Donezk hat Selenskyj, russischen Soldaten mit Konsequenzen gedroht.

"Die Bestrafung ist für jeden russischen Mörder unvermeidlich", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht zum Montag. Der Angriff auf den Ort Tschassiw Jar habe einmal mehr gezeigt, dass Russlands Truppen vorsätzlich auch in Wohngebieten töteten.

"Nach solchen Angriffen werden sie nicht sagen können, dass sie etwas nicht gewusst oder nicht verstanden haben", sagte der ukrainische Staatschef. Gemeinsam mit internationalen Beobachtern sammele die Ukraine seit Kriegsbeginn Beweise, um die Verbrechen der Russen aufzuklären, betonte er.

In Tschassiw Jar wurden nach einem Raketenbeschuss am Samstagabend bislang 15 Menschen tot aus den Trümmern eines fünfgeschossigen Hauses gezogen. Sechs weitere Menschen konnten die Retter lebend bergen. Noch immer aber werden 23 Menschen vermisst, hieß es von ukrainischer Seite - darunter ein Kind.

10. Juli, 22.14 Uhr: Ukraine ruft Zivilisten in besetzten Gebieten im Süden zur Flucht auf

Die ukrainische Führung hat Zivilisten im besetzten Süden des Landes wegen geplanter Armee-Offensiven zur Flucht aufgerufen.

Einwohner der Gebiete Cherson und Saporischschja sollten dringend ihre Häuser verlassen - notfalls auch in Richtung der bereits seit 2014 von Russland annektieren Schwarzmeer-Halbinsel Krim, sagte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk am Sonntagabend. Das sei notwendig, damit die Menschen im Zuge bevorstehender Rückeroberungsversuche nicht gefährdet würden.

Verteidigungsminister Olexij Resnikow sagte in einem Interview der britischen Zeitung "The Sunday Times", Selenskyj habe dem Militär befohlen, mit Hilfe westlicher Waffen besetztes Gebiet im Süden zurückzugewinnen. Insbesondere die Küstengebiete seien für die ukrainische Wirtschaft von großer Bedeutung.

Selenskyj hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach betont, dass sein Land sich von Russland kontrollierte Regionen zurückholen wolle.

Aus Mariupol und nahe gelegenen Städten geflüchtete Menschen kamen Anfang April in Saporischschja an. Nun müssen die Menschen auch von dort flüchten.
Aus Mariupol und nahe gelegenen Städten geflüchtete Menschen kamen Anfang April in Saporischschja an. Nun müssen die Menschen auch von dort flüchten.  © Felipe Dana/AP/dpa

10. Juli, 21.52 Uhr: Abberufener Botschafter Melnyk: Abschied aus Deutschland fällt schwer

Der Abschied aus Deutschland fällt dem abberufenen ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk nach eigenem Bekunden nicht leicht.

"Deutschland bleibt in unseren Herzen", sagte Melnyk der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am Sonntag, "der Abschied fällt uns schwer". "Ich war zweimal in Deutschland auf Posten, ich habe eine sehr enge Beziehung zu diesem Land, die streckenweise auch eine Art Hassliebe war."

Seine Amtszeit werde formell "vermutlich in wenigen Wochen zu Ende gehen", zitierte die Zeitung ihn. Dann würden er und seine Familie in die Ukraine ausreisen. In seiner Zeit als Botschafter, also etwa seit Beginn des von Russland gesteuerten Krieges in der Ostukraine, habe er "andere Jobangebote abgelehnt", um seine Mission in Deutschland weiterführen zu können.

Andrij Melnyk (46) wurde als Botschafter der Ukraine in Deutschland abberufen.
Andrij Melnyk (46) wurde als Botschafter der Ukraine in Deutschland abberufen.  © Michael Kappeler/dpa

10. Juli, 19.29 Uhr: Ukraine kritisiert Kanada

Die Ukraine hat gegen die geplante Lieferung der gewarteten russischen Nord-Stream-1-Turbine von Kanada nach Deutschland protestiert.

Man sei "zutiefst enttäuscht" über die Entscheidung der kanadischen Regierung, in diesem Fall eine Ausnahme von den gegen Russland verhängten Sanktionen zu machen, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung von Außen- und Energieministerium in Kiew. "Wir fordern die kanadische Regierung auf, diese Entscheidung zu überdenken und die Integrität des Sanktionssystems sicherzustellen."

Kanada wiederum hatte argumentiert, ohne die nötige Gasversorgung würde die deutsche Wirtschaft sehr leiden und die Deutschen wären möglicherweise nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnungen zu heizen. Man wolle dafür sorgen, dass Europa "Zugang zu zuverlässiger und erschwinglicher Energie" habe, während es sich langsam von russischem Öl und Gas löse.

10. Juli, 18.06 Uhr: Altkanzler Schröder: Gebe Gesprächsmöglichkeiten mit Putin nicht auf

Altkanzler Gerhard Schröder will seinen Draht zu Russlands Präsident Wladimir Putin trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter aufrechterhalten. "Ich werde meine Gesprächsmöglichkeiten mit Präsident Putin nicht aufgeben", sagte Schröder der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Vor dem Hintergrund der Debatte über Waffenlieferungen an die Ukraine sagte der ehemalige Kanzler: "Warum konzentriert man sich auf die Lieferung von Waffen?" Er glaube nicht an eine militärische Lösung. "Der Krieg ist nur durch diplomatische Verhandlungen zu beenden. Das Schicksal der Soldaten und der ukrainischen Zivilbevölkerung ist nur über eine diplomatische Lösung zu erleichtern."

Schröder ist seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) eng mit Putin befreundet. Rund zwei Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine reiste der Sozialdemokrat im März nach Moskau, um mit dem Kremlchef zu sprechen. "Soweit ich ihn in meinem Gespräch verstanden habe, gibt es bei ihm ein Interesse an einer Verhandlungslösung", sagte Schröder nun. "Wie eine solche Lösung aussieht, kann nur in einer Verhandlung geklärt werden."

Der Altkanzler steht seit Jahren wegen seines Engagements für russische Staatskonzerne in der Kritik. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat der Druck auf ihn immer weiter zugenommen, die SPD-Spitze ging auf Distanz, und es liegen mehrere Anträge auf Parteiausschluss vor.

Schröder hatte im Mai schließlich angekündigt, den Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Rosneft zu verlassen, und eine Nominierung für einen Aufsichtsratsposten bei Gazprom ausgeschlagen.

Gerhard Schröder (78,SPD, l), ehemaliger Bundeskanzler, umarmt den russischen Präsidenten, Wladimir Putin (69).
Gerhard Schröder (78,SPD, l), ehemaliger Bundeskanzler, umarmt den russischen Präsidenten, Wladimir Putin (69).  © Alexei Druzhinin/TASS/dpa

10. Juli, 17.37 Uhr: Putin dreht den Gashahn zu: Ab Montag Wartungsarbeiten an Nord Stream 1

Für voraussichtlich zehn Tage wird die zuletzt wichtigste Erdgasverbindung von Russland nach Deutschland abgeschaltet.

Am Montag um 6 Uhr soll der Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 wegen der jährlichen Wartungsarbeiten eingestellt und laut Betreibergesellschaft am frühen Morgen des 21. Juli wieder geöffnet werden. Die große Sorge in der Bundesregierung und bei der Bundesnetzagentur ist jedoch, dass Russland nach Abschluss der Arbeiten den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Blick auf Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) in Lubmin.
Blick auf Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) in Lubmin.  © Stefan Sauer/dpa

10. Juli, 17.35 Uhr: Linken-Chef für Ausnahmen vom Öl-Embargo für Schwedt

Linken-Chef Martin Schirdewan plädiert dafür, Ausnahmen vom EU-Ölembargo für die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt zu prüfen.

Die Bundesregierung habe sich zwar verpflichtet, das Embargo bis zum Jahresende umzusetzen, sagte Schirdewan im ZDF-Sommerinterview vom Sonntag. "Aber gleichzeitig kann man doch darüber nachdenken, ob es nicht eine Ausnahmeregelung zumindest für die Betroffenen in der Region Schwedt gibt, um die Arbeitsplätze zu sichern."

Die Anlage in Schwedt wird vom russischen Staatskonzern Rosneft mit russischem Öl aus der Pipeline "Druschba" betrieben. Die Bundesregierung sucht andere Wege zur Ölversorgung des Standorts, hat aber noch keinen endgültigen Plan präsentiert.

Schirdewan sagte: "Es braucht einen Garantieplan für die Region, es braucht Jobgarantien für die Leute, die unmittelbar davon betroffen sind. Das ist die Pflicht der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass die negativsten Folgen für die deutsche Gesellschaft verhindert werden."

10. Juli, 17.19 Uhr: Strack-Zimmermann sieht Defizite im Kanzleramt

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist mit dem Kurs der Bundesregierung in Sachen Unterstützung für die Ukraine nach wie vor unzufrieden.

In Fragen zur Ukraine und der Kommunikation dazu "kann es unter keinen Umständen so weitergehen", schrieb die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags am Sonntag auf Twitter. Sie fügte hinzu: "Ich erwarte aus dem Bundeskanzleramt klare Führung und entsprechendes Handeln. Denn nach wie vor gilt hier: Fehlanzeige."

Die FDP-Politikerin schrieb: "Wenn wir uns in Sachen Ukraine weiter so dünne machen, werden wir historisch folgenschwere Probleme zu verantworten haben. Das werden meine Kolleginnen und Kollegen und ich nicht mittragen."

10. Juli, 17.06 Uhr: Linken-Chef betont Unterstützung für die Ukraine

Der neue Linken-Chef, Martin Schirdewan, hat die Unterstützung seiner Partei für die Ukraine betont.

Die Linke befürworte den Status der Ukraine als EU-Beitrittskandidat, sagte Schirdewan im ZDF-Sommerinterview und fügte hinzu: "Wir unterstützen die Ukraine ökonomisch, indem wir Sanktionen befürworten. Wir unterstützen die Ukraine finanziell, indem wir als einzige Partei in Deutschland einen Schuldenschnitt für die Ukraine fordern." Auch für humanitäre Hilfe und für Flüchtlinge setze er sich ein.

Dass die Linke Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt, begründete Schirdewan in dem am Sonntag veröffentlichten Interview so: "Ich bin gar kein radikaler Pazifist an der Stelle. Aber ich sehe so wie 40 Prozent der deutschen Bevölkerung die Gefahr einer massiven Eskalation dieses Krieges, indem immer weitere Waffen geliefert werden. Und ich halte es für eine unverantwortliche Position der Bundesregierung, ausschließlich auf militärische Lösungen zu fokussieren."

10. Juli, 16.38 Uhr: Union verlangt von Habeck Plan für Totalausfall von Nord Stream 1

Die Union hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aufgefordert, Deutschland besser auf eine Gas-Mangellage im Falle eines Totalausfalls der Pipeline Nord Stream 1 vorzubereiten.

"Unternehmen und Bürger erwarten zu Recht einen Plan der Regierung, was konkret im Ernstfall passiert", sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. "Solange dieser Plan fehlt, vergrößern die täglichen Warnungen des Wirtschaftsministers nur die Unsicherheit."

Am Montag wird die Pipeline Nord Stream 1 wegen regulärer Wartungsarbeiten heruntergefahren. Die Bundesregierung rechnet mit rund zehntägigen Arbeiten. Die Bundesnetzagentur und auch das Wirtschaftsministerium äußerten aber zuletzt Zweifel daran, dass Russland danach die Gaslieferungen wieder aufnimmt.

Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, durch die seit 2011 russisches Erdgas nach Deutschland fließt, wird wegen planungsmäßiger Wartungsarbeiten am 11. Juli für etwa zehn Tage abgeschaltet.
Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, durch die seit 2011 russisches Erdgas nach Deutschland fließt, wird wegen planungsmäßiger Wartungsarbeiten am 11. Juli für etwa zehn Tage abgeschaltet.  © Jens Büttner/dpa

10. Juli, 16 Uhr: Internetseite der "Welt" in Russland blockiert

Russlands Behörden haben die Homepage der Tageszeitung "Welt" blockiert.

Auf Gesuch der Generalstaatsanwaltschaft ist die Seite des deutschen Mediums bereits seit Samstag aus dem russischen Internet heraus nicht mehr erreichbar, wie aus einem Register der russischen Medienaufsicht Roskomnadsor hervorgeht. Ein Grund wurde nicht genannt.

Die "Welt" hatte nach Russlands Einmarsch in die Ukraine damit begonnen, unter dem Titel "Krieg in der Ukraine" Nachrichten auch auf Russisch zu veröffentlichen. Zudem beschäftigte das Blatt zwischenzeitlich die russische Journalistin Marina Owsjannikowa, die Mitte März mit einer Protestaktion in Russlands Staatsfernsehen bekannt geworden war. Auf der "Welt"-Homepage wurde eine Meldung über die Blockade in Russland mit dem Schlagwort "Medienzensur" versehen.

Die russischen Behörden gehen seit Kriegsbeginn verstärkt gegen unabhängige Medien vor. Zahlreiche Seiten wurden bereits blockiert. Kritische russische Redaktionen stellten unter dem Druck der Behörden oft ihre Arbeit ein.

Titelfoto: Stefan Sauer/dpa

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