Ukraine-Krieg, Tag 72: Selenskyj lädt Scholz zum 9. Mai nach Kiew ein!

Ukraine - Seit inzwischen 72 Tagen führt Russland einen Krieg gegen die Ukraine. Zurzeit steht vor allem das von Russen belagerte Stahlwerk in Mariupol im Fokus, da sich darin noch viele ukrainische Zivilisten befinden. Zudem planen weitere deutsche Spitzenpolitiker, nach Kiew zu reisen. Alle aktuellen Entwicklungen im TAG24-Liveticker.

Das Stahlwerk Azovstal in Mariupol ist zurzeit schwer umkämpft. Im Inneren befinden sich ukrainische Zivilisten, von außen greifen russische Truppen an.
Das Stahlwerk Azovstal in Mariupol ist zurzeit schwer umkämpft. Im Inneren befinden sich ukrainische Zivilisten, von außen greifen russische Truppen an.  © Uncredited/AP/dpa

In der schwer zerstörten ukrainischen Hafenstadt Mariupol könnten am Freitag weitere Zivilisten aus dem umkämpften Werk Azovstal evakuiert werden. Das teilten sowohl UN-Generalsekretär António Guterres als auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend mit.

In dem Stahlwerk, der letzten Bastion der Verteidiger von Mariupol, warten nach ukrainischen Angaben noch rund 200 Zivilisten auf eine Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen.

Derweil nimmt die Reiselust deutscher Politiker in Richtung Kiew Fahrt auf. Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) kündigte am Donnerstagabend an, dass Außenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) in Kürze die ukrainische Hauptstadt besuchen wird. Am Wochenende wird bereits Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (54, SPD) in der Ukraine erwartet.

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Die Geschehnisse des gestrigen Tages (5. Mai) könnt Ihr im TAG24-Ticker vom Donnerstag nachlesen. Alle neuen Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Freitag, dem 6. Mai, gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.

21.38 Uhr: UN-Sicherheitsrat zeigt sich in Ukraine-Erklärung "zutiefst besorgt"

Der UN-Sicherheitsrat hat sich mehr als zwei Monate nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine erstmals auf eine gemeinsame Stellungnahme geeinigt. Das mächtigste UN-Gremium erklärte am Freitag einstimmig - also auch mit Zustimmung von Aggressor Russland -, man sei "zutiefst besorgt" über den Konflikt in der Ukraine. Gleichzeitig begrüßte der Sicherheitsrat die Vermittlungsbemühungen von UN-Generalsekretär António Guterres (73).

Die Einigung wird zwar als schwächste mögliche Stellungnahme des Gremiums gesehen, aber auch als Hoffnungsschimmer, dass in die blockierte Diplomatie am New Yorker East River etwas Bewegung kommen könnte.

"Nach dem Treffen des UN-Generalsekretärs mit Russlands Präsident Wladimir Putin ist dies ein Signal, dass Russland und der Westen bereit sind, Guterres eine Chance für mehr Shuttle-Diplomatie zu geben", sagte UN-Experte Richard Gowan vom Thinktank Crisis Group.

Russland hatte nach seinem Einmarsch in die Ukraine alle möglichen Aktionen des Rates mit Bezug auf den Krieg mit seiner Vetomacht verhindert. Westliche Diplomaten beschreiben tiefe Gräben im täglichen Umgang mit den Vertretern Moskaus.

Dem Weltsicherheitsrat gehören die fünf ständigen Mitglieder und Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie zehn nichtständige Staaten an.

UN-Generalsekretär António Guterres (73).
UN-Generalsekretär António Guterres (73).  © Efrem Lukatsky/AP/dpa

20.13 Uhr: Bundesfinanzminister Lindner schlägt Ukraine-Besuch vor

Bundesfinanzminister Christian Lindner (43, FDP) hat seinem ukrainischen Amtskollegen nach eigenen Angaben vorgeschlagen, in die Ukraine zu reisen.

Er habe sich mit Finanzminister Sergej Martschenko ausgetauscht und ihm angeboten zu kommen, wenn ein Besuch hilfreich sei, sagte der FDP-Chef im Podcast Scholz Update des "Hamburger Abendblatts" (Funke-Mediengruppe).

"Wir sind jetzt in einer Situation, nachdem die Irritationen zwischen den Präsidenten Deutschlands und der Ukraine geklärt worden sind, dass es Reisen von deutschen Regierungsvertretern in die Ukraine geben wird", sagte Lindner.

"Ich habe gestern noch mit meinem ukrainischen Finanzministerkollegen Sergej Martschenko getextet, und habe gesagt: "Sergej, wenn du es hilfreich findest, komme ich gern."" Dieser sei erfreut gewesen und habe erklärt, Lindners Visite wäre der erste Besuch eines G7-Finanzministers.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (43, FDP).
Bundesfinanzminister Christian Lindner (43, FDP).  © Julian Stratenschulte/dpa

19.54 Uhr: Russische Agenturen: Dutzende Zivilisten aus Mariupol gerettet

Aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind russischen Nachrichtenagenturen zufolge am Freitag mehrere Dutzend Zivilisten gerettet worden.

Bis zum Abend seien zwei Gruppen von Menschen mit Bussen evakuiert worden, meldeten die staatlichen Agenturen Tass und Ria Nowosti übereinstimmend unter Berufung auf ihre Korrespondenten. Bei der Tass war von insgesamt 35 Menschen die Rede, bei Ria Nowosti von 25. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Von ukrainischer und internationaler Seite gab es zunächst keine Bestätigung.

Das russische Militär hat bis einschließlich Samstag eine täglich mehrstündige Waffenruhe angekündigt, um Zivilisten vom Werksgelände in Sicherheit zu bringen. Am Freitag sollte dafür eine von den Vereinten Nationen und dem Internationalen Roten Kreuz begleitete Buskolonne in Mariupol eintreffen.

Ukrainische Kämpfer, die sich ebenfalls in den Bunkeranlagen des Werks verschanzt haben, warfen der russischen Seite früher am Freitag vor, die Waffenruhe erneut gebrochen und ein Evakuierungsfahrzeug beschossen zu haben. Auch das konnte zunächst nicht überprüft werden. Die Vereinten Nationen bestätigten nicht, dass während der Evakuierung Kampfhandlungen stattgefunden hätten.

19.42 Uhr: Berichte über Geheimdienstinformationen für Ukraine laut USA überzogen

Das Weiße Haus wertet Berichte über die Rolle von US-Geheimdienstinformationen im Ukraine-Krieg als überzogen. Sprecherin Jen Psaki bezog sich am Freitag konkret auf Medienberichte, wonach Geheimdienstinformationen der USA dem ukrainischen Militär etwa dabei geholfen hätten, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte "Moskwa" (Moskau) zu versenken.

Dies stelle nicht korrekt dar, was geschehen sei, sagte sie. "Dies ist eine ungenaue Überbewertung unserer Rolle und eine Unterbewertung der Rolle der Ukrainer, die, offen gesagt, über ein größeres Maß an Informationen und Zugang zu Informationen verfügen als wir."

Psaki betonte: "Wir haben der Ukraine keine spezifischen Zielinformationen für die 'Moskwa' zur Verfügung gestellt." Die USA seien weder an der Entscheidung der Ukrainer, das Schiff anzugreifen, noch an der eigentlichen Operation beteiligt gewesen. "Wir hatten keine vorherige Kenntnis von der Absicht der Ukrainer, das Schiff anzugreifen."

Kiew habe eigene nachrichtendienstliche Fähigkeiten, um russische Schiffe ins Visier zu nehmen. "Wir stellen ihnen eine Reihe von Informationen zur Verfügung, die ihnen helfen, die Bedrohung durch russische Schiffe im Schwarzen Meer zu verstehen und sich auf mögliche Angriffe von See aus vorzubereiten", sagte Psaki. Die Ukrainer kombinierten dies aber mit eigenen Informationen.

Sprecherin Jen Psaki.
Sprecherin Jen Psaki.  © Evan Vucci/AP/dpa

19.39 Uhr: Diplomaten: UN-Sicherheitsrat erstmals mit Ukraine-Erklärung

Der UN-Sicherheitsrat hat sich mehr als zwei Monate nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine erstmals auf eine gemeinsame Stellungnahme geeinigt. Das mächtigste UN-Gremium, zu dem Russland als Veto-Macht gehört, soll den Text noch am Freitag um 21.00 Uhr MESZ in New York verabschieden, wie Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur sagten.

Ein vorliegender Entwurf enthält die Formulierung, dass der Rat "zutiefst besorgt" über die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Ukraine ist und die Vermittlungsbemühungen von UN-Generalsekretär António Guterres (73) unterstützt. Auch wird daran erinnert, dass alle Staaten unter der UN-Charta dazu verpflichtet sind, ihre internationalen Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen.

Russland als Aggressor in dem Konflikt hatte in den letzten Wochen alle möglichen Aktionen des Rates mit Bezug auf den Krieg blockiert. Westliche Diplomaten beschreiben tiefe Gräben im Umgang mit den Vertretern Moskaus. Der Minimalkompromiss ist Experten zufolge nun allerdings ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Zusammenarbeit des Gremiums. Dem Weltsicherheitsrat gehören die fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie zehn nichtständige Miglieder an.

19.36 Uhr: Ukraine berichtet über weiteren Gefangenenaustausch mit Russland

Zweieinhalb Monate nach Kriegsbeginn hat es ukrainischen Angaben zufolge einen weiteren Gefangenenaustausch mit Russland gegeben.

Am Freitag seien 41 Ukrainer, unter ihnen elf Frauen, freigekommen, schrieb die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk im Nachrichtendienst Telegram. Es handele sich um 28 Soldaten und 13 Zivilisten. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung. Unklar war zunächst auch, wie viele russische Militärs im Gegenzug aus ukrainischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden sein sollen.

19.35 Uhr: G7-Staaten planen laut Weißem Haus am Sonntag Schalte zu Ukraine-Krieg

US-Präsident Joe Biden (79) will sich am Sonntag in einer Schalte mit den anderen G7-Staaten über das weitere Vorgehen gegen Russland abstimmen.

Das kündigte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Freitag an. Biden hatte am Mittwoch in Aussicht gestellt, in den kommenden Tagen mit den G7-Partnern über weitere mögliche Sanktionen gegen Moskau zu sprechen.

18.40 Uhr: Ostukrainische Separatisten ernennen Botschafter in Russland

Rund zweieinhalb Monate nach ihrer Anerkennung durch Russland haben die selbst ernannten ostukrainischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk Botschafter nach Moskau entsandt.

Die prorussischen Separatisten aus Donezk teilten am Freitag mit, dass ihre Interessen in Moskau künftig durch die Politikerin Olga Makejewa vertreten werden sollen. Luhansk schickt den ehemaligen Journalisten Rodion Miroschnik, der vor Jahren für den damaligen russlandnahen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch arbeitete.

Bis die beiden Botschaften in Moskau tatsächlich geöffnet werden, dürfte es allerdings noch eine Weile dauern. Für die Luhansker Vertretung etwa sei zwar schon ein passendes Gebäude gefunden worden, sagte Miroschnik im russischen Fernsehen. Doch es werde noch einige Wochen dauern, bis es "in Ordnung" gebracht worden sei.

Russland hatte Donezk und Luhansk am 21. Februar unter heftigem internationalem Protest als unabhängige Staaten anerkannt. Drei Tage später ordnete Kremlchef Wladimir Putin (69) den Angriff auf die Ukraine an. Als ein Ziel des Krieges, in dem bereits auch Tausende Zivilisten starben, nennt Putin immer wieder die angebliche "Befreiung" der Ostukraine von ukrainischen "Nationalisten". Internationale Beobachter halten das für einen Vorwand.

Kremlchef Wladimir Putin (69).
Kremlchef Wladimir Putin (69).  © Mikhail Klimentyev/POOL SPUTNIK KREMLIN/AP/dpa

18.27 Uhr: Kremlpartei-Politiker in Südukraine: "Russland ist für immer hier!"

Ein Abgeordneter der Kremlpartei Geeintes Russland hat Moskaus dauerhaften Anspruch auf das besetzte südukrainische Gebiet Cherson geäußert.

"Russland ist für immer hier!", sagte der Duma-Abgeordnete Andrej Turtschak am Freitag bei einem Besuch in der gleichnamigen Stadt Cherson. Das müsse den mehr als 200.000 Einwohnern klar gemacht werden.

Turtschak ist als Sekretär des Generalrats auch eine der Führungsfiguren von Geeintes Russland. Der 46-Jährige war zusammen mit dem Chef der Donezker Separatisten, Denis Puschilin, nach Cherson gereist.

Russland hat vor rund zweieinhalb Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen und Anfang März Cherson erobert. In Moskau mehren sich die Stimmen, das Gebiet Cherson der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim anzugliedern. In der Stadt am Fluss Dnipro protestierten die Einwohner immer wieder gegen die russische Besatzungsmacht.

18.19 Uhr: Scholz verteidigt Ukraine-Kurs der Bundesregierung unter Pfiffen

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) hat die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine auf einer Wahlkampfveranstaltung der SPD in Kiel unter lautstarkem Protest von Störern verteidigt.

Nach dem Krieg habe es die Verständigung gegeben, Grenzen in Europa nicht mehr gewaltsam zu verschieben, sagte Scholz am Freitag - zwei Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein - in Kiel. "Das ist was, das Putin in Frage gestellt hat, und das werden wir nicht hinnehmen." Deutschland dürfe die Ukraine nicht alleine lassen, ohne Waffen könne sich das Land nicht gegen den Aggressor verteidigen.

Nach Polizeiangaben hatten sich mehr als 1200 Menschen auf dem Rathausplatz zu der Wahlkampfkundgebung der SPD versammelt, darunter etwa 50 Störer und Gegendemonstranten. Sie störten die Kundgebung mit Pfiffen und Sirenen lautstark. "Scholz an die Front", stand auf einem Plakat, "Frieden schaffen ohne Waffen" auf einem anderen.

Titelfoto: Bernd von Jutrczenka/dpa

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