Ukraine-Krieg, Tag 16: Stadtrat meldet mehr als 1500 getötete Zivilisten in Mariupol

Ukraine - Die russischen Truppen versuchen im Zuge ihres Angriffskrieges in der Ukraine, wichtige Städte einzukreisen. Die ukrainische Armee kann nach eigenen Angaben den Vormarsch allerdings zumindest bremsen. Die Lage der Einwohner bleibt derweil weiter schwierig, vor allem in der blockierten Hafenstadt Mariupol leiden die Menschen.

Laut Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) sind in den vergangenen zwei Tagen fast 100.000 Menschen aus den umkämpften Gebieten evakuiert worden.
Laut Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) sind in den vergangenen zwei Tagen fast 100.000 Menschen aus den umkämpften Gebieten evakuiert worden.  © Uncredited/Pressebüro des ukrainischen Präsidenten via AP/dpa

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben Angriffe russischer Einheiten an mehreren Orten innerhalb des Landes erfolgreich zurückgehalten.

Im Norden der Ukraine seien russische Truppen dabei gestoppt worden, in die Stadt Tschernihiw vorzudringen, hieß es in einem in der Nacht zum Freitag auf Facebook veröffentlichten Bericht des ukrainischen Generalstabs zur aktuellen Lage.

Bei Charkiw im Osten des Landes setzte Russland indes seine Versuche fort, die Stadt von Norden her zu blockieren - diese seien aber weiter erfolglos. Die Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.

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Die aktuellsten Entwicklungen vom Freitag zum Geschehen in der Ukraine liest Du hier.

21.38 Uhr: YouTube unterbindet Leugnung der russischen Invasion

YouTube sperrt von sofort an Inhalte, in denen der Angriff Russlands auf die Ukraine geleugnet wird.

"Unser Gemeinschaftrichtlinien verbieten Inhalte, die gut dokumentierte gewalttätige Ereignisse leugnen, verharmlosen oder trivialisieren", sagte ein YouTube-Sprecher am Freitagabend der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb entferne man Inhalte über die russische Invasion in der Ukraine, die gegen diese Richtlinien verstoßen. "Im Einklang damit sperren wir ab sofort auch YouTube-Kanäle, die mit russischen staatlich finanzierten Medien in Verbindung stehen - und zwar weltweit."

In den staatlichen russischen Medien wird die Invasion in der Regel als friedenserhaltende oder befreiende "Spezial-Operation" bezeichnet. Außerdem wird immer wieder behauptet, dass Kriegsopfer in Wahrheit selbst Akteure in der Krise seien. Diese Propaganda werde nun von YouTube verbannt, teilte das Unternehmen mit.

YouTube wird von Menschen in Russland intensiv genutzt, während Facebook dort nur eine untergeordnete Rolle spielt.

YouTube sperrt Inhalte auf der Plattform, in welchen der Angriff Russlands auf die Ukraine geleugnet wird.
YouTube sperrt Inhalte auf der Plattform, in welchen der Angriff Russlands auf die Ukraine geleugnet wird.  © Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

21.31 Uhr: Evakuierungen in Ukraine laufen nur schleppend

Die Evakuierung von Zivilisten aus umkämpften und belagerten Städten der Ukraine läuft weiter nur schleppend.

Nach Angaben der ukrainischen Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk (42) wurden am Freitag rund 3800 Menschen in Sicherheit gebracht, während Hunderttausende Menschen weiterhin in von russischen Truppen eingekesselten Städten wie Mariupol festsitzen. Aus den nordwestlich von Kiew gelegenen Vororten Butscha, Hostomel, Worsel und dem Dorf Kosarowytschi nördlich der Hauptstadt hätten Einwohner über humanitäre Korridoren fliehen können, sagte Wereschtschuk.

Keine Evakuierungen seien in Isjum, Mariupol und Wolnowacha zustande gekommen. Auch die russische Seite berichtete von erneuten Schwierigkeiten bei der Evakuierung von Zivilisten.

21.20 Uhr: Bürgermeister von Melitopol entführt?

In der von russischen Truppen besetzten Stadt Melitopol in der Südukraine soll nach ukrainischen Angaben der Bürgermeister Iwan Fedorow entführt worden sein.

In einem Videofragment war zu sehen, wie Vermummte einen Mann aus einem zentralen Gebäude mitnehmen. Dies wurde am Freitag vom Vizechef des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, im Nachrichtenkanal Telegram veröffentlicht. Tymoschenko schrieb dazu, der Bürgermeister sei entführt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Behörden der ostukrainischen Separatisten hatten dem 33-Jährigen kurz zuvor die Finanzierung einer ukrainischen nationalistischen Organisation vorgeworfen. Mit dem Geld seien "terroristische Verbrechen gegen friedliche Bewohner des Donbass" gefördert worden. Am Vortrag waren nach pro-ukrainischen Demonstrationen "Freiwillige" aus den Separatistengebieten in der Ostukraine als neue Polizeikräfte in der Stadt vorgestellt worden.

20.40 Uhr: 82 weitere Militäranlagen in Ukraine laut russischer Armee zerstört

Russland hat bei Angriffen auf die Ukraine am Freitag nach eigenen Angaben 82 Militäranlagen zerstört.

Darunter seien vier Kommando- und Kontrollzentren der ukrainischen Armee, sagte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Zudem seien drei Flugabwehrsysteme getroffen worden.

Außer Betrieb gesetzt worden seien auch drei Depots für Munition und Treibstoff. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Seit Kriegsbeginn sollen dem Sprecher zufolge insgesamt 3346 ukrainische Militärobjekte zerstört worden sein.

20.20 Uhr: Zahl getöteter Zivilisten laut Stadtrat von Mariupol auf 1582 gestiegen

In der belagerten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol ist die Zahl der getöteten Zivilisten ukrainischen Angaben zufolge auf 1582 gestiegen.

Die humanitäre Lage in Mariupol sei katastrophal, hieß es weiter in einer Mitteilung des Stadtrats vom Freitagabend im Nachrichtenkanal Telegram. Mehrere Versuche, Menschen zu evakuieren, sind in den vergangenen Tagen gescheitert.

Nach Angaben der Stadt werden dringend Lebensmittel, Trinkwasser und Nahrungsmittel benötigt. Heizung und Strom sind ausgefallen. Viele Einwohner suchen in Kellern Schutz vor Angriffen. Auch am Freitag habe ein Hilfskonvoi aus der Stadt Saporischschja nicht bis nach Mariupol vordringen können, meldete die Agentur Ukrinform.

Der Statistik der Vereinten Nationen zufolge sind bisher landesweit etwas mehr als 560 tote Zivilisten belegt. Die Ukraine geht von deutlich höheren Zahlen aus.

Die südostukrainische Hafenstadt Mariupol steht seit Tagen unter schwerem Beschuss der russischen Armee.
Die südostukrainische Hafenstadt Mariupol steht seit Tagen unter schwerem Beschuss der russischen Armee.  © Evgeniy Maloletka/AP/dpa

20 Uhr: G7-Staaten wollen Russland weiter isolieren

Mit weiteren Strafmaßnahmen wollen die G7-Staaten den Druck auf Russland erhöhen und das Land international weiter isolieren. So sollen wichtige Vorteile von Russlands Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) aufgehoben werden - dies hatten bereits US-Präsident Joe Biden (79) und die EU angekündigt. Konkret soll Russland der sogenannte "Meistbegünstigungsstatus" in Bezug auf Schlüsselprodukte in den G7-Märkten entzogen werden.

In einer am Freitag von der deutschen G7-Präsidentschaft verbreiteten Erklärung der Staats- und Regierungschefs führender Industrienationen hieß es: "Wir begrüßen die laufenden Vorbereitungen für eine Erklärung einer breiten Koalition von WTO-Mitgliedern, einschließlich der G7, in der sie ankündigen, Russland den Meistbegünstigungsstatus zu entziehen."

Den G7 der führenden westlichen Industrienationen gehören neben Deutschland auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien an. In der Erklärung heißt es: "Wir stehen weiterhin an der Seite des ukrainischen Volkes und der Regierung der Ukraine." Die G7 seien entschlossen, den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den "ungerechtfertigten und grundlosen Krieg" zur Verantwortung zu ziehen, der Russland bereits in der Welt isoliert habe.

Die bereits beschlossenen Sanktionen hätten Russlands Wirtschafts- und Finanzsystem schwer beeinträchtigt. Russland solle weiter von den G7-Volkswirtschaften und dem internationalen Finanzsystem isoliert werden.

19.47 Uhr: Frankreich bringt Ukraine-Flüchtlinge mit Sonderzügen nach Spanien

Frankreich setzt Sonderzüge für die steigende Zahl von Flüchtlingen ein, die nach Spanien und Portugal reisen.

Von Samstag an werde in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz täglich ein TGV von Paris nach Barcelona fahren, berichtete der Sender Europe 1 am Freitag. Viele der Kriegsflüchtlinge träfen mit regulären Zügen aus Deutschland in Paris ein, täglich seien es etwa 300 bis 500 Menschen. Die meisten reisten weiter in andere französische Städte sowie nach Spanien und Portugal, wo eine große ukrainische Gemeinschaft für die Aufnahme von Frauen, Kindern und alten Leuten bereit stehe.

Frankreich selbst wappne sich für die Aufnahme von rund 100.000 Menschen, sagte Innenminister Gérald Darmanin (39).

Frankreich setzt Sonderzüge für die steigende Zahl von Flüchtlingen ein.
Frankreich setzt Sonderzüge für die steigende Zahl von Flüchtlingen ein.  © Bob Edme/AP/dpa

19.43 Uhr: Luftabwehr der Ukraine laut US-Regierung sehr effektiv

Ein großer Teil der ukrainischen Kampfflugzeuge ist nach Angaben der US-Regierung noch intakt.

"Sie haben noch etwa 56 Kampfflugzeuge am Boden, das ist der große Teil ihrer Flotte", sagte ein hoher US-Verteidigungsbeamter am Freitag. Die Kampfjets würden aber nur fünf bis zehn Einsätze pro Tag fliegen - das ukrainische Militär setze eher auf Luftabwehr vom Boden aus. Das russische Militär fliege indessen mehr als 200 Einsätze pro Tag.

Der Beamte betonte, dass die Luftverteidigung der Ukraine sehr "effektiv" und "kreativ" sei.

Die US-Regierung hatte zuletzt einen Vorschlag Polens abgelehnt, MiG-29-Kampfjets über einen US-Stützpunkt in Deutschland an die Ukraine zu liefern. Dabei betonte Washington auch, dass es die Lieferung von Kampfjets generell als hochriskant und kaum effektiv betrachte. Die Ukraine hatte auch nach der Absage die Hoffnung auf Kampfjets nicht aufgegeben.

"Fakt ist, dass wir diese Flugzeuge so schnell wie möglich brauchen, um den Luftraum zu schützen", sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk. "Wir legen kein Veto ein, wenn eine andere Nation Flugzeuge in die Ukraine schicken will, das ist eine souveräne Entscheidung, die eine andere Nation treffen kann", betonte der US-Beamte.

19.30 Uhr: Ukraine weist russischen Vorwurf zu Biowaffen zurück

Die Ukraine hat Russlands Behauptungen über angeblich in der Ukraine produzierte Biowaffen zurückgewiesen.

"Die Ukraine betreibt ein Gesundheitssystem, das seine internationalen Verpflichtungen vollständig erfüllt und in voller Zusammenarbeit mit allen relevanten internationalen Organisationen arbeitet", sagte der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja (52) bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in New York.

"Der Rest ist ein Haufen wahnsinniger Delirien von (Russlands Präsident Wladimir) Putin und seinen Handlangern, einschließlich der russischen Vertretung bei den Vereinten Nationen", führte Kyslyzja weiter aus.

18.58 Uhr: Russland missbraucht Sicherheitsrat laut Großbritannien für Lügen

Angesichts russischer Behauptungen über die Entwicklung von Biowaffen in der Ukraine hat Großbritannien der Führung in Moskau den Missbrauch des UN-Sicherheitsrats vorgeworfen.

"Wir sitzen nicht in diesem Saal, um ein Publikum für russische innenpolitische Propaganda zu sein", sagte die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward am Freitag bei einer Dringlichkeitssitzung des mächtigsten UN-Gremiums in New York. "Wir sollten nicht zulassen, dass Russland seinen ständigen Sitz missbraucht, um Desinformationen und Lügen zu verbreiten und den Zweck des Sicherheitsrats zu verfälschen." Es gebe keinen Hauch glaubwürdiger Beweise dafür, dass die Ukraine ein Biowaffenprogramm besitze.

Titelfoto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

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