Ukraine-Krieg, Tag 47: Scholz will bei Lieferungen von Waffen "keine Alleingänge"

Kiew (Ukraine) - Seit mittlerweile 47 Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Bisher ist kein Ende der Kämpfe in Sicht. Der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) rechnet mit weiteren Zusammenstößen mit dem Nachbarland in den kommenden Jahren. Alle aktuellen Entwicklungen aus dem Krisengebiet im TAG24-Liveticker.

Nach Schätzungen der Regierung soll die Ukraine bisher Schäden in Höhe von bis zu einer Billion US-Dollar erlitten haben.
Nach Schätzungen der Regierung soll die Ukraine bisher Schäden in Höhe von bis zu einer Billion US-Dollar erlitten haben.  © -/Ukrinform/dpa

Die russische Arme arbeite weiterhin "an ihrem Minimalplan Ostukraine", so die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar in der Nacht zum Montag. Die Ukraine setze ihre Vorbereitungen mit der Fortsetzung der Mobilmachung und der Ausbildung von Rekruten unterdessen fort.

Zudem würde in Kürze ein neuer Vorstoß der russischen Streitkräfte zur vollständigen Eroberung der Ostukraine erwartet werden. Mögliche entsprechende Schwerpunkte der nächsten russischen Angriffe seien Charkiw und Slowjansk.

Insgesamt soll die Ukraine nach Schätzungen der Regierung bisher Schäden in Höhe von bis zu einer Billion US-Dollar erlitten, so der stellvertretende Wirtschaftsminister Olexander Griban am Sonntag. Die Verluste seien schlichtweg "kolossal".

Ukraine-Krieg: Reformplan von EU gebilligt, Ukraine winken 50 Milliarden Euro
Ukraine Ukraine-Krieg: Reformplan von EU gebilligt, Ukraine winken 50 Milliarden Euro

Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker (10. April) nachlesen. Alle aktuellen Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Montag, 11. April, gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.

22.31 Uhr: Ukraine meldet Tote durch russischen Artilleriebeschuss in Charkiw

Im Gebiet Charkiw sind offiziellen Angaben zufolge durch russischen Artilleriebeschuss mindestens acht Zivilisten getötet worden. Weitere 19 seien verletzt worden, teilte Gouverneur Oleh Synjehubow bei Telegram mit.

Unter den Todesopfern war demnach ein 13-jähriges Kind und unter den Verletzten zwei Kinder zwischen vier und neun Jahren. Die russischen Truppen sollen auch aus der Luft abgeworfene Verzögerungsminen einsetzen, die erst auf Bewegung reagieren.

Die Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen.

In den 24 Stunden zuvor waren in dem Gebiet ukrainischen Angaben zufolge elf Menschen getötet worden, darunter ein siebenjähriges Kind. Russische Truppen sollen über 60 Mal mit Artillerie, Mehrfachraketenwerfern und Mörsern angegriffen haben. Russland führt seit beinahe sieben Wochen einen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland.

21.05 Uhr: Olaf Scholz will bei Waffenlieferungen für Ukraine "keine Alleingänge"

Nach der Forderung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne), der Ukraine schwere Waffen für den Abwehrkampf gegen Russland zu liefern, hat sich Kanzler Olaf Scholz (63, SPD) erneut zurückhaltend geäußert.

Der SPD-Politiker sagte am Montagabend in Berlin, Deutschland habe der Regierung in Kiew schon Waffen geliefert und werde das auch weiter tun. Darüber hinaus werde man sich in der Europäischen Union weiter absprechen. "Da wird es keine Alleingänge geben." Er strebe ein "sorgfältig abgewogenes Handeln" an.

Baerbock hatte gefordert, dass Deutschland nun auch schwere Waffen an Kiew abgibt. Darunter versteht man Panzer, Kampfjets, Kriegsschiffe oder Artilleriegeschütze. Bisher hat Deutschland unter anderem Luftabwehrraketen, Panzerfäuste und Maschinengewehre in die Ukraine geliefert. Der Rüstungskonzern Rheinmetall bot bis zu 50 Kampfpanzer für die Ukraine an.

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) strebt laut eigener Aussage ein "sorgfältig abgewogenes Handeln" an.
Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) strebt laut eigener Aussage ein "sorgfältig abgewogenes Handeln" an.  © Soeren Stache/dpa-Pool/dpa

20.56 Uhr: Wegen Spritmangel! Nur jede dritte ukrainische Tankstelle in Betrieb

Infolge des russischen Angriffskrieges sind nur noch etwa ein Drittel aller ukrainischen Tankstellen in Betrieb.

"Fraglos ist der Hauptgrund Spritmangel", sagte der Direktor der Beratergruppe A-95, Serhij Kujon, der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine am Montag. Der Verbrauch sei ebenfalls auf etwa ein Drittel gesunken. Von früher rund 7500 Tankstellen seien nur noch etwa 2500 in Betrieb. Die Versorgungsprobleme hätten sich Anfang April nach der Zerstörung der Raffinerie in Krementschuk im Gebiet Poltawa durch einen russischen Raketenangriff verschärft.

"Viele Unternehmen, insbesondere der Zentral-, Ost- und Südukraine, haben ihren Hauptlieferanten verloren", sagte Kujon. Sie seien nun auf den Import aus dem Westen angewiesen. Aufgrund der Entfernung und der staatlich festgesetzten Preisbeschränkungen sei der Import jedoch nicht wirtschaftlich. Allein die Hauptstadt Kiew liegt etwas mehr als 500 Straßenkilometer von der polnischen Grenze entfernt.

20.50 Uhr: Massive Waffenlieferungen für Ukraine gehen täglich weiter

Das US-Militär bringt nach eigenen Angaben weiter täglich große Mengen Waffen und Munition in die Ukraine.

Pro Tag landeten etwa acht bis zehn Flugzeuge mit Waffen und Nachschub für die Ukrainer in der Region, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, John Kirby (59). Die Waffen würden schnell auf Laster umgeladen und in die Ukraine weitergeschickt. Daran ändere auch die neue Strategie des russischen Militär nichts, seinen Einsatz auf die östliche Donbass-Region zu konzentrieren. Es werde weiter Waffenlieferungen geben, "so viel wir können, so schnell wir können", sagte Kirby.

Die US-Regierung hat der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar bereits Waffen im Wert von 1,7 Milliarden US-Dollar zugesagt oder schon geliefert. Darunter waren nach US-Angaben aus der vergangenen Woche zum Beispiel 1400 Flugabwehrraketen, 5000 Panzerabwehrlenkwaffen vom Typ Javelin, 7000 weitere panzerbrechende Waffen, Hunderte Drohnen, Nachtsichtgeräte und 50 Millionen Schuss Munition sowie medizinische Hilfsgüter.

John Kirby (59) erklärte, dass täglich große Mengen Waffen und Munition in die Ukraine gebracht werden würden.
John Kirby (59) erklärte, dass täglich große Mengen Waffen und Munition in die Ukraine gebracht werden würden.  © Susan Walsh/AP/dpa

20.43 Uhr: Hyperschall-Rakete "Kinschal" laut Russland in Ostukraine eingesetzt

Russland hat gegen die Ukraine eigenen Angaben zufolge erneut die Hyperschall-Rakete "Kinschal" eingesetzt.

Mit Hilfe von "Kinschal" ("Dolch") sei unweit des Ortes Tschassiw Jar im Donezker Gebiet ein unterirdischer Kommandoposten der ukrainischen Streitkräfte zerstört worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow (55), am Montag in Moskau. Insgesamt seien in den vergangenen 24 Stunden mehr als 40 ukrainische Militärobjekte angegriffen worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen.

Vor Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar war in Tschassiw Jar etwa die Presseabteilung der ukrainischen Einsatzkräfte in der Ostukraine untergebracht gewesen. Russland hatte bereits Mitte März zwei Mal über Einsätze mit "Kinschal" berichtet und anschließend weitere Angriffe angekündigt. Die acht Meter langen Raketen sind besonders gefürchtet, weil sie extrem schnell und extrem hoch fliegen können. Sie sind daher nur sehr schwer abzufangen.

20.35 Uhr: Qualifikationen ukrainischer Ärzte sollen rasch anerkannt werden

Die Berufsqualifikationen von aus der Ukraine geflüchteten Ärzten und Pflegekräften sollen in Deutschland zügig anerkannt werden. Darauf haben sich die Gesundheitsminister der Länder am Montag in einer Videoschalte geeinigt, wie das Gesundheitsministerium in Sachsen-Anhalt am Abend mitteilte.

Das Land hat aktuell den Vorsitz der Fachministerkonferenz.

Laut dem Beschluss wollen die Länder geflüchteten Ärzten im Rahmen des geltenden Rechts zügig die Berufserlaubnis erteilen. Auch unterbrochene ärztliche Ausbildungen sollen schnellstmöglich fortgesetzt werden können. Hierfür prüfe der Bund notwendige rechtliche Änderungen, hieß es. Für ukrainische Pflegefachkräfte sollen zudem Möglichkeiten für eine Nachqualifizierung und eine rasche Anerkennung als Pflegefachkraft in Deutschland geschaffen werden.

Außerdem habe der Bund zugesichert, die Finanzierung der Impfzentren weiterhin mit 50 Prozent zu gewährleisten.

19.40 Uhr: Brasilien nimmt im März mehr als 100 Ukrainer auf

Brasilien hat im März nach dem russischen Angriff 101 Menschen aus der Ukraine offiziell aufgenommen.

74 Ukrainer bekamen ein Visum und 27 eine Aufenthaltsgenehmigung, wie aus einer Mitteilung des Justizministeriums in Brasília hervorging. Zudem seien im Jahr 2022 vier Ukrainer als Flüchtlinge anerkannt worden, bei weiteren 37 laufe der Antrag.

"Die Aufnahme von ukrainischen Einwanderern und Flüchtlingen ist ein humanitärer Akt. Einwanderer sind Teil der Geschichte des Landes, und die Regierung ist entschlossen, denjenigen zu helfen, die in Brasilien ihre Rechte wie Sicherheit, Wohnung und Arbeit suchen", sagte der brasilianische Justizminister Anderson Torres der Mitteilung zufolge.

18.35 Uhr: Agrarminister Cem Özdemir wirft Wladimir Putin "Politik des Aushungerns" vor

Bundesagrarminister Cem Özdemir (56, Grüne) wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) eine "Politik des Aushungerns" vor, die die Ärmsten weltweit in Not stürze.

"Putin benutzt die Verknappung von Getreide als Waffe. Er will, dass bei uns die Preise steigen und anderswo, in den ärmsten Ländern der Welt, der Hunger zunimmt. Mit dieser perfiden Strategie nimmt er weltweit Menschen als Geiseln", erklärte der Politiker. Er äußerte sich anlässlich einer Sondersitzung der Internationalen Organisation für Landwirtschaft und Ernährung der Vereinten Nationen am vergangenen Freitag. Dort wurden die Auswirkungen des Kriegs auf die Welternährung besprochen.

Nach einer ersten Prognose der FAO könnte der Krieg, der vor gut sechs Wochen begann, zu einem Anstieg der Zahl der Hungernden um 8 bis 13 Millionen Menschen führen - zusätzlich zu den von der FAO im Welternährungsbericht für 2020 geschätzten 720 bis 811 Millionen Menschen, die weltweit Hunger leiden.

Die Region Asien/Pazifik - vor allem Bangladesch - und Afrika wären demnach in etwa gleich betroffen.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (56, Grüne) hat deutliche Worte gewählt.
Bundesagrarminister Cem Özdemir (56, Grüne) hat deutliche Worte gewählt.  © Annette Riedl/dpa

18.25 Uhr: EU-Staaten treffen keine Entscheidung über Öl-Embargo gegen Russland

Die Außenminister der EU-Staaten haben noch keine Entscheidung über mögliche Einschränkungen von Öl-Importen aus Russland getroffen.

Man habe nur eine allgemeine Diskussion geführt, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell (74) am Montag nach einem Treffen der Minister in Luxemburg. Er betonte jedoch mit Blick auf weitere Sanktionen gegen Russlands wegen der Invasion in die Ukraine: "Nichts ist vom Tisch, einschließlich Sanktionen gegen Öl und Gas."

Borrell sprach sich dafür aus, einen Unterschied zwischen den beiden Energieträgern zu machen und mit Öl zu beginnen. So sei die Rechnung für Ölimporte im vergangenen Jahr vier Mal so hoch gewesen wie die für Gas, sagte er. Grundsätzlich sei es wichtig, die Energieabhängigkeit der EU so schnell wie möglich zu reduzieren. Die Entwicklung erneuerbarer Energien trage zur strategischen Autonomie der Staatengemeinschaft bei.

Den russischen Krieg beschrieb Borrell mit den Worten "Scheitern" und "Horror". Die Armee hinterlasse getötete Zivilisten und zerstörte Städte. Die erwartete Offensive Russlands im Osten erhöhe die Bereitschaft der EU, die Ukraine militärisch zu unterstützen. Sein Vorschlag für weitere 500 Millionen Euro aus EU-Mitteln für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Streitkräfte sei jedoch noch nicht beschlossen worden, weil es dafür noch die Ratifizierung nationaler Parlamente brauche.

18.20 Uhr: Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte besucht Borodjanka in Ukraine

Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte (47) ist am Montag in die Ukraine gereist.

"Mein Besuch in der Ukraine hat heute in Borodjanka begonnen. Keine Worte können beschreiben, was ich hier gesehen und gefühlt habe", schrieb die Ministerpräsidentin des baltischen EU- und Nato-Landes auf Twitter. Dazu stellte sie Bilder, die sie bei der Besichtigung eines zerstörten Wohnhauses mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Denys Schmyhal (46) zeigen.

Auch Schmyhal veröffentlichte auf dem Kurznachrichtendienst mehrere Bilder von dem vorab von litauischer Seite nicht angekündigten Besuch. Russland müsse für den "Völkermord" an der Ukraine bestraft werden, schrieb der ukrainische Regierungschef dazu. Er bedankte sich, dass sich Litauen der Untersuchung von Kriegsverbrechen angeschlossen habe.

Das nordwestlich von Kiew gelegene Borodjanka gehört ukrainischen Angaben zufolge zu den am stärksten zerstörten Städten in der Hauptstadtregion. Die Regierung in Kiew befürchtet hohe Opferzahlen.

18.10 Uhr: Russland berichtet über Einnahme von Hafen in Mariupol

Der Hafen der seit Wochen umkämpften südostukrainischen Stadt Mariupol soll unter russischer Kontrolle sein. Streitkräfte der selbst ernannten Volksrepublik Donezk hätten die Kontrolle übernommen, schrieben die russischen Agenturen Ria und Interfax am Montag unter Berufung auf den Donezker Separatistenführer Denis Puschilin (40).

Die Ukraine warf Russland derweil vor, ein Schiff am Hafen von Mariupol besetzt zu haben. 18 Matrosen sowie die Frau des Kapitäns seien gefangen genommen worden, schrieb die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denisowa (61), am Montag bei Telegram. Zuvor hätten russische Truppen das Schiff unter liberianischer Flagge beschossen.

Unter den Gefangenen sei neben ukrainischen Staatsbürgern auch ein Ägypter.

Am Sonntag hatten die prorussischen Separatisten mitgeteilt, ukrainische Truppen hätten in Mariupol zwei ausländische Schiffe samt Besatzung in ihre Gewalt gebracht und würden von dort aus die Stadt beschießen.

Der Hafen der seit Wochen umkämpften südostukrainischen Stadt Mariupol soll unter russischer Kontrolle sein.
Der Hafen der seit Wochen umkämpften südostukrainischen Stadt Mariupol soll unter russischer Kontrolle sein.  © Sergei Grits/AP/dpa

18 Uhr: Gespräch Wladimir Putins mit Karl Nehammer nach rund einer Stunde beendet

In Moskau ist das Gespräch zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) mit dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer (49) beendet. Das teilte das Bundeskanzleramt am Montag mit.

Die wichtigste Botschaft des Bundeskanzlers an den russischen Präsidenten sei gewesen, dass dieser Krieg aufhören müsse, denn im Krieg gebe es auf beiden Seiten nur Verlierer, so das Kanzleramt. "Das Gespräch mit Präsident Putin war sehr direkt, offen und hart", sagte der Kanzler laut Mitteilung. Er habe die Kriegsverbrechen in Butscha und anderen Orten angesprochen und betont, dass all jene, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen seien.

Über die Reaktion Putins war zunächst nichts bekannt. Nehammer war der erste Regierungschef eines EU-Landes, der von Putin seit Russlands Einmarsch in die Ukraine vor gut sechs Wochen empfangen wurde.

Titelfoto: Soeren Stache/dpa-Pool/dpa

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