Ukraine-Krieg, Tag 86: Alle Kämpfer in Asow-Stahlwerk haben sich ergeben

Ukraine - Russlands militärische Invasion der Ukraine hält auch nach 86 Tagen weiter an! Alle aktuellen Entwicklungen des Kriegs gibt es im TAG24-Liveticker.

Das Stahlwerk Azovstal in Mariupol war seit Wochen umkämpft.
Das Stahlwerk Azovstal in Mariupol war seit Wochen umkämpft.  © dpa/Alexei Alexandrov

Gut eine Woche nach dem US-Repräsentantenhaus verabschiedete am Donnerstagbend auch die andere Kongresskammer, der US-Senat, mit großer Mehrheit ein Hilfspaket mit einem Volumen von fast 40 Milliarden Dollar (38 Milliarden Euro) für die Ukraine.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) dankte für die Hilfe. Er stellte in einer Videoansprache aber auch klar, dass die Ukraine in ihrem Widerstand selbst jeden Monat Milliarden verliere. Die ausländischen Partner der Ukraine sollten Hilfen nicht als Geschenk sehen. "Das ist ihr Beitrag zu ihrer eigenen Sicherheit."

In den internationalen Bemühungen um Unterstützung für die Ukraine wollen die Außenminister der Europarats-Staaten heute im italienischen Turin beraten. Außenministerin Annalena Baerbock (41) setzt dabei auf die Geschlossenheit der Europäer.

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Ukraine Brisanter Bericht: Wann Macron Truppen in die Ukraine schicken will

"Diese haben wir bewiesen, als wir gemeinsam entschieden haben, Russland aus dem Europarat auszuschließen", sagte die Grünen-Politikerin vor dem Treffen.

Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr noch einmal im Ticker vom Donnerstag nachlesen. Alle Ereignisse des heutigen Tages findet Ihr hier im TAG24-Liveticker.

21.10 Uhr: Chodorkowski und Kasparow sind nun "ausländische Agenten"

Russland hat den Kremlkritiker Michail Chodorkowski und den früheren Schach-Weltmeister Garri Kasparow als "ausländische Agenten" eingestuft. Sie seien auf die entsprechende Liste des Justizministeriums in Moskau gesetzt worden, meldete die Staatsagentur Tass am Freitagabend. Beide seien an politischen Aktivitäten beteiligt und dabei von der Ukraine und den USA finanziert worden, teilte das Ministerium zur Begründung mit.

Viele Nichtregierungsorganisationen und Medien sind in Russland als "ausländischer Agent" eingestuft, was sie als Stigmatisierung kritisieren. Kasparow hatte zuletzt den russischen Staatschef Wladimir Putin persönlich für den Krieg gegen die Ukraine kritisiert. Die russischen Behörden waren wiederholt gegen die Organisationen des im Ausland lebenden früheren Oligarchen Chodorkowski vorgegangen.

21 Uhr: Alle Kämpfer in Asow-Stahlwerk in Mariupol haben sich laut Moskau ergeben

In der ukrainischen Hafenstadt Mariupol haben sich nach russischen Angaben nun alle Kämpfer in dem belagerten Stahlwerk Azovstal ergeben.

Die Industriezone und die Stadt seien damit vollständig unter russischer Kontrolle, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitagabend mit. Es seien insgesamt 2439 ukrainische Soldaten seit dem 16. Mai in russische Gefangenschaft gekommen. Das Werk war das letzte Stück der strategisch wichtigen Stadt im Südosten der Ukraine, das noch nicht komplett unter russische Kontrolle gewesen war.

Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Präsident Wladimir Putin über die "vollständige Befreiung des Werks und der Stadt Mariupol" berichtet. Am Freitag kam nach Angaben des Ministeriums die letzte Gruppe von 531 Kämpfern in Gefangenschaft, hieß es in der Mitteilung der Behörde. Die Industriezone war seit dem 21. April von russischen Truppen blockiert gewesen. Der Kommandeur des Asow-Regiments sei in einem speziellen gepanzerten Fahrzeug abtransportiert worden.

Zuvor hatten die verbliebenen ukrainischen Verteidiger des Stahlwerks am Asowschen Meer erstmals erklärt, dass sie laut einem Befehl ihrer Armeeführung die Verteidigung der Stadt einstellen sollen. Dies sagte der Kommandeur des umstrittenen Nationalgarderegiments "Asow", Denys Prokopenko, in einer Videobotschaft. Damit sollten Leben und Gesundheit der Soldaten der Garnison geschützt werden.

Alle Kämpfer im belagerten Stahlwerk Azovstal haben sich laut russischen Angaben ergeben.
Alle Kämpfer im belagerten Stahlwerk Azovstal haben sich laut russischen Angaben ergeben.  © Uncredited/AP/dpa

18.57 Uhr: Russland laut Putin gegen ausländischen Cyber-Krieg gerüstet

Kremlchef Wladimir Putin hat eine Zunahme von Hackerangriffen gegen Russland seit Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine beklagt.

"Im Grunde wurde gegen Russland eine echte Aggression, ein Krieg in der IT-Sphäre gestartet", sagte Putin am Freitag auf einer im Staatsfernsehen übertragenen Sitzung des nationalen Sicherheitsrats. Demnach wurden die Angriffe von ausländischen Geheimdiensten koordiniert. "Schon heute kann man sagen, dass diese Cyber-Aggression gegen uns wie auch die Sanktionsattacken gegen Russland insgesamt gescheitert sind."

Wegen einer anhaltenden Gefahrenlage ordnete Putin an, bis 2025 eine neue Sicherheitsstrategie im IT-Bereich umzusetzen. Für eine Digitalisierung der Wirtschaft müssten die Risiken bei der Nutzung ausländischer Software und Technik auf ein Minimum reduziert werden. Die Nutzung von ausländischen Antivirenprogrammen sei von 2025 an verboten, sagte der russische Präsident.

Wladimir Putin hat den 2016 getöteten Separatistenführer und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Arsen Pawlow mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnet.
Wladimir Putin hat den 2016 getöteten Separatistenführer und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Arsen Pawlow mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnet.  © Alexander Nemenov/POOL AFP/AP/dpa

17 Uhr: Moskau: Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens bedroht Russland

Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu sieht in dem geplanten Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens eine Gefahr für Russland.

Die Lage an der westlichen Grenze Russlands werde durch eine wachsende militärische Gefahr gekennzeichnet, sagte Schoigu am Freitag bei einer Sitzung des Ministeriums. Finnland und Schweden hätten als Nachbarn Russlands die Aufnahme in den Militärblock beantragt, damit nähmen die Spannungen im westlichen Wehrbezirk Russlands nun deutlich zu. Bis Jahresende sollten dort zwölf neue Militärstützpunkte entstehen, kündigte Schoigu an.

"Gleichzeitig erhöhen die USA und die Nato das Ausmaß ihrer operativen und militärischen Vorbereitungen an unseren Grenzen", sagte Schoigu. Konkret beklagte er auch, dass die Mitgliedsstaaten der Nato ein neues Manöver vor den Grenzen Russlands abhielten. Er bezog sich die laufende Übung "Defender Europe 2022".

Schoigu warf den USA vor, in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Flüge ihrer strategischen Bomber in Europa massiv erhöht zu haben – von einmal 15 auf inzwischen 45 im Jahr. In der Ostsee kreuzten zudem immer häufiger mit Raketen bewaffnete US-Kriegsschiffe.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu während der Militärparade zum Tag des Sieges in Moskau.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu während der Militärparade zum Tag des Sieges in Moskau.  © Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

16.46 Uhr: EU-Außenbeauftragter: Russland heizt Nahrungskrise militärisch an

Russland geht laut dem EU-Außenbeauftragen Josep Borrell mit militärischen Aktionen gezielt gegen die Lebensmittelproduktion in der Ukraine vor.

"Russische Truppen bombardieren ukrainische Felder, verhindern die Aussaat, plündern Lebensmittelvorräte, blockieren ukrainische Häfen und erhöhen so die Preise für Lebensmittel und Düngemittel", sagte Borrell am Freitag in Brüssel. Die Lebensmittelversorgung sei vor allem wegen Russlands Invasion in der Ukraine in Gefahr. Vor dem Krieg wurde in der Ukraine unter anderem eine für den Weltmarkt relevante Menge Weizen angebaut.

Es sei klar, dass zunächst Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen betroffen seien, die von Lebensmittel- und Düngemittelimporten abhingen, sagte Borrell. Zudem widersprach er Behauptungen aus Russland, die EU-Sanktionen gegen Moskau seien in erster Linie für die Preissteigerungen verantwortlich. "Dies ist eine falsche Behauptung Russlands."

15.59 Uhr: Putin zeichnet mutmaßlichen Kriegsverbrecher in Ukraine posthum aus

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den 2016 getöteten Separatistenführer und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Arsen Pawlow mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnet.

Ein Erlass über die posthume Verleihung wurde am Freitag in Russlands offizieller Gesetz-Datenbank veröffentlicht. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte dem bei einem Sprengstoffanschlag getöteten Pawlow vorgeworfen, während des Konflikts in der Ostukraine unter dem Namen "Motorola" mindestens einen ukrainischen Kriegsgefangenen getötet zu haben.

Der Russe selbst gab vor Journalisten damit an, mindestens 15 gefangene ukrainische Soldaten erschossen zu haben. Der Mann ging Medien zufolge im April 2014 in die ostukrainische Region Donbass, um einer Strafverfolgung wegen Autodiebstahls und Trunkenheit am Steuer in Russland zu entgehen. Dort galt er als einer der gefährlichsten und blutigsten Milizenführer bei den prorussischen Aufständen.

15.43 Uhr: Ukraine erhält im Juli erste Gepard-Panzer aus Deutschland

Die Ukraine erhält im Juli die ersten 15 Flugabwehrkanonenpanzer Gepard aus Beständen der deutschen Industrie. Das ist das Ergebnis eines Gesprächs von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Olexij Resnikow am Freitag, wie die Deutsche Presse-Agentur in Berlin erfuhr.

Zu dem Paket gehört demnach auch Ausbildungsunterstützung durch die Bundeswehr, die Bereitstellung von knapp 60.000 Schuss Munition sowie eine Lieferung von weiteren 15 Panzern noch im Sommer.

"Ich habe heute mit meinem ukrainischen Kollegen Resnikow gesprochen, und er hat ausdrücklich nochmals bestätigt, dass die Ukraine die schnellstmögliche Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern einschließlich der vorhandenen 59.000 Schuss Munition aus Deutschland wünscht", sagte Lambrecht nach der Videoschalte mit Resnikow. Dieser habe die Leistungsfähigkeit des Systems besonders hervorgehoben.

"Ich begrüße diese klare Entscheidung ausdrücklich. Der Gepard ist eine wirkungsvolle Waffe, die auch eine erhebliche Abschreckungswirkung hat - etwa zum Schutz kritischer Infrastruktur", sagte Lambrecht. "Gemeinsam arbeiten wir nun daran, dass die ersten 15 Geparden ab Mitte Juli mit fertig ausgebildeten Besatzungen einsatzbereit sind."

Im Juli soll die Ukraine die ersten 15 Gepard-Panzer aus Deutschland erhalten.
Im Juli soll die Ukraine die ersten 15 Gepard-Panzer aus Deutschland erhalten.  © Maurizio Gambarini/dpa

14.54 Uhr: Mariupol: Asow-Kommandeur räumt erstmals öffentlich Kapitulation ein

Die verbliebenen ukrainischen Verteidiger des von russischen Truppen eingeschlossenen Stahlwerks in der Hafenstadt Mariupol haben erstmals öffentlich ihre Kapitulation eingestanden.

"Die Armeeführung hat den Befehl gegeben, die Verteidigung der Stadt einzustellen", sagte der Kommandeur des umstrittenen Nationalgarderegiments "Asow", Denys Prokopenko, in einer am Freitag veröffentlichten Videobotschaft. Damit sollten Leben und Gesundheit der Soldaten der Garnison geschützt werden.

Am Montag hatten sich bereits die ersten 264 Soldaten ergeben, darunter über 50 Schwerverletzte. Nach russischen Angaben sind insgesamt bereits über 1900 Soldaten in Gefangenschaft gekommen. Die Kommandeure sollen sich aber noch weiter in den Bunkern des Werksgeländes aufhalten.

Insgesamt wurde in Moskau zuletzt von rund 2500 ukrainischen Kämpfern ausgegangen. Die Regierung in Kiew hingegen hatte deren Zahl nur mit 1000 angegeben.

14.18 Uhr: Scholz rechtfertigt Ukraine-Kurs: "Ich bin nicht Kaiser Wilhelm"

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) hat seinen Kurs beim Umgang mit dem Krieg in der Ukraine mit einem Vergleich zum Ersten Weltkrieg begründet.

Er werde nicht der Kanzler sein, der Deutschland versehentlich in den Krieg rutschen lasse, sagte Scholz in einer Sitzung des Koalitionsausschusses Ende April, wie der "Spiegel" nun berichtete. "Ich bin nicht Kaiser Wilhelm", sagte er demnach.

Scholz wurde in den vergangenen Wochen immer wieder Zögern bei der Unterstützung der Ukraine vorgeworfen - etwa bei der Frage nach der Lieferung schwerer Waffen.

13.43 Uhr: G7-Staaten geben Ukraine zusätzlich 9 Milliarden Euro

Die sieben führenden Industrienationen wollen die Ukraine mit zusätzlichen, kurzfristigen Budgethilfen in Höhe von umgerechnet knapp 9 Milliarden Euro unterstützen.

Darauf verständigten sich die Finanzminister der G7-Staaten am Freitag auf dem Petersberg bei Bonn. Seit Jahresbeginn hätten sie damit insgesamt 19,8 Milliarden Dollar (knapp 18,7 Milliarden Euro) an Finanzhilfen für die Ukraine mobilisiert, hieß es in der Abschlusserklärung des Ministertreffens.

Das Geld soll helfen, die grundlegenden staatlichen Leistungen des kriegsgebeutelten Landes aufrechtzuerhalten und Finanzierungslücken zu schließen. Offen war zunächst, ob es sich ausschließlich um Zuschüsse oder auch um Darlehen handelt.

Die Finanzminister der G7-Staaten berieten sich Donnerstag und Freitag in Bonn.
Die Finanzminister der G7-Staaten berieten sich Donnerstag und Freitag in Bonn.  © dpa/Federico Gambarini

13.35 Uhr: Ukraine gibt Mariupol auf!

Das ukrainische Militär hat die verbleibenden Kämpfer des Asow-Regiments im Mariupoler Industriekomplex Asow-Stahl angewiesen, die Verteidigung der Stadt aufzugeben.

"Das höhere Militärkommando hat den Befehl gegeben, das Leben der Soldaten unserer Garnison zu retten", sagt der Asow-Kommandeur Denys Prokopenko in einem Video. Es werde daran gearbeitet, die Leichen getöteter Kämpfer aus der Anlage zu bringen.

Titelfoto: Uncredited/AP/dpa

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