Ukraine-Krieg im Liveticker: Selenskyj glaubt, dass Putin mit Atomdrohungen nicht blufft

Kiew (Ukraine) - Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht weiter. Derweil sind nach Wladimir Putins (69) Teilmobilisierung in vielen russischen Städten bei neuen Protesten Hunderte Menschen festgenommen worden.

Die Menschen in der russisch besetzten Ostukraine sind aufgefordert bei einem Referendum über den Beitritt zu Russland abzustimmen. Ein Ergebnis im Sinne der Kremlführung gilt als sicher.
Die Menschen in der russisch besetzten Ostukraine sind aufgefordert bei einem Referendum über den Beitritt zu Russland abzustimmen. Ein Ergebnis im Sinne der Kremlführung gilt als sicher.  © STRINGER / AFP

Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) hat Moskaus Kämpfer zum Aufgeben aufgefordert. Es sei besser, die Einberufung zum Dienst abzulehnen, als auf fremder Erde als Kriegsverbrecher zu sterben, sagte Selenskyj in seiner am Samstagabend veröffentlichten Videobotschaft in russischer Sprache.

Zugleich bot er an, dass sich russische Soldaten freiwillig in Kriegsgefangenschaft begeben könnten. Dort würden sie zivilisiert behandelt.

Am Samstag wurden bei neuen Protesten in Russland gegen die Teilmobilmachung mehr als 700 Menschen festgenommen. Allein für die russische Hauptstadt Moskau wurden mindestens 380 Festnahmen angegeben - und für St. Petersburg 125.

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Alle aktuellen Entwicklungen zum Geschehen in der Ukraine und rund um den Krieg findet Ihr hier im Ticker.

25. September, 22.19 Uhr: Selenskyj: Russlands Mobilisierung bedroht ethnische Minderheiten

Die von Putin in Russland angeordnete Teilmobilmachung trifft laut Selenskyj ethnische Minderheiten besonders hart.

"Wir sehen, dass Menschen, besonders in Dagestan, angefangen haben, um ihr Leben zu kämpfen", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht zum Montag. Er bezog sich dabei auf heftige Proteste, die Stunden zuvor in der muslimisch geprägten russischen Teilrepublik Dagestan im Kaukasus ausgebrochen waren.

In einem Dorf, aus dem 110 Männer für den Krieg gegen die Ukraine eingezogen werden sollten, gingen Polizisten dabei am Sonntag sogar mit Warnschüssen gegen Demonstranten vor. "Ich betone einmal mehr: Es gibt keinen Ausweg", sagte Selenskyj. "Flieht. Oder begebt euch bei der ersten Gelegenheit in ukrainische Gefangenschaft."

Dagestan gehört zu den Regionen Russlands, aus denen Beobachtern zufolge besonders viele Männer eingezogen werden. Aktivisten beklagen, dass Angehörige ethnischer Minderheiten besonders stark von der Mobilmachung betroffen sind und sprechen deshalb teils sogar von "ethnischen Säuberungen". Auch in den Regionen Jakutien und Burjatien in Sibirien sind die Anti-Mobilisierungs-Proteste besonders groß.

Russische Wehrpflichtige aus Jakutsk begeben sich zu einem Bus, der sie zu den Einheiten des östlichen Militärbezirks bringt. Die Mobilisierung ist im Gange, nachdem Putin eine Teilmobilmachung von Reservisten zur Verstärkung seiner Streitkräfte in der Ukraine angeordnet hatte.
Russische Wehrpflichtige aus Jakutsk begeben sich zu einem Bus, der sie zu den Einheiten des östlichen Militärbezirks bringt. Die Mobilisierung ist im Gange, nachdem Putin eine Teilmobilmachung von Reservisten zur Verstärkung seiner Streitkräfte in der Ukraine angeordnet hatte.  © Uncredited/AP/dpa

25. September, 21.42 Uhr: Slowakei gegen generelle Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer

Während Deutschland darüber noch diskutiert, hat das Ukraine-Nachbarland Slowakei die generelle Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer abgelehnt.

"Die Slowakei beurteilt jeden Einzelfall individuell", erklärte Außenamtssprecher Juraj Tomaga am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die Slowakei vergebe zwar grundsätzlich Visa aus humanitären Gründen, es gebe aber keine eindeutige Regel, nach der auch Kriegsdienstverweigerung als Grund dafür ausreiche.

Dass manche russische Staatsbürger den Eindruck hätten, die Slowakei würde die Erteilung von Visa - nicht nur aus humanitären Gründen, sondern zum Beispiel auch zu Studienzwecken - bewusst verzögern, liege aber vor allem daran, dass Russland "durch eine unbegründete Entscheidung" das Personal der slowakischen Vertretungen in Moskau und St. Petersburg reduziert habe.

Der Sprecher spielte damit auf einen diplomatischen Streit zwischen der Slowakei und Russland an. Die Slowakei hatte Ende März 35 Mitarbeiter der russischen Botschaft wegen Spionageverdachts ausgewiesen, worauf Moskau reziprok reagierte.

25. September, 20.06 Uhr: Selenskyj: Annexion macht Verhandlungen mit Russland unmöglich

Eine Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland macht Verhandlungen mit dem Kreml aus Sicht des ukrainischen Präsidenten Selenskyj unmöglich.

Die Regierung in Moskau könne den Abschluss der Abstimmungen und die Ergebnisse offiziell verkünden. "Dies würde eine Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen mit dem Präsidenten der Russischen Föderation auf jeden Fall unmöglich machen", sagte Selenskyj dem US-Sender CBS News in einem am Sonntag veröffentlichten Interview laut Übersetzung. Putin wisse das sehr gut.

Selenskyj hatte bereits in der Vergangenheit gewarnt, dass die Scheinreferenden alle Chancen auf Friedensverhandlungen zunichte machen würden.

25. September, 18.37 Uhr: Selenskyj: Putin blufft nicht mit Atomdrohungen

Selenskyj hat deutlich gemacht, dass er die Atomdrohungen von Putin ernst nimmt. "Vielleicht war es gestern ein Bluff. Jetzt könnte es Realität sein", sagte er dem US-Sender CBS News in einem am Sonntag veröffentlichten Interview laut Übersetzung.

Selenskyj verwies auf die Gefechte um das von Russland besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja und sagte: "Er (Putin) will die ganze Welt erschrecken. Dies sind die ersten Schritte seiner nuklearen Erpressung. Ich glaube nicht, dass er blufft."

Putin hatte am Mittwoch die Mobilisierung von 300.000 Reservisten für den Angriffskrieg gegen die Ukraine angekündigt - er sagte dabei auch: "Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht wird, werden wir zum Schutz Russlands und unseres Volkes unbedingt alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Das ist kein Bluff." Beobachter sahen darin eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sagte dem Sender am Sonntag, die US-Regierung habe dem Kreml "direkt, privat, auf sehr hoher Ebene" mitgeteilt, dass jeder Einsatz von Atomwaffen katastrophale Folgen für Russland haben werde. Russland sei auch gewarnt worden, dass die USA und ihre Verbündeten entschlossen reagieren würden.

Wolodymyr Selenskyj (44), Präsident der Ukraine.
Wolodymyr Selenskyj (44), Präsident der Ukraine.  © President Of Ukraine/APA Images via ZUMA Press Wire/dpa

25. September, 17.28 Uhr: 3000 Menschen demonstrieren in Lubmin für Öffnung von Nord Stream 2

Für die Öffnung der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 und für bezahlbare Energie haben am Sonntag rund 3000 Menschen im vorpommerschen Lubmin demonstriert. Die Kundgebung verlief bis zum späten Nachmittag friedlich und ohne Auffälligkeiten, sagte ein Polizeisprecher. Die Veranstalter hatten rund 5000 Leute erwartet.

Nord Stream 2 führt von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern. Die Gaspipeline ist fertiggebaut, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte die Bundesregierung aber die Inbetriebnahme ausgeschlossen.

Russland schickt über die weitgehend parallel verlaufende Leitung Nord Stream 1 derzeit kein Gas mehr nach Deutschland und verweist auf technische Gründe. Die Bundesregierung hält diese Begründung für vorgeschoben.

25. September, 16.43 Uhr: Britische Premier: Sollten nicht auf Putins Säbelrasseln hören

Die britische Premierministerin, Liz Truss, hat die Länder des Westens aufgefordert, sich nicht von Putin provozieren zu lassen.

"Wir sollten nicht auf sein Säbelrasseln und seine leeren Drohungen hören", sagte Truss dem US-Sender CNN in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview. "Stattdessen müssen wir Russland weiterhin mit Sanktionen belegen und die Ukrainer unterstützen."

Wenn Putin Erfolg hätte, wäre das nicht nur eine schreckliche Botschaft in Europa und eine große Bedrohung für die ukrainische Bevölkerung selbst, sagte Truss. "Es wäre auch eine Botschaft an andere autoritäre Regime auf der ganzen Welt, dass es irgendwie akzeptabel ist, in ein souveränes Land einzufallen." Deshalb sei es so wichtig, dass der Westen weiterhin geschlossen handle.

Putin habe erkannt, dass er den Krieg nicht gewinnen werde, sondern mit der Invasion in die Ukraine einen strategischen Fehler gemacht habe. Das sei der Grund für sein Handeln.

Liz Truss (47), Premierministerin von Großbritannien.
Liz Truss (47), Premierministerin von Großbritannien.  © Tayfun Salci/ZUMA Press Wire/dpa

25. September, 16.02 Uhr: Warnschüsse bei Anti-Kriegs-Protest in Russland

Bei einem Protest gegen die Mobilmachung von Reservisten sind Polizisten laut Bürgerrechtlern in der russischen Teilrepublik Dagestan im Kaukasus mit Warnschüssen gegen Demonstranten vorgegangen.

Im Dorf Endirej blockierten Anwohner eine Straße, um so die von Putin angeordnete Teilmobilisierung zu behindern, wie die unabhängige Organisation OVD-Info am Sonntag mitteilte.

Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten Gewehre in die Luft richten, dann sind Schüsse zu hören. Auch Gerangel zwischen Anwohnern und Beamten ist zu sehen. Laut dagestanischen Medien war der Protest eine Reaktion darauf, dass aus dem Dorf 110 Männer in den Krieg gegen die Ukraine gezwungen wurden.

Angesichts jüngster Niederlagen seiner Armee hatte Kremlchef Putin am vergangenen Mittwoch angeordnet, nun auch Reservisten zum Kampf in der Ukraine zu verpflichten. Seitdem herrscht bei vielen Russen große Panik. Der russische Angriffskrieg dauert bereits seit mehr als sieben Monaten an.

Das muslimisch geprägte Dagestan gehört zu den Regionen Russlands, aus denen Beobachtern zufolge besonders viele Männer eingezogen werden. Aktivisten beklagen, dass Angehörige ethnischer Minderheiten besonders stark von der Mobilmachung betroffen sind und sprechen deshalb teils sogar von "ethnischen Säuberungen".

25. September, 16 Uhr: Serbien wird Scheinreferenden in Ukraine nicht anerkennen

Trotz der guten Beziehungen Serbiens zu Moskau wird die Regierung in Belgrad die Ergebnisse der Scheinreferenden in den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine nicht anerkennen. Das sagte Serbiens Außenminister Nikola Selakovic am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Belgrad, wie serbische Medien berichteten.

Eine Anerkennung dieser Scheinreferenden "würde völlig gegen unsere nationalen und staatlichen Interessen, die Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität und die Unverletzlichkeit der Grenzen verstoßen", sagte der Minister.

Selakovic bezog sich damit auf die aus Belgrader Sicht vorliegende Parallele zwischen Russlands Angriff auf die Ukraine und dem Kosovo-Problem. Darauf hatte auch Serbiens Präsident Aleksandar Vucic zuletzt bei der UN-Vollversammlung in New York hingewiesen: "Was ist der Unterschied zwischen der (Souveränität) der Ukraine und der Serbiens? Die Souveränität und territoriale Integrität Serbiens wurden grob verletzt und das haben Sie, oder zumindest einige von Ihnen, legitimiert und international anerkannt", sagte Vucic.

Die ehemalige serbische Provinz Kosovo hatte 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt. Diese wird von Serbien nicht anerkannt, wohl aber von den meisten anderen Staaten. Zum Thema Ukrainekonflikt laviert Vucic zwischen Russland und dem Westen. Er akzeptierte eine Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine durch die UN, lehnte aber Sanktionen gegen Russland ab.

25. September, 14.32 Uhr: Marineinspekteur: Russische Marine geht gestärkt aus Krieg hervor

Die Aufrüstung der russischen Marine geht trotz westlichem Embargo und Ukraine-Krieg nach Einschätzung des deutschen Marineinspekteurs Jan Christian Kaack weiter.

"Ich gehe davon aus, dass die russische Marine im Wesentlichen gestärkt aus dem Ukraine-Krieg herausgehen wird", sagte der Vize-Admiral der "Welt". "Wir erkennen derzeit den ungebremsten Neubau von modernen Einheiten, die hoch effektiv ausgerüstet sind. Da scheint das westliche Embargo noch nicht zu greifen."

Die Einheiten würden mit Überschallwaffen oder ballistischen Iskander-Raketen ausgestattet. Die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, neuartige Hyperschall-Seeraketen namens "Zirkon" schon bald auf einer Fregatte in Dienst zu stellen, sei keine Propaganda: "Ich nehme das ernst. Sehr ernst."

Kaack warnte zugleich vor russischen Angriffen unter Wasser. "Sie dürfen nicht nur auf das Wasser gucken. Auch unter Wasser hat Russland erhebliche Kapazitäten aufgebaut", sagte der Vize-Admiral. "Auf dem Grund der Ostsee, aber auch im Atlantik gibt es einiges an kritischer Infrastruktur wie Pipelines oder Unterseekabel für IT. Da können sie Ländern wie Estland schnell das Licht ausschalten, und es gibt Gefährdungen der globalen Kommunikationsstrukturen, auf die man besonders achten muss."

Nach Kaacks Worten haben sich russische Unter- oder Überwassereinheiten zuletzt über längere Zeit im Bereich dieser Kabel aufgehalten.

Ein russisches Jagd-U-Boot der "Kilo-Klasse" (Projekt 877).
Ein russisches Jagd-U-Boot der "Kilo-Klasse" (Projekt 877).  © Alexey NIKOLSKY / SPUTNIK / AFP

25. September, 11.33 Uhr: Wahlbeobachter bei Scheinreferenden: Eklat um Energiekonzern-Manager

Weil er als Wahlbeobachter die Scheinreferenden in russisch besetzten Gebieten der Ostukraine begleitet, soll der Geschäftsführer des nordhessischen Versorgers Energie Waldeck-Frankenberg (EWF), Stefan Schaller, von seinen Aufgaben freigestellt werden.

Dafür haben sich der Ältestenrat und der Kreisausschuss des Landkreises Waldeck-Frankenberg am Samstag mit großer Mehrheit ausgesprochen, wie der Landkreis auf seiner Internetseite mitteilte.

Titelfoto: President Of Ukraine/APA Images via ZUMA Press Wire/dpa

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