"Der menschliche Faktor" zeigt, wie Einbrecher eine Familie für immer zerstören

Berlin - Und plötzlich kochen alle Probleme hoch! Am 30. Juni. erscheint "Der menschliche Faktor" mit "Dark"-Star Mark Waschke (50) in den Kinos. Der Film zeigt, wie eine Familie an ihren unterschiedlichen Wahrnehmungen der Realität scheitert und ist dabei konsequent, aber auch aufgebläht. Die TAG24-Kritik.

In "Der menschliche Faktor" scheitert eine Familie an ihren unterschiedlichen Wahrnehmungen.
In "Der menschliche Faktor" scheitert eine Familie an ihren unterschiedlichen Wahrnehmungen.  © Farbfilm/Klemens Hufnagl

Nina (Sabine Timoteo, 47), ihr Mann Jan (Mark Waschke) und ihre gemeinsamen Kinder Emma (Jule Hermann) und Max (Wanja Kube) sind eine augenscheinlich moderne, bi­lin­gu­ale und emanzipierte Vorzeigefamilie. Doch es kriselt.

Die Eltern sind gemeinsam in einer großen Agentur für Politikberatung in Hamburg tätig. Die Kinder haben allerlei Freiheiten und können es sich auch immer wieder leisten, Jan und Nina auf der Nase rumzutanzen.

Doch zu großem Ärger kommt es erst, als Nina über die Zeitung erfahren muss, dass Jan einer Partei bei ihrem populistischen Wahlkampf helfen will. Um für Frieden zu sorgen, schlägt der Familienvater ein Wochenende im Ferienhaus an der belgischen Küste vor.

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Doch statt die Wogen zu glätten, sorgt ein Vorfall während des Kurzurlaubs dafür, dass die Fronten sich weiter verhärten. Unbekannte sind in das Haus eingedrungen, behauptet zumindest die in ihrem Sicherheitsgefühl tief verletzte Nina.

Doch stimmt das überhaupt? Jedes Familienmitglied scheint den Vorfall ganz anderes wahrgenommen zu haben...

Der offizielle Trailer zu "Der menschliche Faktor" mit "Dark"-Star Mark Waschke

"Der menschliche Faktor" und das Problem der Subjektivität

Sabine Timoteo (47) und Mark Waschke (50) spielen überragend.
Sabine Timoteo (47) und Mark Waschke (50) spielen überragend.  © Farbfilm/Klemens Hufnagl

In seinem zweiten Film stellt Regisseur Ronny Trocker ("Der Einsiedler") das Bedrohliche im Inneren durch das bedrohliche Äußere dar. Scheitert die (womöglich etwas spießige) Vorstellung einer liberalen deutschen Familie nur wegen eines traumatischen Ereignisses?

Wohl kaum, schließlich schweißen Angst und Unsicherheit zusammen - so auch zunächst in "Der menschliche Faktor". Doch im Moment des Eindringenden bricht auch die familiäre Objektivität. Nina, Jan, Max und Emma spüren in aller Deutlichkeit, dass sie kein großes Ganzes, sondern vier eigenständig wahrnehmende Individuen sind.

Die Dissonanzen werden durch den Vorfall im Zentrum der Filmhandlung sichtbar gemacht und womöglich sogar expandiert. In dem Moment, in dem das Vertrauen und das Gefühl der Einigkeit schwinden, ist die Familie zum Scheitern verurteilt.

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Der Kamera-Einsatz und die farbliche Inszenierung manifestieren den für die Zuschauer manchmal etwas anstrengend detaillierten und langwierigen Prozess der Entfremdung. Subtil wird bildlich klargemacht, wie sehr sich die jeweiligen subjektiven Wahrnehmungen voneinander unterscheiden.

Ist "Der menschliche Faktor" ein Horror-Film?

Nina fühlt sich von ihrem Mann hintergangen,
Nina fühlt sich von ihrem Mann hintergangen,  © Farbfilm/Klemens Hufnagl

Ebenfalls auf unterschwellige Weise erschütternd ist die Medien-Kritik in Trockners Film. Zeitweise scheinen sich die Eltern damit abgefunden zu haben, dass Handy, Tablet und Co. mehr Einfluss auf ihre Kinder haben als sie selbst. Immerhin ist Jan selbst abhängig von seinen Smartphones, wie sollte er Emma und Max also Vorwürfe machen?

Die Entfremdung und Entkopplung in Zeiten des sozial-medialen Überflusses sind die Elemente, die "Der menschliche Faktor" zu einem zeitgemäßen - wenn auch nicht schaurigen - Horror-Film machen. Anders als bei üblichen Vertretern des "Home Inavsion"-Genres braucht es dafür keine brutalen Einbrecher, der Vertrauensbruch genügt.

Dass der Film es trotz seines Feingefühls und seiner in­sze­na­to­rischen Bemühungen nicht schafft, den Zuschauer vollends in seinen Bann zu ziehen, ist umso tragischer, wenn man die bemerkenswerten Leistungen von Mark Waschke ("Dark", Berliner "Tatort") und Sabine Timoteo ("Der Fall Collini", "Das Mädchen und die Spinne") beachtet.

Der Deutsche und die Schweizerin beweisen einmal mehr, dass sie zu den besten Schauspielern zählen, die die deutschsprachige Film- und Fernsehwelt zu bieten hat.

Das Vertrauen zwischen Jan und Nina bröckelt.
Das Vertrauen zwischen Jan und Nina bröckelt.  © Farbfilm/Klemens Hufnagl

Doch nicht nur die verschiedenen Perspektiven, sondern auch das zeitliche Verwirrspiel - der Film setzt immer wieder an einem anderen Zeitpunkt der Handlung ein - sind am Ende deutlich zu viel des Guten.

Die Story bekommt quasi keine Chance an Fahrt zu gewinnen, da sie immer wieder unterbrochen wird. Das mag für das Ziel des Filmes zwar eine nette Idee sein, wenn dadurch allerdings kein Spannungsbogen entstehen kann, war die gesamte detailreiche Arbeit umsonst.

Titelfoto: Farbfilm/Klemens Hufnagl

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