"Love, Sex & Pandemic" will mit nackten Geschlechtsteilen schocken, ist aber unfassbar prüde

Deutschland - BDSM, Gangbang, Vergewaltigungsfantasien und überall Penisse: In "Love, Sex & Pandemic", der am 10. Februar in den deutschen Kinos startet, wird so ziemlich jede sexuelle Spielart einmal auf der Leinwand gezeigt. Warum der Film am Ende trotzdem unerträglich prüde daherkommt, erfahrt Ihr in der TAG24-Kritik.

Bartek (Sebastian Dela, 25, l.) fängt bei den "Chippendales" an.
Bartek (Sebastian Dela, 25, l.) fängt bei den "Chippendales" an.  © Kinostar Filmverleih GmbH

"Bartek ist 24, bei den Zeugen Jehovas und hat noch nie nackte Titten gesehen." Mit diesem Satz stellt Kaja (Anna Mucha, 41) ihren Cousin den beiden Freundinnen Olga und Nora in der ersten Szene vor.

Im Gegensatz zum unerfahren Bartek (Sebastian Dela, 25) werden alle drei als unabhängige und starke Frauen dargestellt, die ihr Leben in vollen Zügen genießen.

Kaja, die als Journalistin arbeitet, trifft am selben Abend auf einen bekannten Pick-Up-Artist namens Johnny (Dawid Czupryński, 33), der gerade live vor Ort seine Klienten coacht.

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Sofort setzt sie sich in den Kopf, dass der Aufreißer das nächste Thema für einen ihrer Artikel werden soll. Dabei hat sie nicht bedacht, dass Johnny sich das nicht bieten lässt und sie verklagt.

Olga (Zofia Zborowska, 34) bezeichnet sich selbst als Feministin und geht gegen Asylsuchende auf die Straße, weil alle Araber ihrer Meinung nach "Frauenhasser" sind. Doch dann lernt sie den ägyptischen Autoren Baha (Leonardo Marques) kennen und ist sofort hin und weg. Ihrer Freundin Nora (Malgorzata Rozenek, 43) ergeht es ähnlich, als sie bei einem Fotoshooting auf den deutlich jüngeren Alf trifft.

Und auch Bartek wittert seine Chance auf erste sexuelle Erfahrungen, als er zufällig einen Stripper kennenlernt und so die Möglichkeit bekommt, ein Teil der Chippendales zu werden. Dabei ahnen die vier noch nicht, dass die Corona-Pandemie ihr Leben bald komplett auf den Kopf stellen wird ...

Trailer zu "Love, Sex & Pandemic" von Patryk Vega mit Anna Mucha

"Love, Sex & Pandemic" setzt auf chaotische Schnitte und überzeichnete Figuren

Die Beziehung zwischen Nora (Malgorzata Rozenek, 43) und ihrem Lover besteht vor allem aus Sex.
Die Beziehung zwischen Nora (Malgorzata Rozenek, 43) und ihrem Lover besteht vor allem aus Sex.  © Kinostar Filmverleih GmbH

Mit "Love Sex & Pandemic" will der polnische Regisseur Patryk Vega (45) nicht nur mehrere Episoden aus dem Leben vier unterschiedlicher Charaktere erzählen, sondern gleichzeitig ein Sittengemälde über den Verfall der übersexualisierten Gesellschaft kreieren.

Mit beidem scheitert er allerdings gnadenlos.

Schon ab Minute eins stören die eindimensionalen Figuren, denen Vega nur oberflächliche Eigenschaften zugesteht und deren Gefühlswelt er in flache Gespräche verpackt.

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So gibt sich Olga zwar als knallharte Feministin und Ausländerfeindin, ist aber sofort verknallt, sobald ihr der fremde Baha ein paar romantische Zeilen ins Ohr flüstert.

Ähnlich stumpfsinnig sind auch die Sexszenen: Die stellen zwar überraschenderweise meist nicht die Nacktheit der Frauen, sondern ihrer Liebhaber in den Mittelpunkt. Die schiere Flut an männlichen Geschlechtsteilen kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese Sequenzen keinerlei Erotik verspüren.

Stattdessen sind sie äußerst mechanisch inszeniert und porträtieren die Hauptdarstellenden als primitive und dauergeile Nymphomanen.

"Love, Sex & Pandemic" wird ab der zweiten Hälfte noch schlechter

Anna Mucha (41) als Kaja kann als Einzige mit ihrem Schauspiel überzeugen. Gegen das schlechte Drehbuch kommt aber auch sie nicht an.
Anna Mucha (41) als Kaja kann als Einzige mit ihrem Schauspiel überzeugen. Gegen das schlechte Drehbuch kommt aber auch sie nicht an.  © Kinostar Filmverleih GmbH

Die schnellen Handlungssprünge und die unausgereiften, staccatoartigen Schnitte machen es dem Zuschauer sowieso schon schwer, der vollgepackten Geschichte zu folgen.

Als wäre als dies nicht anstrengend genug, packt Vega nach der ersten Stunde auch noch die Moralkeule aus.

Indem er seinen Hauptcharakteren und dem Publikum in einer Kirchenszene seine konservativ religiösen Ansichten zu den Themen Sexualität und Beziehung aufdrückt, verspielt sein Drama jegliche Chance, als mittelmäßiger Exploitationstreifen durchzugehen.

Auch die Mischung aus erfahrenen Schauspielenden und Laiendarstellern bleibt zu großen Teil blass und ausdruckslos.

Einzig Anna Mucha ("Schindlers Liste") macht noch das Beste aus ihrer Rolle und schafft es, glaubwürdige Emotionen auf die Leinwand zu bringen.

Wirkt der Film zu Beginn noch wie ein erzwungener Versuch, ein polnisches "Sex and the City" umzusetzen, wird er ab der Hälfte aufgrund zahlreicher rassistischer und frauenfeindlicher Motive einfach nur unerträglich.

Schon das Filmplakat erinnert an das eines Pornostreifens.
Schon das Filmplakat erinnert an das eines Pornostreifens.  © Kinostar Filmverleih GmbH

Das überbordende Schnittgewitter, die klischeehaften Dialoge und die offensichtliche Doppelmoral des Regisseurs, der auch für das Drehbuch verantwortlich war, machen "Love, Sex & Pandemic" zu einer völlig überladenen Vollkatastrophe. Wenn man ihm etwas zugutehalten will: Er wird sicherlich für kritische Diskussionen sorgen.

Titelfoto: Kinostar Filmverleih GmbH

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