"The Northman" zeigt in wahrem Höllentrip Folter, Massaker und irre Rituale!

Deutschland - Ein Kino-Highlight des Jahres 2022! "The Northman" läuft am 21. April in den deutschen Lichtspielhäusern an und taucht tief in die düstersten Winkel der nordischen Mythologie ab. Die TAG24-Kritik.

Dieses Beisammensein währt nicht lange: Die Wikinger-Königsfamilie um Prinz Amleth (Oscar Novak, l.), Aurvandil (Ethan Hawke, 51, M.) und Gudrun (Nicole Kidman, 54) wird bald auseinandergerissen.
Dieses Beisammensein währt nicht lange: Die Wikinger-Königsfamilie um Prinz Amleth (Oscar Novak, l.), Aurvandil (Ethan Hawke, 51, M.) und Gudrun (Nicole Kidman, 54) wird bald auseinandergerissen.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Alles beginnt im sturmumtosten Nordatlantik im Jahr 895: Mehrere Wikingerschiffe erreichen die heimische Küste. Angeführt werden sie von König Aurvandil (Ethan Hawke, 51). Dessen Sohn, Prinz Amleth (Oscar Novak), rennt begeistert zu seiner Mutter, Königin Gudrun (Nicole Kidman, 54), um ihr von der bevorstehenden Ankunft zu berichten.

Der monatelang abwesende Aurvandil hat fette Beute, etwa unzählige Sklavinnen, mitgebracht. Doch nach der alkoholgetränkten Feier zeigt er Gudrun eine blutende Bauchwunde.

Wenig später geht er mit seinem Sohn zu Heimir (Willem Dafoe, 66), um in einem halluzinogenen Ritual einen Schwur durchzuführen. Sollte jemand den König töten, muss und will Amleth ihn rächen. Genau dieser Fall tritt kurz darauf ein.

"Fast & Furious 10" sehenswert: Die Familie in Gefahr, neuer Bösewicht überrascht!
Filmkritik "Fast & Furious 10" sehenswert: Die Familie in Gefahr, neuer Bösewicht überrascht!

Mehrere Pfeile und Speere durchbohren Aurvandil, sodass ihn dessen Bruder Fjölnir (Claes Bang, 54) enthaupten kann. All das muss der kleine Prinz mitansehen. Er wird entdeckt und verfolgt, schneidet einem Mann die Nase ab und entkommt per Boot.

Rund 30 Jahre später sinnt Amleth (Alexander Skarsgard, 45) noch immer auf Vergeltung und ist ein hasserfüllter sowie muskelbepackter Ruderer in einem Wikinger-Boot. Gemeinsam mit seinen Gefährten vollzieht er am Lagerfeuer eine Verwandlungszeremonie, durch die sie alle zu Bestien, in dem Fall Wölfen, werden.

Furchtlos starten sie den Angriff auf die nächste Festung, nehmen diese ein, metzeln, vergewaltigen und nehmen Sklavinnen und Sklaven. Als Amleth zufällig mitbekommt, wo er Fjölnir findet, verlässt er seine Schlachtgefährten, mischt sich unter die Gefangenen und trifft dort die mysteriöse Olga (Anya Taylor-Joy, 25), mit der er fortan gemeinsame Sache macht. Und die wird richtig blutig...

Deutscher Trailer zu "The Northman" mit Alexander Skarsgard, Nicole Kidman und Ethan Hawke

"The Northman" ist der bisher beste Film von Regie-Visionär Robert Eggers

Prinz Amleth (Alexander Skarsgard, 45) sinnt auf blutige Rache.
Prinz Amleth (Alexander Skarsgard, 45) sinnt auf blutige Rache.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Diese Geschichte hat Robert Eggers (38, "Der Leuchtturm", "The Witch") klasse umgesetzt. Dem Ausnahme-Filmemacher ist sein bisher bestes Werk gelungen.

Der Genremix reißt von Beginn an mit, weil die Hauptthemen wie Rache, Familie oder menschliche Grausamkeit universell verständlich sind. So kann man der Grundstruktur von "The Northman" leicht folgen.

Doch darunter hat Eggers mehrere tiefergehende Ebenen eingebaut, die das Publikum intellektuell fordern. Schließlich werden hier unzählige Motive der nordischen Mythologie behandelt und stilistisch (im positiven Sinne) eigenwillig umgesetzt.

"Irgendwann werden wir uns alles erzählen": Film über eine ungleiche Liebe nach der Wende
Filmkritik "Irgendwann werden wir uns alles erzählen": Film über eine ungleiche Liebe nach der Wende

Ob brachial inszenierte Kämpfe, geisteskranke Bräuche, Wahrsagereien, Hexereien, das Machtgefälle oder der extreme Aberglaube der damaligen Zeit: Storytechnisch und visuell ist während der gesamten 136 Minuten für Abwechslung gesorgt.

Zudem zeigt Eggers auf, wie brutal Menschen unterdrückt wurden und wie abhängig ihr Leben von körperlich stärkeren Kriegern war. Das hinterfragt der Regisseur ebenso, wie den Sinn des Daseins. Des Weiteren baut er viele weitere existenzielle Dinge in sein Werk ein. Dabei wirkt es trotzdem nicht überladen. Dennoch kann man beim ersten Anschauen nicht alle Details entdecken.

1. Originaltrailer zu "The Northman" mit Anya Taylor-Joy, Claes Bang, Björk und Willem Dafoe

2. Originaltrailer zu "The Northman" von Robert Eggers mit Alexander Skarsgard

"The Northman" begeistert mit einer düsteren Bildpracht und genialen visuellen Einfällen

Fjölnir (Claes Bang, 54) hat seinen Bruder Aurvandil (Ethan Hawke, 51) ermordet.
Fjölnir (Claes Bang, 54) hat seinen Bruder Aurvandil (Ethan Hawke, 51) ermordet.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Das macht den Film aber noch interessanter, denn er dürfte einem bei der zweiten oder dritten Sichtung noch mehr zu bieten haben, weil man den Ausgang dann kennt und sich besser auf die vielen Anspielungen konzentrieren kann.

Beeindruckend ist dabei, wie kompromisslos Eggers seine düstere Machart durchzieht und wie genial der Visionär zu inszenieren vermag. Es gibt nicht viele Regisseure, deren Stil so unverwechselbar ist und sich so erkennbar von der Masse abhebt.

Wie er die packend-treibende Musikuntermalung mit den detailverliebten Kostümen, den brillant eingefangenen Locations, dem aufwendigen Make-up und dem durchdachten Szenebild komponiert, ist ganz großes Kino! Gerade der Score ist mit seinen rhythmischen Trommelklängen oder dem beklemmenden Kehlkopfgesang sehr eingängig.

Darüber hinaus rockt die düstere Farbgebung mit einigen feurigen Highlights. Besonders hervorzuheben ist allerdings die Kameraführung von Jarin Blaschke (43, "Der Leuchtturm", "The Witch"), durch die man in Kampf- oder Folterszenen mittendrin im Geschehen ist. Auch die Nahaufnahmen der Gesichter tragen viel zur extrem dichten sowie bedrohlichen Atmosphäre von "The Northman" bei.

Wegen der Brutalität und vieler verstörender Sequenzen wurde der Film übrigens völlig zu Recht erst ab 16 Jahren freigegeben. Wer leichte Kost sucht, ist hier definitiv falsch aufgehoben. Wer allerdings bereit für einen wahren Wikinger-Epos mit einer fantastischen Bildsprache ist und sich auch von dem halluzinogenen Höllentrip nicht abschrecken lässt, ist hier an der richtigen Stelle.

Die intelligente Olga (Anya Taylor-Joy, 25) unterstützt Amleth (Alexander Skarsgard, 45), wo sie nur kann.
Die intelligente Olga (Anya Taylor-Joy, 25) unterstützt Amleth (Alexander Skarsgard, 45), wo sie nur kann.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED
In Sachen Kostüme, Szenebild, Ausstattung, Atmosphäre und Düsternis macht Regisseur Robert Eggers (38) niemand etwas vor. Hier ist Björk (56) als wahrsagende Hexe Seeress zu sehen.
In Sachen Kostüme, Szenebild, Ausstattung, Atmosphäre und Düsternis macht Regisseur Robert Eggers (38) niemand etwas vor. Hier ist Björk (56) als wahrsagende Hexe Seeress zu sehen.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Alexander Skarsgard überzeugt in "The Northman" mit purer körperlicher Power

Mit ihm sollte man sich besser nicht anlegen: In der Schlacht lässt Muskelpaket Amleth (Alexander Skarsgard, 45) seinen niedersten Trieben freien Lauf.
Mit ihm sollte man sich besser nicht anlegen: In der Schlacht lässt Muskelpaket Amleth (Alexander Skarsgard, 45) seinen niedersten Trieben freien Lauf.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Das liegt auch an den starken schauspielerischen Leistungen. Skarsgard ("Niemandsland - Aftermath") kommt vor allem über seine körperliche Wucht und Präsenz. Ihm kauft man locker ab, dass er all die physisch anstrengenden bzw. anspruchsvollen Sachen tut, die seine Figur im Film beherrscht.

Doch auch mimisch baut er einige Feinheiten ein, wodurch man erkennt, dass es hinter der wahlweise beherrschten, dann wieder hassverzerrten bzw. wahnsinnigen Fassade brodelt. Dies wiederum führt dazu, dass man sich (zumindest teilweise) mit seinem Charakter identifizieren kann, obwohl er entsetzliche Dinge tut.

Neben ihm überzeugen auch Taylor-Joy ("Last Night in Soho"), Bang ("Verschwörung"), Hawke ("Training Day") und Kidman ("Bombshell - Das Ende des Schweigens").

Doch die heimlichen Stars sind Dafoe ("Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit"), Björk (56) und besonders Ingvar Sigurdsson (58, "Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen"), die den Stars bei ihren Kurzauftritten die Show stehlen. Darüber hinaus sind das starke Drehbuch und die präzisen Dialoge weitere Stärken dieses Werkes, das einen mit seiner düsteren Bildpracht optisch überwältigt.

Es gibt nur eine Schwäche: Emotional reißt "The Northman" nicht vollends mit, obwohl Eggers einen weiteren Schritt in Richtung Publikum gegangen ist und seine Ideen noch eine Spur verständlicher umgesetzt hat. Am Ende dieses Weges ist er allerdings noch nicht angekommen. Denn auch dieser Film ist einen Tick zu abgedreht und geisteskrank, weshalb man ihn aus einer gewissen Distanz betrachtet.

Eine geniale Szene: Ingvar Sigurdsson (58) spielt einen großartig gestylten Zauberer.
Eine geniale Szene: Ingvar Sigurdsson (58) spielt einen großartig gestylten Zauberer.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED
Leichter Schneefall, sturmumtoste See, prunkvolle Helme und Gewänder: "The Northman" zählt visuell fraglos zu den besten Filmen des Jahres.
Leichter Schneefall, sturmumtoste See, prunkvolle Helme und Gewänder: "The Northman" zählt visuell fraglos zu den besten Filmen des Jahres.  © PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Zusammengenommen ist "The Northman" ein Werk voll düsterer Poesie geworden, das mit seiner prächtigen Optik zu imponieren weiß und tief in die dunkelsten Winkel der nordischen Mythologie vordringt. Geheimnisvoll, irre, fesselnd und auch ein Stück weit rätselhaft. Gerade auf einer großen Leinwand sehenswert, sofern man mit den vielen bestialischen Szenen zurechtkommt.

Titelfoto: PR/2022 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED

Mehr zum Thema Filmkritik: