"Und morgen die ganze Welt": Antifa-Demo gegen Neonazis eskaliert!
Deutschland - Es brodelt! Nicht nur in der politischen Realität, sondern auch im deutschen Drama "Und morgen die ganze Welt", das am heutigen 10. Juni 2022 seine Free-TV-Premiere um 20.15 Uhr bei Arte feiert. Lest hier noch einmal die ausführliche TAG24-Filmkritik zum damaligen Kinostart vom 29. Oktober 2020.

Streamen könnt Ihr ihn bereits jetzt und bis zum 7. September 2022 in der >>Mediathek.
Alles beginnt mit dem Grundgesetz, Artikel 20, wo in Absatz 1 steht: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."
Unter Absatz 4 desselben Artikels steht zudem geschrieben: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."
Diese Zeilen stehen sinnbildlich für den Film und seine Hauptfiguren. Im Zentrum befinden sich dabei die Jura-Studentin Luisa (Mala Emde, 26) und ihre langjährige beste Freundin Batte (Luisa-Celine Gaffron, 29), deren antifaschistischer Gruppierung sich Luisa in Mannheim anschließt.
Denn sie ist entsetzt vom Rechtsruck der Gesellschaft, dem Nährboden, den der Populismus bekommt und der immer wütender werdenden Stimmung. Während Batte und anfangs auch Luisa gegen Gewalt sind, gehen die beiden Antifa-Anführer Alfa (Noah Saavedra, 31) und Lenor (Tonio Schneider, 31) deutlich rigoroser gegen rechte Parteien wie die "Liste 14" vor, die das ausgedachte Pendant zur AfD darstellt.
Es kommt schon bei Luisas erster Demonstration zum Handgemenge, bei dem sie sich das Handy eines Neonazis schnappt. Der verfolgt sie anschließend wutentbrannt, wirft sie nieder, belästigt sie sexuell und packt sie an, bis Alfa ihn mit einer Stange niederschlägt und zusammen mit Luisa flieht. Doch das war erst der Auftakt eines politischen Pulverfasses, das zu explodieren droht ...
Trailer zu "Und morgen die ganze Welt" mit Mala Emde, Noah Saavedra und Tonio Schneider
"Und morgen die ganze Welt" trifft mit seinem politisch brisanten Ansatz den Zeitgeist

Diese Geschichte hat Julia von Heinz (46, "Ich bin dann mal weg", "Hannas Reise", "Was am Ende zählt") klasse umgesetzt. Der Berliner Regisseurin ist ein eindringliches Drama gelungen, das dank seiner politischen Brisanz und aktuellen Thematiken den Zeitgeist trifft.
Denn obwohl es nur die Antifa näher beleuchtet, ist es keineswegs einseitig, weil hier viele verschiedene Personen mit unterschiedlichen Ansichten porträtiert werden.
Während Batte exemplarisch für die Idealform einer engagierten jungen Frau aus dem linken Spektrum steht, die sich für Menschlichkeit und gegen Extremismus einsetzt, entwickelt sich Luisa von diesem anfänglichen Standpunkt aus und wird immer extremistischer.
Auf diesem Level befinden sich die beiden desillusionierten Anführer schon länger. Von Heinz arbeitet diese verschiedenen Strömungen und die daraus folgenden Diskussionen sowie Streitgespräche gelungen und vor allem glaubwürdig heraus.
Das Entsetzen über die politische Lage ist ihrem realitätsnah gehaltenen und stellenweise dennoch klug zugespitzten Werk anzumerken. In den schlagfertigen und dem Alter ihrer Figuren angemessenen Dialogen wird dies immer wieder deutlich. So sagt Alfa an einem Punkt: "Gewaltfreier Widerstand gegen Nazis? Das ist absoluter Schwachsinn." Diese Einstellung bringt ihn natürlich gleich mehrfach in äußerst brenzlige Situationen.

Mala Emde zeigt in "Und morgen die ganze Welt" eine überragende Leistung!

Von Heinz beleuchtet ihre Charaktere und deren verschiedene Motive gründlich, weshalb ihr Film auch als kluge Milieustudie einer besorgten jungen Generation funktioniert und zu Recht der deutsche "Oscar"-Kandidat für 2021 war.
Dass er trotz kleinerer Durchhänger und dramaturgischer Holprigkeiten so gut funktioniert, liegt auch am starken Cast. Hier ist vor allem Emde ("Charité", "Lara", "303") hervorzuheben, die die Vielseitigkeit ihrer Protagonistin in all ihren Details sehr gut verkörpert und das Drama somit scheinbar mühelos trägt.
An ihrer Seite setzen auch Saavedra ("Egon Schiele - Tod und Mädchen"), Schneider ("Zimmer ohne Aussicht"), Gaffron ("Persischstunden") und Andreas Lust (55, "Lindenberg! Mach dein Ding") als Antifaschist, der sich zur Ruhe gesetzt hat, gekonnt eigene Akzente.
Sie werden dabei entscheidend von der exzellenten Kameraarbeit von Daniela Kapp ("Das schönste Paar") unterstützt, die immer nah am Geschehen dran ist, weshalb man das Gefühl hat, mittendrin zu sein. Das wiederum erleichtert den Zuschauenden auch den emotionalen Einstieg. Deshalb geht man voll mit und verfolgt die aufregende Handlung dank der gelungenen Spannungskurve gebannt.
Da auch die detailverliebte Ausstattung, die stimmigen Locations, die traumwandlerische Musikuntermalung und der Schnitt des 111 Minuten langen Werkes überzeugen, ist "Und morgen die ganze Welt" einer der deutschen Filme des Jahres 2020 geworden, den man nicht verpassen sollte!
Titelfoto: PR/Alamode Filmverleih