Kinodoku zu Alice Schwarzer startet: "Das ist doch 'ne Primitivvorstellung!"

Köln - Menschen von Anfang 20 oder auch Anfang 30 können sich vermutlich nicht ausmalen, wie noch vor wenigen Jahrzehnten in Deutschland über Frauen gesprochen wurde.

Alice Schwarzer (79) in einer Szene des Dokumentarfilms von Sabine Derflinger (59).
Alice Schwarzer (79) in einer Szene des Dokumentarfilms von Sabine Derflinger (59).  © -/Derflinger Film/ Mizzi Stock Entertainment /dpa

Einen Eindruck davon verschafft der Kino-Dokumentarfilm "Alice Schwarzer" von Sabine Derflinger (59), der Donnerstag (15. September) anläuft.

So druckte der "Spiegel" 1976 folgende Zuschrift eines Lesers aus Karlsruhe ab: "Sollte sich tatsächlich einmal ein Mann bereitfinden, es der Alice zu besorgen, dass die Heide weint - ich wette, Deutschland hätte eine 'Frauenrechtlerin' weniger."

Wenn man die Männer damals auf ihr Verhalten ansprach, reagierten sie häufig mit beleidigter Aggressivität, so als wären sie diejenigen, denen Unrecht angetan würde.

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Der Film zeigt eine Reihe von Beispielen, die im Rückblick durchaus auch einen gewissen Unterhaltungswert haben. Höhepunkt ist ein TV-Interview mit "Stern"-Gründer Henri Nannen (†82), der danach gefragt wird, warum ständig nackte weibliche Models auf dem Cover zu sehen seien.

Der Zigarette rauchende Verleger wird daraufhin ziemlich fuchsig: Dass man damit die Absicht hege, "dadurch Käufer aufzugeilen oder anzulocken, das ist doch 'ne Primitivvorstellung!"

Nachfrage: "Also Sie machen's wirklich nur aus Spaß?" Antwort: "Wir machen's, wenn es sich aus dem Thema ergibt."

Archivfunde machen den Film sehenswert

Der Film über das Leben der bedeutendsten Frauenrechtlerin der deutschen Nachkriegsgeschichte kommt am 15. September in die deutschen Kinos.
Der Film über das Leben der bedeutendsten Frauenrechtlerin der deutschen Nachkriegsgeschichte kommt am 15. September in die deutschen Kinos.  © -/Derflinger Film/ Mizzi Stock Entertainment /dpa

Daraufhin werden offenkundige Gegenbeispiele von nackten oder halbnackten Frauen ohne inhaltlichen Bezug eingeblendet sowie ein Titel mit der ebenfalls unbekleideten schwarzen Schauspielerin Grace Jones (74) mit Eisenketten an den Füßen.

"Frauen behängen sich ja gelegentlich mit Ketten", ist Nannens Kommentar dazu. "Ich find' das zum Teil sehr schön. Hier hat es sicherlich 'ne andere Bedeutung."

Es sind solche Archivfunde, die den Film sehenswert machen. Sie stehen für sich, werden nicht kommentiert. Dass sich Schwarzer trotz aller Anfeindungen eine Grundfröhlichkeit und Neugier auf Menschen bewahrt hat, wird man durchaus als überraschend bezeichnen dürfen.

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Es steht außer Frage, dass sich Alice Schwarzer (79) als bedeutendste Frauenrechtlerin der deutschen Nachkriegsgeschichte Verdienste erworben hat.

Leider widersteht die preisgekrönte österreichische Filmemacherin Derflinger jedoch nicht der Versuchung, ihr einen Heiligenschein aufzusetzen.

Zweiteiler über die jungen Jahre bald im Ersten

So werden die erbitterten Lagerkämpfe unter den Feministinnen nur gestreift. Ein zweites Manko des Films ist, dass er erhebliche Längen vor allem in der zweiten Hälfte aufweist.

Deutlich wird: In dieser Lebensgeschichte steckt allemal Stoff für einen richtigen Kinofilm, eine Dramatisierung mit Schauspielern. Tatsächlich ist gerade ein Fernsehfilm über die jungen Jahre von Alice Schwarzer mit Nina Gummich (31, "Charité", "Unterleuten") in der Hauptrolle abgedreht worden.

Der Zweiteiler soll Ende dieses Jahres im Ersten zu sehen sein.

Titelfoto: -/Derflinger Film/ Mizzi Stock Entertainment /dpa

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