Eurovision Song Contest 2021: Auf zum nächsten deutschen Debakel!

Rotterdam - Die nächste deutsche Blamage beim "Eurovision Song Contest" (ESC) in diesem Jahr steht uns (leider) bevor. Da dachte man, das NDR-Team hat aus der Vielzahl an Fehlern der letzten Jahre gelernt. Und dann zaubern die beiden ominösen "Experten-Jurys" Jendrik Sigwart (26) aus dem Hut. Na klasse. Ein Kommentar.

Der lustige Jendrik Sigwart (26) wird mit seinem freakigen Song "I Don't Feel Hate" aller Voraussicht nach sehr, sehr wenige Punkte für Deutschland einfahren.
Der lustige Jendrik Sigwart (26) wird mit seinem freakigen Song "I Don't Feel Hate" aller Voraussicht nach sehr, sehr wenige Punkte für Deutschland einfahren.  © NDR/Hendrik Lüders

Ach ja, wie schön es doch gewesen wäre, wenn Deutschland nach der coronabedingten ESC-Absage 2020 auch in diesem Jahr beim weltweit größten Musikwettbewerb mit Ben Dolic (23) und seinem Song "Violent Thing" hätte starten können. Das wurde den Teilnehmerländern aber untersagt. Gleicher Act ja, gleiches Lied nein.

Der Norddeutsche Rundfunk entschied sich, Ben Dolic keine Wildcard zu überlassen, sondern neben ihm auch anderen Musikern die Möglichkeit einer ESC-Teilnahme zu geben. Später stieg Dolic freiwillig aus dem Verfahren aus. Der Anfang vom Untergang.

Vorab sei gesagt, dass Geschmäcker natürlich verschieden sind - gerade im Musikbereich. Allein die Wettquoten sprechen aber schon eine seeehr deutliche Sprache. Dazu später mehr.

Erster Todestag von Andy Fletcher (†60): So emotional war das Depeche Mode-Konzert in Leipzig
Musik News Erster Todestag von Andy Fletcher (†60): So emotional war das Depeche Mode-Konzert in Leipzig

Ja, die Message hinter "I Don't Feel Hate" ("Ich fühle keinen Hass") ist super. Man soll auf Anfeindungen nicht mit Anfeindungen antworten und sein Leben leben, egal wie viel Gegenwind es gibt. Alles gut, keine Frage.

Nur fragt man sich bei diesem vor (zu) übertriebener Fröhlichkeit und (zu) durchgeknallter Crazyness strotzendem Werk samt einer mit 4000 Strasssteinen besetzten Ukulele doch wirklich, wie schlecht die Konkurrenz beim internen Vorentscheid gewesen sein muss.

20 Musikexperten und 100 eingefleischte Fans - jeweils mit "nachgewiesenem ESC-Instinkt" und dieselben wie 2020 - sollen sich unterm Strich aus 153 Künstlern und 323 verschiedenen Songs nach fünf Songwriting-Camps und drei Jury-Runden für Jendrik entschieden haben. Prost Mahlzeit.

Enorme Sparmaßnahmen beim NDR: Deutschland teilte sich Videodreh-Kosten mit Litauen

Yeah! Alexandra Wolfslast und Thomas Schreiber (61) freuen sich, dass sie einen "super" Song für Deutschland gefunden haben.
Yeah! Alexandra Wolfslast und Thomas Schreiber (61) freuen sich, dass sie einen "super" Song für Deutschland gefunden haben.  © NDR/Hendrik Lüders

Der horrende Kostendruck - der NDR muss bis 2024 rund 300 Millionen Euro einsparen - hatte auch Einfluss auf "I Don't Feel Hate".

Alle Länder mussten ein Musikvideo mit einer Live-Performance vorproduzieren, das im nicht unwahrscheinlichen Fall eines kompletten Zuschauerausschlusses anstelle der Bühnenvorführung gezeigt werden würde. Dieser Plan B soll eine erneute ESC-Absage verhindern.

Für den Dreh reiste die deutsche Delegation nach Litauen und teilte sich die Kosten mit der Band "The Roop", die ihren Clip zu "Discoteque" ebenfalls in dem Eisstadion in der Hauptstadt Vilnius produzierten.

Enorme Ticketpreise: So teuer sind Deutschlands Festivals
Musik News Enorme Ticketpreise: So teuer sind Deutschlands Festivals

Und auch eine Reeperbahn-Show in Hamburg wird es am 22. Mai definitiv nicht geben. Sie wäre wohl ohnehin der Pandemie zum Opfer gefallen. Spart eine sechsstellige Summe.

Jendrik Sigwart sieht "I Don't Feel Hate" als ESC-Hit und redet seine Teilnahme vorsorglich klein

Alle mal bitte aufstehen, die denken, dass Jendrik in Rotterdam gute Chancen auf eine gute Platzierung hat. Okay, danke, Jendrik.
Alle mal bitte aufstehen, die denken, dass Jendrik in Rotterdam gute Chancen auf eine gute Platzierung hat. Okay, danke, Jendrik.  © NDR/Hendrik Lüders

Der Hamburger schreibt seine Songs selbst und spielt sie dann auf seiner Ukulele. "I Don't Feel Hate" war sein erster produzierter, wie er in der NDR-Talkshow bestätigte.

"Ich hab gleich bei der Produktion gesagt 'Ey, das ist ein ESC-Hit.'" Auch die Message "Ich fühle keinen Hass", also auch auf entgegengebrachten Hass nicht mit Hass zu reagieren, sei wichtig.

Sigwart gehe es in Rotterdam übrigens nicht ums Gewinnen. Wird er zu 99 Prozent ja auch nicht. "Das Wichtigste ist, dass man Spaß hat. An erster Stelle steht das Feiern von Musik und Gemeinsamkeit."

Das werden viele Fans und sicher auch die deutsche Delegation etwas anders sehen. Schließlich buttert Deutschland als einer der ESC-Hauptgeldgeber ordentlich Cash in den Wettbewerb. Und will Resultate sehen.

Die ließen in den letzten Jahren oft auf sich warten!

Seit 2005 landete Deutschland viermal auf dem letzten oder punktgleich mit dem letzten Platz. Seit 2013 (Cascada - "Glorious") reihte sich die Bundesrepublik mit Ausnahme von Michael Schulte 2018 ("You Let Me Walk Alone") immer auf einem der hintersten Plätze ein. Mit insgesamt sieben letzten Plätzen sind wir übrigens das Land, das am vierthäufigsten ganz hinten landete. Als bevölkerungsreichste Nation Europas. Stark.

Die Wettquoten: Deutschland auf dem Kellerboden, Nachbarland Schweiz einer der Favoriten

Der Eurovision Song Contest findet im Mai in der Rotterdamer Ahoy Arena statt.
Der Eurovision Song Contest findet im Mai in der Rotterdamer Ahoy Arena statt.  © PR/Rotterdam Ahoy

Die Wettanbieter sind schon wieder heiß und haben ihre Quoten in den letzten Tagen mehr und mehr fixiert.

Zum derzeitigen Stand kristallisieren sich die Schweiz mit dem Sänger Gjon's Tears ("Tout I'Univers") sowie Malta (Destiny - "Je Me Casse") als Favoriten heraus. Für das Alpenland könnte es der dritte Sieg nach Lys Assia zum Auftakt 1956 und Celine Dions Triumph im Jahr 1988 werden. Zuletzt gab es mit Luca Hännis "She Got Me" einen starken vierten Rang in Israel.

Um Deutschland zu finden, muss man ein ganzes Stück nach unten scrollen. Mit Stand 19. März, 15 Uhr, wird Jendrik auf Platz 34 von 40 mit einer Gewinnchance von unter einem Prozent gelistet.

Da nach den beiden Halbfinals aber nur 26 Nationen am Finale teilnehmen, kann man sich schon denken, wo wir landen werden. Ziemlich weit hinten. Mal wieder.

Jendrik Sigwart mit "I Don't Feel Hate"

"Violent Thing": Mit diesem Song hätte Ben Dolic beim ESC 2020 antreten sollen

TAG24-Redakteur Nico Zeißler ist seit Jahren ESC-Fan. Umso enttäuschter ist er über einen erneut wenig vielversprechenden deutschen Beitrag.
TAG24-Redakteur Nico Zeißler ist seit Jahren ESC-Fan. Umso enttäuschter ist er über einen erneut wenig vielversprechenden deutschen Beitrag.  © privat

Die beiden Halbfinals des ESC finden am 18. und 20. Mai statt. Aus diesen qualifizieren sich insgesamt 20 Nationen neben den gesetzten (Deutschland, Niederlande, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien) fürs Finale, das am 22. Mai (21 Uhr/ARD) live aus der Rotterdamer Ahoy Arena gesendet wird.

Titelfoto: Bildmontage: NDR/Hendrik Lüders

Mehr zum Thema Musik News: