Bei diesem Chemnitzer Künstler wird die Morgenpost zur Kunst
Chemnitz - Dunkle Farben, grafische Formen und schablonierte Figuren - die künstlerische Handschrift von Michael Morgner (80) ist unverkennbar. Wer näher an seine Bilder herantritt, stellt auf den zweiten Blick fest: Unter den Händen des Künstlers aus Chemnitz wird sogar die Morgenpost zu Kunst.
Flächendeckend aufgeklebt auf Leinwände bilden Zeitungsseiten die farbige Basis, bevor der Maler seine Arbeit mit braunem Asphaltlack und pechschwarzer Tusche beginnt. "Die Morgenpost brauche ich für meinen Adrenalinspiegel", scherzt Morgner.
"Die Zeitung repräsentiert für mich die Jetztzeit, vor deren Hintergrund meine Bilder entstehen. Und die durchschimmernden Seiten bringen so eine eigenartige Farbigkeit hinein."
So wachsen Morgners Werke schichtweise wie eine transparente Collage: Auf hauchzartem Seidenpapier überdecken Ornamente und Figuren die MOPO-Grundierung. "Wenn mir dabei das Gesicht von Trump oder der Zschäpe entgegen schaut, mache ich auch mal bewusst einen Bogen."
Pechschwarze Tusche bringt strenge grafische Elemente über die ganze Fläche, bevor die Morgner-typische Finalschlacht beginnt: "Einen Teil der Tusche entferne ich wieder und spritze dafür das ganze Bild mit dem Gartenschlauch ab." Dabei setzt er nicht nur sein Atelier in Einsiedel unter schwarz gefärbtes Wasser, sondern weicht sich auch selbst von Kopf bis Fuß ein. "Ich habe in meiner Jugend als alter Meister angefangen - jetzt geht es bei mir zu wie im Gulag. Jedes Bild eine Grippe."
Wie diese frühen Werke aussahen, als Morgner noch farbig malte, und wie sich sein Schaffen als einer der prägenden Chemnitzer Künstler mit den Jahren veränderte, ist bald in einem Werkverzeichnis gespiegelt, das 600 Bilder und Plastiken enthalten wird und im Juli im Hatje Cantz Verlag erscheint.
Titelfoto: Uwe Meinhold