DKW & MZ: Vor 100 Jahren Aufstieg zur weltgrößten Motorradschmiede

Chemnitz/Zschopau - Zum Jubiläum von DKW & MZ hat Frieder Bach in seiner Werkstatt einige Register gezogen. Durch Zufall war ihm eine Skizze des ersten kompletten Rennmotorrades der Firma DKW in die Hände gefallen. Und Originalteile hatte der Chemnitzer Motorrad-Enthusiast genügend im Regal.

Im Museum für sächsische Fahrzeuge werden Motorräder der Marke DKW gezeigt.
Im Museum für sächsische Fahrzeuge werden Motorräder der Marke DKW gezeigt.  © Ralph Kunz

Rund ein halbes Jahr habe er gebraucht, um die Maschine von 1922 auferstehen zu lassen, erzählt der 79-Jährige und fügt lächelnd an: "Wenn man sein Leben lang nichts weiter macht wie Motorräder zu restaurieren, ist das kein Problem." Etwa Tempo 85 habe die Rennmaschine geschafft, Teile des Rahmens sind aus Holz, um Gewicht sparen, und auf ein Getriebe wurde damals verzichtet.

Rennen waren für Fahrzeughersteller aus vielerlei Gründen wichtig. Einerseits brachten ihnen Siege Bekanntheit und kurbelten den Absatz an; andererseits halfen sie Konstrukteuren, die mitunter selbst Rennen fuhren, die Maschinen technisch zu verbessern. So steht Bachs Nachbau für den Aufstieg Sachsens zur zeitweiligen Motorradschmiede Nummer 1 in der Welt, der maßgeblich vor 100 Jahren begann.

Um 1900 sind Tüftler vielerorts beseelt von der Motorisierung auf zwei Rädern - Fahrräder bekommen Hilfsmotoren verpasst und eigene Motorradkonstruktionen entstehen. Dafür stehen Namen wie Harlé, Presto, Diamant und Elster, aber vor allem Wanderer in Chemnitz und NSU in Neckarsulm. Ab den 1920er Jahren sorgen auch Motorräder aus Zschopau für schnellere Fortbewegung auf den Straßen.

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Zum Ingenieurstudium hatte es den Dänen Jörgen Skafte Rasmussen (1878-1964) nach Sachsen verschlagen, Anfang des 20. Jahrhunderts gründete er sein erstes Unternehmen. In einer früheren Tuchfabrik in Zschopau stellte er zunächst Haushaltsgeräte her, im Ersten Weltkrieg Zündkapseln und Granatzünder. Es folgten Versuche zu Autos mit Dampfantrieb, sogenannte Dampf-Kraft-Wagen. Die waren zwar nicht von Erfolg gekrönt, begründeten aber den Markennamen DKW. Auf der Suche nach einer Produktion für die Friedenszeit setzte die Firma dann auf Spielzeugmotoren, woraus ein Hilfsmotor für Fahrräder hervorging. Er wurde auf dem Gepäckträger montiert und im Volksmund "Arschwärmer" genannt.

Von da war der Weg zum Motorrad nicht mehr weit. Von 1922 an fertigte DKW erste komplette Motorräder und stieg in den Folgejahren nach Angaben von Experten zum weltgrößten Hersteller auf. Nicht nur technisch sei das Unternehmen ganz vorn dabei gewesen, erklärt Bach, der mehrere Bücher verfasst hat. Rasmussen habe auch in Produktion und Verkauf Innovationen forciert.

"Was Ford in Amerika mit dem Auto gemacht hat, wollte er in Deutschland auf das Motorrad übertragen." Dazu gehörte die Produktion per Fließband, wie sie im Fahrzeugmuseum Chemnitz nachgestellt ist. Später konnten die Zweiräder auch per Ratenzahlung erworben werden, sodass sie für mehr Menschen erschwinglich wurden.

Zschopau gelingt nach dem Zweiten Weltkrieg ein Neustart in der Motorradproduktion

Die Kürzel DKW und MZ stehen für große sächsische Motorradtradition. Heute sind Maschinen dieser Marken nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu haben oder im Museum zu sehen.
Die Kürzel DKW und MZ stehen für große sächsische Motorradtradition. Heute sind Maschinen dieser Marken nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu haben oder im Museum zu sehen.  © Hendrik Schmidt/dpa

300 Motorräder liefen 1928 täglich in Zschopau vom Band. Das Unternehmen erweiterte sein Programm auf Autos und wurde 1932 Teil der Auto Union - zusammen mit Audi, Horch und Wanderer. In den 1930er Jahren profitierte auch die Motorradsparte von der forcierten Motorisierung jener Zeit. So wächst der Bestand an Kraftfahrzeugen in Deutschland von 1932 bis 1938 auf mehr als das Doppelte. Dabei sind Motorräder verbreiteter als Autos, wie das Zwickauer Horch-Museum in seiner Ausstellung dokumentiert. Demnach gab es in Deutschland damals gut 1,86 Millionen Motorräder gegenüber knapp 1,5 Millionen Pkw. Auch in anderen Ländern waren Motorräder "Made in Saxony" gefragt, sodass sich die Exportzahlen in den 1930er Jahren vervielfachten.

Trotz Zerstörungen und Demontagen von Produktionsanlagen gelingt in Zschopau nach dem Zweiten Weltkrieg ein Neustart in der Motorradproduktion. Die Maschinen mit dem Kürzel MZ - kurz für Motorradwerk Zschopau - gelten als robust und zuverlässig und werden in rund 100 Länder exportiert. In der DDR werden auch in Südthüringen zunächst Motorräder vom Typ AWO gebaut, 1961 die Fertigung in Suhl jedoch zugunsten Zschopaus eingestellt und bei Simson stattdessen auf Mopeds und Motorroller wie Spatz, Schwalbe sowie S50 und S51 gesetzt.

Nach der Wiedervereinigung und der Einführung der D-Mark fällt der bisherige Preisvorteil für die Motorräder weg und es drängen westliche Marken auf ostdeutsche Straßen. Die Treuhandanstalt liquidiert das Werk in Zschopau, mehrere Neustartversuche sind nicht von dauerhaftem Erfolg, sodass die Motorradproduktion schließlich endet. Hoch gehalten wird sie allerdings von vielen Enthusiasten und Bastlern vor allem in Ostdeutschland, die liebevoll ihre DKW- und MZ-Maschinen pflegen. Auch in Sachsens Museumslandschaft hat dieses Kapitel Industrie- und Fahrzeuggeschichte einen festen Platz - nicht nur in Chemnitz und Zwickau.

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So beherbergt Schloss Augustusburg eine üppige Motorradsammlung. Noch bis Mitte Januar zeigt das Renaissanceschloss zum Jubiläum die Schau "Ära des Straßenrennsports". Schloss Wildeck in Zschopau widmet bis Jahresende der örtlichen Motorradtradition eine Sonderausstellung und das Fahrzeugmuseum Chemnitz rückt nach seiner DKW-Jubiläumsschau nun Motorräder der 1920er Jahre aus dem Hause Schüttoff ins Rampenlicht.

Neu in dem Reigen ist das Deutsche Enduro-Museum, das im Frühjahr auf dem einstigen Zschopauer Werksgelände geöffnet hat und dort den Motorrad-Geländesport beleuchtet. Die Initiatoren planen, das Ganze auszuweiten und künftig auch ehemalige Produktionsanlagen zu zeigen.

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa

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