Location-Schmu, weil Leipzig angeblich vielfältiger ist! ZDF dreht Chemnitz-Serie ohne Chemnitz

Chemnitz - Es ist wie in einem schlechten Film: Gerade haben die Dreharbeiten für eine internationale TV-Serie begonnen, bei der Chemnitz die Hauptrolle spielt. Doch gedreht wird in ...

Eigentlich wäre genug Kulisse für eine TV-Serie über die Stadt vorhanden.
Eigentlich wäre genug Kulisse für eine TV-Serie über die Stadt vorhanden.  © Kristin Schmidt

Die fiktive Handlung: Nachdem es in Schweden gut funktioniert, soll die totalüberwachte Modellstadt ,Concordia' weltweit nachgeahmt werden. Den Auftakt macht Chemnitz.

Die millionenschwere Serie ist eine internationale Co-Produktion von Intaglio Films mit den Joint Venture-Partnern Beta Gruppe, ZDF Studios, France Télévisions, MBC und Hulu (Japan).

"Die Dreharbeiten zur Dramaserie sind gestartet und finden in Rom, Norditalien und in Leipzig statt", informiert eine ZDF-Sprecherin.

Chemnitz: Mehr Grün für Chemnitzer Haltestellen
Chemnitz Mehr Grün für Chemnitzer Haltestellen

Und wo bleibt Chemnitz? Denn hier haben die Macher recherchiert.

Das ZDF: "Neben Chemnitz gibt es noch weitere Spielorte in der Serie. Dazu gehören unter anderem Leipzig und Dresden. In Leipzig haben wir eine große Vielfalt an Motiven gefunden, welche unsere Serie glaubwürdig und abwechslungsreich machen wird. Ergänzt durch eine immer weiter anwachsende Filmindustrie vor Ort und eine gute Infrastruktur, bildet Leipzig so den idealen Ankerpunkt für die Umsetzung unseres Projektes."

Den Filmemachern ist Leipzig das bessere Chemnitz ...
Den Filmemachern ist Leipzig das bessere Chemnitz ...  © Alexander Bischoff
Das erste Foto von den Dreharbeiten des Chemnitz-Films: Die Darsteller Steven Sowah (v.l.), Christiane Paul, Ruth Bradley, Nanna Blondell.
Das erste Foto von den Dreharbeiten des Chemnitz-Films: Die Darsteller Steven Sowah (v.l.), Christiane Paul, Ruth Bradley, Nanna Blondell.  © ZDF und Fabio Lovino/Intaglio

Entscheidung für FDP-Politiker Müller-Rosentritt nicht nachvollziehbar

FDP-Politiker Frank Müller-Rosentritt (40, FDP)
FDP-Politiker Frank Müller-Rosentritt (40, FDP)  © Ralph Kunz

"Diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar und gehört dringend korrigiert!", sagt der Chemnitzer FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt (40).

"Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk regelmäßig einseitig berichtet und die Sachlage nicht immer 100 % abbildet, kennen wir. Dass das ZDF nun aber eine internationale Serie über Chemnitz dreht und alle Szenen in Leipzig gedreht werden, schlägt dem Fass den Boden aus. Chemnitz ist eine tolle weltoffene Stadt mit herausragenden Kulissen und wird sogar 2025 europäische Kulturhauptstadt. Dieser unfassbare unwissende Blick durch die Hauptstadtbrille ist einer der Gründe, warum die Menschen sich zunehmend von deren Programmen abwenden. Ich lade gern alle verantwortlichen Redakteure persönlich nach Chemnitz ein, um sie von der Schönheit unserer Stadt zu überzeugen!"

Doch es kommt noch schräger: ",Concordia' wurde im Rahmen unserer Fördersitzung vom 7. September 2022 mit insgesamt 700.000 Euro in der Produktion gefördert", sagt eine Sprecherin der Mitteldeutschen Medienförderung ein (Sitz in Leipzig) auf Anfrage.

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"Davon kommen 300.000 Euro aus der Zusatzförderung Sachsen, die durch Steuermittel auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes finanziert wird."

Filmreif vorgetäuscht

Kommentar von Torsten Hilscher

Filmreif ist das, was da das ZDF in Sachen Chemnitz abliefert: Da soll eine Fernseh-Serie in Chemnitz spielen. Gedreht wird aber anderswo.

Nun ist die Vortäuschung von Schauplätzen so alt wie der Film selbst: Die schönen Winnetou-Filme der 1960er entstanden in Kroatien, das Kreuzberg von "Herrn Lehmann" nach Sven Regeners West-Berlin-Roman wurde zum Teil in Köln nachgebaut, Philadelphia muss oft als New-York-Kopie herhalten, weil ein Dreh zwischen Manhattan und Brooklyn unbezahlbar ist.

Und vor allem Berlin war vielfach Kulisse für ganz andere Metropolen. Gar nicht zu reden von der Filmstadt Babelsberg in Potsdam, wo seit mehr als 110 Jahren ganze Welten nachgebaut werden.Im Fall der geplanten TV-Serie "Concordia" aber, um die es hier geht, verhält es sich anders: Chemnitz ist selbst die Handlung! Zwar ist es nicht das Chemnitz von heute oder Karl-Marx-Stadt von gestern; doch die Handlung hat ausdrücklich ein künftiges Chemnitz zum Inhalt, das im Übrigen so fern gar nicht mehr sein dürfte, betrachtet man die technischen Möglichkeiten von Überwachung und elektronischer Kontrolle.

Was besonders aufstößt: Wieder einmal scheint die Stadt nur Oberfläche für ein düsteres Bild. Für ein Klischee, an dem sich wer abarbeitet. Das war bei der eigentlich grandiosen Harald-Schmidt-Show der Fall, das ist es immer wieder in den Äußerungen von Comedians. Wo also bleibt der echte Chemnitz-Film? Die Kreativen der Stadt sind gefragt.

Titelfoto: ZDF und Fabio Lovino/Intaglio

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