Chemnitzer setzen auf Senioren bei der Digitalisierung

Chemnitz - Deutschland hängt bei der Digitalisierung meilenweit zurück. In der "Rentner-Hauptstadt" Chemnitz gehen findige Köpfe deshalb neue Wege: Hier verbessern ältere Menschen digitale Technik. Dahinter steht die Innovations- und Digitalberatung Q-Hub in der Beckerstraße.

Schmuck-Armband mit Alarm-Funktion: Chemnitzer Senioren waren an der Entwicklung einer Berliner Firma beteiligt.
Schmuck-Armband mit Alarm-Funktion: Chemnitzer Senioren waren an der Entwicklung einer Berliner Firma beteiligt.  © PR/Martin Passuth

Q-Hub arbeitete zuletzt an der Solarzellen-App für die Firma Meyer Burger oder den NFT-Sammelkarten für die Chemnitz Niners.

Seit Monaten gibt es in den modernen Büros in der Beckerstraße den Stammtisch 65+, gefördert vom Land Sachsen.

"Wir sprechen über Technik und Altersbedürfnisse", sagt Moderatorin Barbara Einwag (57). "Die Teilnehmer melden sich, zum Beispiel bei der Senioren-Uni, weil sie Technik verbessern wollen."

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Q-Hub arbeitet für Firmen, die den Rat der Verbraucher suchen - wie für eine Gesundheits-Notfallkarte oder das Schmuck-Armband, das im Notfall lauten oder leisen Alarm auslöst. Zuletzt war der Stammtisch an einer Senioren-App für Bilder und Sprache auf einem Tablet beteiligt.

Karin Scholz (79) und Ehemann Klaus-Dieter (80) erinnern sich an die Fehler: "Der Notruf-Button für Ältere war schlecht sichtbar", weiß er noch. Seine Frau erinnert sich an den Lautstärkeregler am Gerät: "Viel zu klein für unsere Motorik."

Senioren sind längst die größte Gruppe im Netz. In Chemnitz sind sie auch App-Tester.
Senioren sind längst die größte Gruppe im Netz. In Chemnitz sind sie auch App-Tester.  © imago/Westend61

Karin Forbriger (67) freut sich auf jeden Stammtisch: "Hier sind neugierige Leute im passenden Alter." Die App, an deren Entwicklung die Chemnitzer beteiligt waren, kann auch Theater- und Kinokarten bestellen.

"Nur Senioren-Tinder fehlt noch", sagt Karin Forbriger lachend. "Nicht ganz", wirft Klaus-Dieter Scholz ein: "Wenn man fürs Theater eine Begleitung sucht, hilft die App."

Vom Alter profitieren

App ins Internet: Barbara Einwag (57) testet mit (v.l.) Klaus-Dieter Scholz (80), Andreas Oberreich (70), Karin Scholz (79) und Karin Forbriger (67) eine Anwendung.
App ins Internet: Barbara Einwag (57) testet mit (v.l.) Klaus-Dieter Scholz (80), Andreas Oberreich (70), Karin Scholz (79) und Karin Forbriger (67) eine Anwendung.  © Sven Gleisberg

Kommentar von Bernd Rippert

Rentner-Hochburg Chemnitz heißt es oft abfällig über unsere Stadt. Ich halte dagegen: ein Hoch auf die Rentner in Chemnitz! Denn die Senioren bringen Zug in das Gemeinwesen.

Die Firma Q-Hub in Chemnitz hat das Potenzial erkannt und bindet Senioren über Stammtische in innovative Prozesse ein, lässt sie sogar die Digitalisierung vorantreiben. Richtig so. Senioren sind nicht nur alt, sondern auch erfahren. Sie können Prozesse oft viel schneller überblicken als junge Leute. Nur mit dem schnellen Tippen auf dem Smartphone haben sie manchmal Probleme.

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Überhaupt sind Senioren eine unterschätzte Gruppe. Ich frage mich oft, warum ausgerechnet 14- bis 49-Jährige als Kernzielgruppe in der Werbung definiert werden. Dabei geben Rentner viel mehr Geld aus für den Konsum. Ihnen sollte das Augenmerk der Werber gelten.

Aber den Reklameleuten fehlt eben oft die Erfahrung, um zu wissen, was richtig und wichtig ist. Mehr Rentner in die Werbung sollte die Losung deshalb lauten. Chemnitz könnte dafür ein gutes Testfeld sein. An erfahrenen Menschen mangelt es hier ja nicht.

Titelfoto: Sven Gleisberg

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