Schon sein Opa galt als "Kiwi-Papst": Sächsischer Polizist ist jetzt Beerenzüchter

Niederwiesa - Jahr für Jahr importiert Deutschland über 100.000 Tonnen Kiwis. Dabei wächst die kleine Schwester der pelzigen Südfrucht - zumal aromatischer und reicher an wertvollen Inhaltsstoffen - auch in Sachsen.

Europas Kiwi-Spezialisten arbeiten in Niederwiesa bei Chemnitz und haben derzeit alle Hände voll zu tun. Außer bei Frost kann man Kiwibeeren immer anpflanzen.
Europas Kiwi-Spezialisten arbeiten in Niederwiesa bei Chemnitz und haben derzeit alle Hände voll zu tun. Außer bei Frost kann man Kiwibeeren immer anpflanzen.  © Uwe Meinhold

Dass die Kiwibeere in unserem Klima prächtig gedeiht, ist auch dem Chemnitzer "Kiwipapst" Werner Merkel (86) zu verdanken - er züchtete entsprechende Sorten. Jetzt tritt dessen Enkel Richard Hamann (34) in seine Fußstapfen und möchte die süßen Früchtchen ganz groß herausbringen.

In diesen Tagen haben die Mitarbeiter der Sechs-Mann-Firma Kiwiri aus Niederwiesa alle Hände voll zu tun. Nicht nur, weil kürzlich ein ZDF-Beitrag die Bestellungen hochschnellen ließ. Mitte Oktober neigt sich die Erntezeit für Kiwibeeren dem Ende zu. Dutzende Tonnen wurden seit August in benachbarten Landwirtschaftsbetrieben gepflückt.

"Es war ein sehr gutes Jahr für die Kiwibeeren, wenn auch etwas trocken", sagt Kiwiri-Chef Richard Hamann. "Besonders während der Blüte hatten wir gutes Wetter."

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Derzeit werden noch drei verschiedene Sorten Bio-Kiwibeeren (Kilopreis 18,50 Euro) im neuen Hofladen angeboten. Sie reichen wohl noch bis zur Mitte der kommenden Woche. Und wer das nicht schafft, darf zumindest erfahren, was er verpasst.

Jährlich werden einige tausend Pflanzen verschickt. Ab dem zweiten bis vierten Jahr tragen sie Früchte.
Jährlich werden einige tausend Pflanzen verschickt. Ab dem zweiten bis vierten Jahr tragen sie Früchte.  © Uwe Meinhold

Kiwibeeren aus Sachsen sind ein Vitamin-Wunder

Kleine Beere, großer Geschmack - die Sorte Victoria gehört zu den weltweit besten.
Kleine Beere, großer Geschmack - die Sorte Victoria gehört zu den weltweit besten.  © Uwe Meinhold

Je nach Sorte sind die Früchte zwei bis vier Zentimeter lang. Anders als die in Neuseeland gezüchtete große Schwester muss man die Beere aber nicht schälen, sondern vernascht sie im Ganzen - und erlebt eine Geschmacksexplosion. Denn das Aroma ist viel intensiver, erinnert auch ein wenig an Stachelbeere und Gold-Kiwi.

Außerdem hat die Kiwibeere einen doppelt so hohen Vitamin-C-Gehalt als die Kiwi und übertrifft damit sogar die Zitrone. Sie ist weiterhin reich an Antioxidantien, Kalium und Kalzium.

Die Kiwibeere ist seit über 40 Jahren ein Teil dieser sächsischen Familie. Als Außenhandels-Mitarbeiter von Barkas schnupperte der an Pflanzen interessierte Großvater Werner Merkel in den 1980er-Jahren auch durch die Baumschulen der Welt.

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In seinem Garten in Karl-Marx-Stadt pflanzte er dann erfolgreich die ursprünglich aus dem östlichen Asien stammenden Schling- und Kletterpflanzen an und kreuzte einige miteinander.

So sieht die Victoria-Sorte aus.
So sieht die Victoria-Sorte aus.  © PR
Der Kiwiri-Hofladen in Niederwiesa wurde in diesem Jahr eröffnet.
Der Kiwiri-Hofladen in Niederwiesa wurde in diesem Jahr eröffnet.  © Uwe Meinhold

Kiwi-Papst begeisterte Enkel mit seiner Zucht

Richard Hamann (34) tritt in die Fußstapfen seines Großvaters, Kiwi-Papst Werner Merkel. Nun möchte er die Kiwibeere ganz groß rausbringen.
Richard Hamann (34) tritt in die Fußstapfen seines Großvaters, Kiwi-Papst Werner Merkel. Nun möchte er die Kiwibeere ganz groß rausbringen.  © Uwe Meinhold

Nach der Wende bescherte der Züchterfleiß auch erste Erfolge und größere Ernten. Den großen Durchbruch erzielte Merkel mit der Sorte "Julia", welche ab 2004 als "Sachsenkiwi" Karriere machte.

Ab dem achten Jahr trägt der Strauch - unabhängig vom Klimaverlauf - mindestens 15 Kilo Früchte. Seither wurde Merkel von der Fachpresse und in TV-Sendungen als der "Kiwipapst" vorgestellt.

Das war auch in etwa die Zeit, als Enkel Richard tiefer in die Materie eintauchte. Hamann: "Im Gymnasiastenalter habe ich für meinen Opa eine Website erstellt und hatte dann auch Kontakt mit vielen internationalen Zuchtinteressierten."

Für ihn eröffnete sich eine vielfältige Welt um diese faszinierende Pflanze. Sie sollte ihn nicht mehr loslassen. "Doch dass ich einmal hauptberuflich für die Kiwibeere arbeite, hätte ich niemals gedacht."

Nach dem Abi studierte Hamann an der Fachhochschule Aschersleben und wurde in Magdeburg Polizist. Weil die Sehnsucht nach der Heimat blieb, kam er als Diplom-Verwaltungswirt zurück.

Im Nebenjob gründete er 2012 aber den Online-Handel "Kiwiri", über den er Großvaters Pflanzen verschickte - im ersten Jahr trudelten immerhin 40 Bestellungen ein.

Kiwi-Papst-Enkel experimentiert mit neuen Sorten

Aus der aromatischen Frucht lassen sich auch verschiedene Getränke oder Brotaufstriche herstellen.
Aus der aromatischen Frucht lassen sich auch verschiedene Getränke oder Brotaufstriche herstellen.  © Uwe Meinhold

Inzwischen sind diese im hohen vierstelligen Bereich und kommen aus der ganzen Welt. Seit diesem Jahr stieg er voll bei Kiwiri ein und nennt sich und sein Team ganz selbstbewusst "Europas Kiwi-Spezialisten".

Hamann: "Wir haben ja weltweit das größte Sortiment an Kiwibeeren-Pflanzen und auch das entsprechende Know-how." Auch Direktsaft, Obstbrand oder Fruchtaufstrich werden angeboten.

Nach der Pflanze "Julia" jedoch sucht man inzwischen vergebens. Denn die wurde durch eine preisgekrönte Verbesserung verdrängt: Victoria. Diese Merkelsche Züchtung wurde 2018 in einer Studie des Kiwi-Konzerns Zespri zur weltbesten Kiwibeere gekürt - für Geschmack und Sensorik.

Hamann: "Optisch schaut die Victoria gar nicht so spektakulär aus. Sie ist mittelgroß, außen gelb-bräunlich und hat grünes Fruchtfleisch, äußerst wohlschmeckend. Die Pflanze bringt aber spätestens ab dem vierten Standjahr große Erträge." Und wie alle Sorten aus dem Hause Kiwiri wird die Winterhärte mit -25 Grad Celsius angegeben.

Auch als Züchter möchte der Enkel nun seinem Großvater nacheifern. In Niederwiesa hat er einen "internationalen Kindergarten" angelegt - auf dem Versuchsfeld experimentiert er mit etwa 200 Sträuchern, um das bestehende Sortiment aus 30 Kiwibeeren für seine Kunden zu erweitern. Doch erst nach ungefähr sieben Jahren weiß ein Züchter, ob ein Versuch einen Sprung darstellt und erwünschte Eigenschaften in sich trägt. Es bleibt eine Generationenaufgabe.

Bis dahin sorgt Richard Hamann dafür, dass die Kiwibeere bekannter wird und in möglichst vielen Gärten Europas wächst. Und vielleicht erfährt die Vitamin-C-Bombe auch schon bald ihren Durchbruch als das neue "Superfood".

Erst nach etwa sieben Jahren erkennt ein Züchter, ob sein Versuch geglückt ist - eine Generationenaufgabe.
Erst nach etwa sieben Jahren erkennt ein Züchter, ob sein Versuch geglückt ist - eine Generationenaufgabe.  © Uwe Meinhold
Dem "Kiwip-Papst" Werner Merkel (86) ist es zu verdanken, dass die Kiwibeere auch für mitteleuropäische Gärten winterfest wurde.
Dem "Kiwip-Papst" Werner Merkel (86) ist es zu verdanken, dass die Kiwibeere auch für mitteleuropäische Gärten winterfest wurde.  © Kiwiri

Weitere Infos unter kiwiri.de.

Titelfoto: Uwe Meinhold, PR

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