Spurensuche in Chemnitz: Was von den Sowjets übrig blieb

Chemnitz - Vor 60 Jahren wurde die Mauer errichtet. Zwar von der DDR-Führung, aber durch maßgeblichen Druck der Sowjetunion. Die war offiziell Beschützer, eigentlich aber auch Besatzer des von 1949 bis 1990 bestehenden ostdeutschen Staates. Heute erinnern noch einige Orte an das sowjetische Erbe in Chemnitz.

• Auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof (Richterweg) in Reichenhain sind rund 1330 Menschen begraben. Aber nicht nur Soldaten der Roten Armee - für diese war der Friedhof bis 1956 zentrale Chemnitzer Begräbnisstätte. Sondern auch andere Sowjetbürger, wie im Nationalsozialismus verschleppte Zwangsarbeiter.

An Gedenktagen gibt es oft Kundgebungen am sowjetischen Ehrenfriedhof. Wie hier, am 8. Mai 2017, von der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN-BdA) anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges.
An Gedenktagen gibt es oft Kundgebungen am sowjetischen Ehrenfriedhof. Wie hier, am 8. Mai 2017, von der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN-BdA) anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges.  © Kristin Schmidt

• Zur Unterbringung ihrer Soldaten nutzte die Rote Armee alte kaiserliche Kasernen. Dazu dienten zwei Gebäudekomplexe, eins auf dem Sonnenberg (Planitzstraße), das andere in Ebersdorf (Adalbert-Stifter-Weg). Letzteres diente der rund 4000 Mann starken Garnison auch als Lazarett und wurde teils zur Asylbewerber-Erstaufnahmeeinrichtung umsaniert.

Die etwa 110 Jahre alte Sonnenberg-Kaserne wurde 2012 abgerissen. Chemnitzer Sowjetsoldaten waren auch an der Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 beteiligt. Nach der Wende verließen die letzten Rotarmisten am 29. Mai 1993 die Stadt.

Endgültiger Abschied: Im Mai 1993 zogen sich die letzten sowjetischen Soldaten, hier vom Sonnenberg, aus Chemnitz in Richtung Heimat zurück.
Endgültiger Abschied: Im Mai 1993 zogen sich die letzten sowjetischen Soldaten, hier vom Sonnenberg, aus Chemnitz in Richtung Heimat zurück.  © Haertelpress

• Ein ganz anderes Kaliber ist die Wismut. Sofort nach Kriegsende schwärmten Späher aus, um Uran-Quellen für das sowjetische Atomprogramm zu finden. Das nahe Erzgebirge wurde seinem Namen gerecht und am 26. Mai 1947 die Wismut gegründet. Sitz war damals wie heute die Jagdschänkenstraße in Chemnitz.

Mit der Umwandlung in eine sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft (1954) erfolgte der Umzug in den heutigen Standort (Jagdschänkenstraße 29). Das Anfang der 1950er-Jahre errichtete Gebäude war vorher SED-Parteisitz, sein Stil ist neoklassizistisch.

Ende einer Ära: Am 1. Juni verabschiedete die Wismut den letzten Uran-Transport (r.). In der DDR sorgte der sowjetische Bedarf an Atombomben-Material für gut bezahlte Arbeit (l.).
Ende einer Ära: Am 1. Juni verabschiedete die Wismut den letzten Uran-Transport (r.). In der DDR sorgte der sowjetische Bedarf an Atombomben-Material für gut bezahlte Arbeit (l.).  © dpa/Reinhard Kaufhold/picture-alliance/ZB/Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/
Rechts der Erstsitz der Wismut in der Jagdschänkenstraße (heute Knappschaft). Links ein Foto des gegenwärtigen (Nr. 29) aus den 1960ern.
Rechts der Erstsitz der Wismut in der Jagdschänkenstraße (heute Knappschaft). Links ein Foto des gegenwärtigen (Nr. 29) aus den 1960ern.  © Wismut GmbH/Kristin Schmidt

• Ebenso wie der Kulturpalast Rabenstein, ein 1950 eröffneter Prachtbau. Während in der bereits 1967 wieder geschlossenen Anlage derzeit 64 Wohnungen entstehen, hatte sie seinerzeit unter anderem große Theater- und Tanzsäle - und war der erste Kulturtempel Deutschlands nach sowjetischem Vorbild. Auftraggeber war die Wismut, bereits vorher beschlagnahmten die Sowjets Gebäude und Areale am lauschigen Pelzmühlenteich.

Derzeit wuchert es noch am Kulturpalast in Rabenstein (r.), bald soll es hier wieder wimmeln. Auch die Sowjets schätzten die Ortslage (l.).
Derzeit wuchert es noch am Kulturpalast in Rabenstein (r.), bald soll es hier wieder wimmeln. Auch die Sowjets schätzten die Ortslage (l.).  © Wismut GmbH/Kristin Schmidt

• Dazu kommen auch noch Reparationen. Laut dem Chemnitzer Historiker Wolfgang Bausch (1935-2019) gingen nach dem Krieg 202 Betriebe auf dem Gebiet der späteren DDR direkt in sowjetischen Besitz über.

Wolfgang Bausch (1935-2019) war ein Chemnitzer Historiker.
Wolfgang Bausch (1935-2019) war ein Chemnitzer Historiker.  © Stadtbibliothek Chemnitz

Darunter die Stahlgießerei Krautheim in Chemnitz-Borna (bis 1953).

Titelfoto: Haertelpress

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