Hamburger Gerichte suchen neue Schöffen: Aber ist das System längst veraltet?

Hamburg - Die Hamburger Strafgerichte suchen wieder ehrenamtliche Richter.

Vor Gericht entscheiden Schöffen mit. Die Wahl für die nächste Amtsperiode steht in diesem Jahr an.
Vor Gericht entscheiden Schöffen mit. Die Wahl für die nächste Amtsperiode steht in diesem Jahr an.  © Friso Gentsch/dpa/dpa-tmn

4200 Schöffen für die Strafkammern am Land- und den acht Amtsgerichten sollen in diesem Jahr gewählt werden. Die Bewerbungsfrist läuft bis Ende März, die Amtszeit geht von 2024 bis 2028.

Die Beteiligung ehrenamtlicher Richter ist nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung ein wichtiges Element der Demokratie. Alle Staatsgewalt geht laut Grundgesetz vom Volke aus, auch in der Rechtsprechung. Die Laienrichter gelten als die Vertreter des Volkes bei den Gerichten. Sie sollen dafür sorgen, dass die Justiz lebensnah handelt und Gerichtsverfahren auch für Nicht-Juristen verständlich sind. Außerdem soll das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt werden.

Sie seien aber auch ein "Risikofaktor", sagt der ehemalige Vorsitzende Richter am Landgericht Hamburg, Joachim Bülter. Als Beispiel nennt er einen Schöffen, der einfach nicht zur Urteilsberatung kam, weil er tablettensüchtig war. Dabei ist die Verantwortung der Schöffen groß.

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Mit ihren Aufgaben seien die Schöffen gerade in Großen Strafkammern am Landgericht oft völlig überfordert, auch wenn sie gut gebildet seien, meint Bülter. Die Verfahren dauerten manchmal länger als ein Jahr, könnten 30 Anklagepunkte umfassen und seien hochkomplex. Zu Beginn seiner Amtszeit am Landgericht hätten oft vier Bände an Akten genügt. Heute kämen die Akten in Kartons. Die Schöffen dürften allerdings gar keine Einsicht nehmen. Sie sind bei ihren Entscheidungen allein auf das angewiesen, was sie im mündlichen Verfahren gehört haben.

"Das Schöffensystem kommt aus dem 19. Jahrhundert. Die Gerichtswirklichkeit hat sich massiv verändert", sagt Bülter. Man könne nur versuchen, die Schöffen im Rahmen des gesetzlich Erlaubten "upzudaten".

Schöffen haben Einblick in spannende Gerichtsverfahren

Die Hamburger Justiz sucht bis Ende März 4200 Schöffen.
Die Hamburger Justiz sucht bis Ende März 4200 Schöffen.  © Christian Charisius/dpa

Jessica Kollhorst nimmt ihr Schöffenamt allerdings gerne wahr. Sie sei durch Zufall als Kandidatin ausgewählt worden, sagt die Hamburger Sozialversicherungsangestellte.

Gleich in ihrem ersten Verfahren sei es um den Schmuggel von einer Tonne Kokain gegangen. "Das war wirklich spannend."

Die Urteile würden im Namen des Volkes gesprochen. "Allein für diesen Satz ist die Beteiligung von Schöffen notwendig", ist Kollhorst überzeugt.

Titelfoto: Friso Gentsch/dpa/dpa-tmn

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