Halle-Attentäter vor Gericht: Geiseln berichten von Todesangst

Magdeburg - Sie wussten, mit wem sie es täglich im Gefängnis zu tun hatten: mit dem Halle-Attentäter, der seine Waffen einst selbst baute. Zwei Vollzugsbeamte berichten nun, wie sie im Knast zu seinen Geiseln wurden. Die Tat lässt sie bis heute nicht los.

Der Halle-Attentäter Stephan Balliet steht wegen Geiselnahme vor Gericht.
Der Halle-Attentäter Stephan Balliet steht wegen Geiselnahme vor Gericht.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Im Prozess gegen den Halle-Attentäter wegen einer Geiselnahme im Gefängnis in Burg haben zwei Vollzugsbeamte von dem Geschehen berichtet.

"Ich hatte Todesangst", sagte ein 26 Jahre alter Beamter am Montag im Landgericht Magdeburg.

Er beschrieb, wie der Angeklagte warm angezogen und mit auf Hüfthöhe vorgehaltener, vermeintlicher Waffe in der Zellentür stand, als er zur Nacht eingeschlossen werden sollte.

Halle-Attentäter nimmt Geiseln im Gefängnis: Das ist das Urteil
Gerichtsprozesse Magdeburg Halle-Attentäter nimmt Geiseln im Gefängnis: Das ist das Urteil

Der 32-Jährige habe gesagt, er wolle jetzt raus. Er habe Alarm ausgelöst und den Gefangenen bis in den Freistundenhof gebracht, sagte der Vollzugsbeamte. Es sei auch ein Schuss gefallen. Auch ein weiterer Beamter berichtete von Todesangst.

Der Fluchtversuch des Halle-Attentäters scheiterte.

Geisel vom Halle-Attentäter: "Hab Träume, in denen er auftaucht"

Balliet hatte am 12. Dezember 2022 mehrere Geiseln genommen und versucht, den Weg aus dem Gefängnis zu erzwingen.
Balliet hatte am 12. Dezember 2022 mehrere Geiseln genommen und versucht, den Weg aus dem Gefängnis zu erzwingen.  © Ronny Hartmann/AFP/POOL/dpa

Der 26 Jahre alte Vollzugsbedienstete erklärte, er sei krankgeschrieben und in psychologischer Behandlung. Er habe viele Träume, in denen der Angeklagte auftauche. "Ich habe Angst, dass das nochmal passieren kann und ich meine Familie komplett alleine lasse, dass ich nicht mehr nach Hause komme."

Ein 40-Jähriger, der ebenfalls Geisel war, berichtete von erheblichen psychischen und körperlichen Problemen, er habe Panikattacken, leide unter Schlaflosigkeit, seine körperliche Leistungsfähigkeit sei eingeschränkt. Beide Beamte sind derzeit nicht mehr aktiv im Dienst. Sie treten im Prozess als Nebenkläger auf.

Der ältere Vollzugsbeamte kannte den Angeklagten schon aus dem Gefängnis Halle, wo Balliet einst einen Ausbruchversuch unternahm. Im Gefängnis Burg sei er am Tattag relativ unauffällig gewesen. Der Beamte beschrieb, wie gegen 21 Uhr der Alarm ausgelöst wurde. Kurz zuvor habe er sich gewundert, warum die Zellentür noch offen war und zwei Personen durch eine andere Tür gingen.

Millionen von Euro veruntreut: Urteil gegen Buchhalterin gefallen!
Gerichtsprozesse Magdeburg Millionen von Euro veruntreut: Urteil gegen Buchhalterin gefallen!

Mit mehreren Kollegen sei er beiden in Richtung Freistundenhof gefolgt. Dann sei klargeworden, dass der Angeklagte eine Waffe hatte, so der 40-Jährige. "Ich wusste nur, er hatte eine Waffe und er würde schießen." Balliet habe immer wieder gesagt, er wolle raus, er sei zunehmend hektischer und nervöser geworden, ständig in Bewegung. Der Angeklagte habe auch runtergezählt. Der Beamte sagte vor Gericht, er habe dem Geiselnehmer versichert, er könne das Tor nicht öffnen, selbst wenn er wolle, so der Vollzugsbeamte.

Die zwei Beamten treten in dem Prozess als Nebenkläger auf.

Zeugenaussagen gegen Halle-Attentäter: Angeklagter lauscht interessiert

Der Prozess findet unter größten Sicherheitsvorkehrungen statt - der Angeklagte muss Hand- und Fußfesseln tragen.
Der Prozess findet unter größten Sicherheitsvorkehrungen statt - der Angeklagte muss Hand- und Fußfesseln tragen.  © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Beim Prozessauftakt am Donnerstag vergangener Woche hatte Stephan Balliet die Geiselnahme vom 12. Dezember 2022 gestanden. Sein Ziel sei es gewesen, frei zu sein.

Weil Balliet als extremes Sicherheitsrisiko gilt, findet der Prozess unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt. Das Landgericht Stendal verhandelt im größten Justizsaal Sachsen-Anhalts in Magdeburg.

Der Zuschauerbereich ist durch Sicherheitsglas abgetrennt. Während der Verhandlung saßen maskierte Spezialkräfte der Justiz in voller Schutzausrüstung hinter dem Angeklagten.

Der Angeklagte erschien zum zweiten Verhandlungstag mit einem blauen Auge, das er sich dem Vernehmen nach selbst zugefügt hat. Er verfolgte die Zeugenaussagen scheinbar interessiert.

Die Vorsitzende Richterin gab dem Angeklagten nach den Zeugenvernehmungen der ehemaligen Geiseln jeweils die Gelegenheit, sich zu äußern - der lehnte ab. Zeichen des Bedauerns oder der Reue gab es nicht.

Balliet war im Dezember 2020 wegen des rassistischen und antisemitischen Anschlags in Halle zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden - zur Höchststrafe.

Originalmeldung von 12.33 Uhr, zuletzt aktualisiert um 12.55 Uhr.

Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Mehr zum Thema Gerichtsprozesse Magdeburg: