Blindenschrift bald überflüssig? So sinnvoll ist KI für Menschen mit Sehbehinderung

Von Daniel Josling

Leipzig - Künstliche Intelligenz macht den Alltag für blinde Menschen an einigen Stellen deutlich einfacher, zum Beispiel durch Alternativen, wie Sprachausgaben. Ist Blindenschrift im Zeitalter von KI dann überhaupt noch relevant?

Punktschrift ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen, mit den Fingern zu lesen und zu schreiben.
Punktschrift ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen, mit den Fingern zu lesen und zu schreiben.  © Hendrik Schmidt/dpa

"Die Schriftvermittlung hat natürlich weiterhin Bestand, auch im Zeitalter der KI", sagt Thomas Kahlisch, der Direktor des Deutschen Zentrums für barrierefreies Lesen (dzb lesen) in Leipzig.

"Mit Sprachausgabe allein lerne ich keine Rechtschreibung. Dafür brauche ich Braille", betont Kahlisch.

Die Punktschrift besteht aus sechs erhabenen Punkten in unterschiedlichen Kombinationen und ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen, mit den Fingern zu lesen und zu schreiben.

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Weltweit wird sie bis heute in Schulen gelehrt, in Büchern verwendet und auf Alltagsgegenständen wie Medikamentenverpackungen, Fahrstühlen oder Geldscheinen genutzt.

Kahlisch zufolge eröffnet die Verbindung von traditioneller Brailleschrift und digitaler Technik neue Perspektiven.

Das dzb lesen in Leipzig gilt dabei als eine der größten Einrichtungen seiner Art in Deutschland.

Insgesamt arbeiten dort rund 80 Beschäftigte, ein Großteil davon in der Produktion von Büchern, Noten und Hörbüchern für blinde und sehbehinderte Menschen.

Thomas Kahlisch ist Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB).
Thomas Kahlisch ist Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB).  © Jan Woitas/dpa

Neue Möglichkeiten durch Technik

Vor 200 Jahren hat Louis Braille das Schriftsystem entwickelt.
Vor 200 Jahren hat Louis Braille das Schriftsystem entwickelt.  © Jan Woitas/dpa

"Wir drucken heute nicht nur Bücher auf Papier, sondern können auch digitale Inhalte über Displays anzeigen", sagt Kahlisch.

Künftig sollen Geräte sogar nicht nur Textzeilen, sondern auch Grafiken tastbar darstellen - etwa den Kurvenverlauf einer mathematischen Formel. Erste Modelle dafür seien bereits verfügbar.

Auch KI komme bereits zum Einsatz, etwa um Texte schneller und automatisierter in Braille zu übertragen und Korrekturen zu sparen, sagt Kahlisch.

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Nachholbedarf in öffentliche Einrichtungen

Barrierefreiheit im Alltag bleibe dennoch ein Dauerthema. Kahlisch lobt die Deutsche Bahn, die neue Züge mit Braille-Beschriftungen an den Sitzplätzen ausstattet. In vielen anderen Bereichen gebe es jedoch noch Nachholbedarf - etwa bei Behörden oder im öffentlichen Raum.

In Sachsen leben nach Angaben des Gesundheitsministeriums mehr als 23.700 blinde und sehbehinderte Menschen (Stand Ende 2021). Darunter sind gut 4000 Blinde und rund 3000 hochgradig Sehbehinderte.

Titelfoto: Montage: Hendrik Schmidt/dpa; Jan Woitas/dpa

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