Vor 45 Jahren: So jubelte Dresden Fidel Castro zu

Diese Aufnahme zeigt eine Panne: Die Frau hätte gar nicht zu Fidel durch kommen 
sollen!
Diese Aufnahme zeigt eine Panne: Die Frau hätte gar nicht zu Fidel durch kommen sollen!

Dresden - Für Zehntausende DDR-Bürger war es ein besonderer Tag, an den sich viele noch heute erinnern: Vor genau 45 Jahren kam Fidel Castro (†90) nach Sachsen, speiste in Moritzburg, besuchte tags darauf Dresden!

Doch nur wenige kamen dem kubanischen Revolutionär und Staatschef so nah wie Ulrich Hässler (74). Als junger Fotograf hielt er einige ungewöhnliche Begegnungen Fidels mit Dresdnern fest, die 1972 keine Zeitung gedruckt hätte ...

„Cuba si, Yankee no“, „Hoch soll er leben“, „Viva Fidel“: Tausende Dresdner jubelten Fidel bei seiner Stadtbesichtigung zu. Pioniere, FDJ-ler und Parteigenossen wurden am Rathaus, Zwinger und Theaterplatz für Sprechchöre auch gezielt mit Fahnen platziert - die Freundschaft der sozialistischen Regime sollte öffentlichkeitswirksam zelebriert werden.

Umso spannender die seltenen Momente, die spontan und außerhalb des Protokolls geschahen!

Ulrich Hässler (74) zeigt Reporter Hermann Tydecks (34) 
seine ungewöhnlichen Aufnahmen Castros.
Ulrich Hässler (74) zeigt Reporter Hermann Tydecks (34) seine ungewöhnlichen Aufnahmen Castros.  © Eric Münch

Wie Freitagmittag auf der Prager Straße. „Die akkreditierten Fotografen warteten schon am Rathaus für den offiziellen Teil“, erinnert sich der damals 29-Jährige Dresdner Agentur-Fotograf Ulrich Hässler. Sein Glück: „Ich hatte frei, ging mit der Kamera auf eigene Faust los.“

In Begleitung von SED-Funktionären und abgeschirmt von Stasi-Leuten ging Fidel vom Interhotel Newa (heute: Pullman) Richtung Rathaus. „Damals war das Rundkino gerade im Bau. Es gab keine Absperrungen. Die Leute waren neugierig, aber an Hochrufe erinnere ich mich nicht. Ich sah, wie eine Frau an den Sicherheitsleuten durch ist, plötzlich bei Fidel stand, ihn um ein Autogramm bat“, so Hässler.

„Auf einmal herrschte Unordnung. ‚Na, das hättet ihr nicht gedacht’, riefen Leute noch provokant von der Seite zu den SED-Genossen. Das war denen sehr unangenehm. Doch Fidel blieb ruhig, unterschrieb. Die Dame bedankte sich. Es war die einzige Frau, die auf der Prager Straße ein Autogramm bekam.“

Ein paar Meter weiter stoppte Fidel an der Rundkino-Baustelle: „Er hielt mit Hilfe des Dolmetschers ein kurzes Gespräch über den Bauzaun mit neugierigen Arbeitern. Die waren nicht bestellt. Einer lehnte sein Bein ganz leger gegen den Zaun. Das galt als pietätlos“, sagt Hässler. „Darum wäre das Foto damals auch niemals gedruckt worden!“

Denn eine freie Presse gab es zu DDR-Zeiten nicht. Die Sächsische Zeitung als Organ der SED-Bezirksleitung („Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ stand über jeder Titelseite) berichtete einseitig über die „machtvolle Manifestation der festen und unzerstörbaren Freundschaft ...“

Am Abend wurde Fidel Castro mit seiner Delegation am Flughafen Klotzsche verabschiedet. Zurück nach Dresden kam der „Comandante“ nie.

1972 arbeitete Ulrich Hässler als Fotograf für den Allgemeinen Deutschen 
Nachrichtendienst (ADN).
1972 arbeitete Ulrich Hässler als Fotograf für den Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN).  © Eric Münch
Heute genießt Hässler seinen Ruhestand. Der Familienvater lebt mit Frau in 
Oberloschwitz.
Heute genießt Hässler seinen Ruhestand. Der Familienvater lebt mit Frau in Oberloschwitz.  © Eric Münch
Auf der Prager Straße sprach Fidel mit Arbeitern. Einer scherte sich wenig um 
Benimm-Regeln, zeigte Fidel seine Schuhsohle.
Auf der Prager Straße sprach Fidel mit Arbeitern. Einer scherte sich wenig um Benimm-Regeln, zeigte Fidel seine Schuhsohle.