Ali wurde in Dresden zum Gastwirt mit Genuss

Dresden - Die Welt schaut in diesen Monaten auf unsere Stadt. Es heißt, hier herrsche Misstrauen gegenüber Fremden. Doch das stimmt nicht! Unsere Stadt ist weltoffen.

Mit der Serie „Willkommen in Dresden“ treten wir hier jeden Mittwoch den Beweis an. Diesmal: Ali aus Israel.

Ali zog es zum Studieren nach Dresden - und blieb. Seit 25 Jahren ist die Stadt nun sein Zuhause.
Ali zog es zum Studieren nach Dresden - und blieb. Seit 25 Jahren ist die Stadt nun sein Zuhause.

Von Katrin Koch

Es war der absolute Schock - 1990 als Vegetarier in Dresden.

„Meine Mutter sorgte sich so, dass sie mir eine Kiste Avocados aus Israel schickte“, erzählt Ali Habiballah (47).

„Sie kamen natürlich nach drei Wochen total vergammelt an. Aber das konnte ich Mama nicht sagen. Ich schwindelte, dass alles gut angekommen ist - und Mama schickte die nächsten Avocados los.“

Lachend erzählt Ali diese Episode - in seiner neuen Heimat, dem Neustädter „Café 100“ in der Alaunstraße.

Seit 25 Jahren bestimmt diese Adresse das Leben des Palästinensers mit israelischem Pass.

Für Geschäfte und Lokale produziert Ali in seiner kleinen Küche Bio-Falafel und Bio- Hummus.
Für Geschäfte und Lokale produziert Ali in seiner kleinen Küche Bio-Falafel und Bio- Hummus.

„Ich kam nach Dresden, weil es damals in Israel nur wenige Studienmöglichkeiten gab. In Dresden bekam ich die Zulassung für Wirtschaftsinformatik.“

Doch Alis Familie, die bis heute in Nazareth lebt, konnte ihn finanziell nicht unterstützen.

„Also habe ich als Kellner im Café 100 angefangen. Dieser Arbeit verdanke ich meinen Studienabschluss 1997.“

Aus dem Job wurde Berufung - vor 15 Jahren übernahm Ali das Café. Täglich von 17 bis 3 oder 4 Uhr morgens bewirtet Ali seine Gäste.

An diese Arbeitszeiten hat sich auch sein treuer Begleiter gewöhnt, Labrador Fidelito, ein alter Herr von zwölf Jahren. Gemächlich trottet er in den Hinterhof.

Mit seinem alten Labrador Fidelito („Kleiner Treuer“) spaziert Ali gern an der Elbe entlang.
Mit seinem alten Labrador Fidelito („Kleiner Treuer“) spaziert Ali gern an der Elbe entlang.

Dort hat sein Herrchen neben sächsischen Rebstöcken auch welche aus Israel gepflanzt - und in die Herzen seiner Gäste die Liebe zu kultureller Vielfalt und Völkerverständigung.

Sein israelischer Pass, der keine doppelte Staatsbürgerschaft zulässt, hindert ihn nicht an politischem Engagement in seiner Wahlheimat.

Ali ist Mitglied Nummer 1000 der sächsischen Grünen.

„Leider darf ich hier nicht wählen“, bedauert er. Aber er kann in seinem Café diskutieren, kann Kulturen vereinen, Juden mit Arabern, Klezmer mit ...

„Ja leider gibt es keinen arabischen Jazz. Aber das würde mir gefallen“, versichert Ali. Seit zwei Jahren singt und spielt er in der Band „Timeless“ Saxofon, natürlich am liebsten im Weinkeller des „Café 100“.

Aus seiner alten Heimat Israel schenkt sich Ali Habiballah (47) im „Café 100“ einen Tishbi ein. Er wird aus Cabernet-Sauvignon- und Syrah-Trauben hergestellt.
Aus seiner alten Heimat Israel schenkt sich Ali Habiballah (47) im „Café 100“ einen Tishbi ein. Er wird aus Cabernet-Sauvignon- und Syrah-Trauben hergestellt.

Rund 200 Weine aus aller Welt warten dort auf entdeckerfreudige Gaumen.

Über dem Café hat sich Ali ein zweites Standbein eingerichtet: eine Küche für Hummus und Falafel.

Stolz sagt er: „Meine Produkte wurden erst im Februar von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung mit dem Öko-Grünstempel zertifiziert.“

Mit den Spezialitäten aus seiner Heimat beliefert der Single viele Geschäfte und Lokale in Dresden, Tendenz steigend.

Die Zutaten muss sich Ali längst nicht mehr aus Israel schicken lassen: Und ein Päckchen ist heute auch nur noch vier Tage unterwegs …

Was ich an Dresden mag

Die Landesbühnen in Radebeul sind Alis liebstes Theater.
Die Landesbühnen in Radebeul sind Alis liebstes Theater.

„Ich bin ein absoluter Kulturfan. Ich verpasse keine Premiere an den Landesbühnen in Radebeul, und jetzt im Sommer bin ich gern auf der Felsenbühne Rathen“, gesteht Ali.

„Ich kenne alle Schauspieler der Landesbühnen, bin mit ihnen befreundet, und die meisten sind bei mir Stammgäste im Café.“

Wenn Ali den Spieß mal umdreht und sich selbst was kocht, dann gern sein sächsisches Lieblingsgericht: Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl.

„Dafür gehe ich gern donnerstags auf dem Markt am Alaunpark einkaufen. Eine Händlerin schenkt meinem Hund immer eine Karotte - und er schnurpst sie sogar weg.“

Ausstellung zum Café-Geburtstag

Für den 25. Geburtstag des „Café 100“ sucht Ali alte Fotos aus der Neustadt.
Für den 25. Geburtstag des „Café 100“ sucht Ali alte Fotos aus der Neustadt.

Das „Café 100“ feiert in diesem Jahr 25. Geburtstag.

Zum Jubiläum will Ali Habiballah eine kleine Ausstellung zeigen.

„Ich suche nach alten Fotos von der Neustadt, aus der Wendezeit und den Jahren danach. Egal ob schwarz-weiß oder in Farbe. Ich will die Fotos vergrößern und im Café ausstellen.“

Einfach bei Ali nachfragen, Fotos vorbeibringen, zusammen aussuchen.

Außerdem gibt’s ab September wieder jeden Donnerstag Konzerte, auch mit „Timeless“.