"Ermordet von Bullen!" Gedenk-Graffiti muss nach 23 Jahren weg

Mit der Dienstwaffe eines Polizisten wurde Hamil Dener getötet. (Symbolbild)
Mit der Dienstwaffe eines Polizisten wurde Hamil Dener getötet. (Symbolbild)  © DPA

Bielefeld - Vor 23 Jahren sprühte ein junger Künstler ein Graffiti auf den Rolladen des AJZ (Arbeiter*innenjugendzentrum) an der Heeper Straße in Bielefeld. Es erinnert an den Tod des 16-Jährigen Kurden Halim Dener im Juni 1994, doch jetzt muss es weg.

Die Polizei forderte die Verantwortlichen auf, das Graffiti zu entfernen, weil es sich dabei um eine Straftat handle. "Laut Anschreiben der Polizei ist auf dem Bild ein verbotenes Symbol der kurdischen Organisation CDK (Demokratische Gemeinschaft Kurdistans) zu sehen", heißt es in einer Mitteilung des AJZ.

Und weiter: "Die CDK, die es seit dem Jahr 2004 gibt, soll die Nachfolgeorganisation der ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) sein, deren Symbol der grüne Kreis, mit gelber Fläche und rotem Stern, war. Die ERNK wurde im Zuge des Verbots der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) im November 1993 ebenfalls verboten."

Der deutschen Polizei werfen die Verantwortlichen vor, sich auch zum "Handlanger türkischer Interessen" zu machen. Die Frist, das Graffiti bis zum 23. Februar entfernt zu haben, ließen sie laut NW verstreichen. "Dieses Bild, das wir jedes Mal sehen, wenn wir ins AJZ gehen, ist für uns wichtig. Es erinnert an den Mord. Es lässt uns nicht vergessen, wie es in diesem Staat zugeht. Es ist nicht irgendein Graffiti, sondern eines, das seit 23 Jahren nicht übermalt, sondern erhalten wurde. Das Bild ist auch ein Gruß an unsere kurdischen Freund*innen, die von der Repression des deutschen Staates häufig heftiger getroffen werden als wir."

Das AJZ wehrt sich weiter: "Hände weg von unserem Graffiti!", steht am Schluss der Mitteilung.

Der Fall "Halim Dener"

Der rote Stern auf gelbem Grund ist für den Staatsschutz ein Problem.
Der rote Stern auf gelbem Grund ist für den Staatsschutz ein Problem.  © Jens Reichenbach

Der tödliche Schuss auf einen 16-jährigen Kurden hat für einen Polizeibeamten aus Hannover keine strafrechtlichen Konsequenzen. Am 27. Juni 1997 sprachen die Richter der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts den Beamten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei.

"Der Angeklagte hat den Schuss unter Stress in einer außergewöhnlichen Situation unabsichtlich abgegeben", sagte der Vorsitzende Richter August Wilhelm Marahrens zur Begründung. Während der 30 Jahre alte Beamte weder Freude noch Erleichterung zeigte, verfolgten auch die Eltern des Getöteten regungslos und tief gebeugt den Urteilsspruch.

Die Kammer folgte den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung und übernahm ohne Einschränkungen die Einlassung des Angeklagten zum Tatgeschehen. Danach hatte der Beamte in der Nacht des 30. Juni 1994 mit einem Kollegen bei einem Sondereinsatz den Kurden Halim Dener mit mehreren Personen beim Plakatekleben überrascht.

Als sich die beiden Männer als Polizei zu erkennen gaben, flüchtete die Gruppe sofort. Der 30-Jährige verfolgte Halim Dener, holte ihn ein und nahm ihn in den Schwitzkasten. Bei dem Gerangel verlor er seine Waffe. Als er sie wieder aufnahm und in das Holster zurückstecken wollte, löste er den Schuss aus.

Das Geschehen entfachte eine Diskussion über Fremdenfeindlichkeit und zu schnellen Schusswaffengebrauch bei der Polizei. Die Anwälte der Eltern des 16-Jährigen äußerten Zweifel an der Darstellung des Beamten: "Über das Szenario kann ein geübter Schütze nur lachen." Sie nannten Zeugen, die einen gezielten Schuss des Polizisten auf den Jungen gesehen haben wollten. Vor Gericht wichen diese Zeugen aber von ihren ersten Aussagen wieder ab.

Kurdische Vereine erklärten, das von der Bundesregierung aufgebaute Feindbild gegen Kurden und gegen die in Deutschland verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK habe das Klima für solche "Hinrichtungen" bereitet.

Titelfoto: Jens Reichenbach