Erzieher soll Kinder zu Oral-Sex gezwungen haben: Opfer berichtet von Martyrium

Vorm Landgericht Bückeburg muss sich der ehemalige Erzieher verantworten.
Vorm Landgericht Bückeburg muss sich der ehemalige Erzieher verantworten.  © DPA

Bückeburg/Bielefeld - Jahrelang soll sich Stefan W. aus dem Kreis Lippe an Kindern vergangen haben (TAG24 berichtete). Der 46-Jährige soll das Vertrauen der Kinder, das er als ihr Erzieher genoss, schamlos ausgenutzt haben.

Zwischen Mai 1999 und November 2009 soll er mindestens 15 Mal die ihm anvertrauten Kinder und Jugendliche in Rinteln und anderswo sexuell missbraucht haben. Er soll sie zu sexuellen Handlungen veranlasst haben, bei denen er sich von ihnen unter anderem auch teilweise oral befriedigen ließ, so das Landgericht Bückeburg, vor dem er sich seit Mittwoch verantworten muss.

Dabei hinterließ er bei den Kindern nicht nur körperliche, sondern vor allem auch psychische Schäden. Ein Opfer packte jetzt aus, was der Missbrauch mit ihm gemacht hat.

Siegfried A. aus Bielefeld ist heute 30 Jahre alt. An seine Kindheit hat er keine guten Erinnerungen: "Ich war höchst aggressiv, habe geraucht und die Schule geschwänzt", erzählt er gegenüber der Neuen Westfälischen.

Sein Martyrium begann, als er ins Heim für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche nach Rinteln kam. Erst war alles noch in Ordnung: "Er (Stefan W., Anmerkung der Redaktion) war die einzige Person, der ich mich bis dahin anvertraut habe."

Ihr Verhältnis wurde schnell persönlich. "Er hat eine Abhängigkeit geschaffen", urteilt der 30-Jährige im Nachhinein. Doch irgendwann, als er 12 Jahre alt war, soll Stefan W. aufdringlich geworden sein und eine andere Seite gezeigt haben.

15 Mal soll sich der Erzieher an Kindern vergangen haben. (Symbolbild)
15 Mal soll sich der Erzieher an Kindern vergangen haben. (Symbolbild)  © 123RF

Zum ersten Mal passierte das bei einer gemeinsamen Autofahrt. Dabei soll der heute 46-Jährige ihm näher gekommen sein und ihn oral befriedigt haben. "Darauf habe ich mich eingelassen. Ich konnte das nicht zuordnen. Wie auch?"

Was er damals nicht hinterfragte, sieht der Vater eines dreijährigen Sohnes heute anders: "Meine komplette sexuelle Selbstbestimmung ist über den Jordan."

Im Jahr 2012 brachte er die Ermittlungen gegen den Erzieher, der heute nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, ins Rollen. Sechs Jahre später muss sich Stefan W. vor Gericht verantworten.

Viermal soll sich der Angeklagte an Siegfried A. vergangen haben. Der 46-Jährige streitet alles ab. Zu den Vorwürfen sagt sein Anwalt Ralf Jordan: "Wir werden für die Wahrheit in diesem Fall kämpfen. Und die wird ans Tageslicht kommen."

Für den 30-Jährigen liegt die Wahrheit auf der Hand: W. habe "ein zu inniges Verhältnis zu einigen der Kinder" gehabt. "Für sein Handeln hat man Konsequenzen zu tragen."

Insgesamt sollen 24 Zeugen an elf Verhandlungstagen angehört werden. Kommt es zu einer Verurteilung, drohen dem Angeklagten zwei bis 15 Jahre Haft.

Die Anwältin von Siegfried A., Heidi Saarmann, sieht immerhin "eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Verfahren in einer Verurteilung endet".

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