Der Küchwald ist ein Ort voller Geheimnisse

Chemnitz - Er ist die geschichtsträchtigste Grünfläche der Stadt: der Küchwald. Über die letzten 120 Jahre zum Park zurechtgestutzt, birgt er noch etliche Geheimnisse.

Vielen Chemnitzern ist der über hundert Jahre alte Erholungsbereich "Sechserschlucht" nicht bekannt.
Vielen Chemnitzern ist der über hundert Jahre alte Erholungsbereich "Sechserschlucht" nicht bekannt.  © Peter Zschage

"Vielen ist zum Beispiel die Sechserschlucht unbekannt", sagt Stadtführerin Veronika Leonhardt (59). Die mit Brücken, Treppen und Bänken versehene Anlage wurde 1906 errichtet. Sie befindet sich, etwas abgeschieden, 50 Meter nach dem Rondell-Abzweig in Richtung Borna.

"Die Umgestaltung des Küchwalds zu einem Park ging auf eine Initiative von Louis Schönherr zurück", so Leonhardt weiter. Der Textilkönig wollte den Chemnitzer Arbeitern - damals auch viele Kinder - Erholungsmöglichkeiten bieten. Apropos Kinder: Das Kosmonautenzentrum "Sigmund Jähn" wurde 1964, zum 5. Pioniertreffen, eröffnet.

"Danach stand es aber erstmal für ein Jahr leer", sagt Ramona Glaubitz (53). Sie ist Tochter des Gründers Wolfgang Möbius (83), verbrachte dort Kindheit und Jugend.

Raumfahrt als Hobby war in der DDR nicht einfach. Frau Glaubitz: "Wir konnten unsere Modellraketen nur zweimal im Jahr starten lassen:

Einmal auf einem Wettbewerb im Sommer und dann zu Silvester." Hintergrund: Die DDR führte Miniraketen als Waffen, das "Abfeuern" war Bürgern verboten. Heute können die Modellbauer ihre Flugkörper aus Papier, Holz und einem Feststofftreibwerk ohne große Behördenauflagen starten lassen.

Heute viel besser als in der DDR möglich: Michael Helmert (30, r.), Leiter der "AG Raketenmodellbau" des Kosmonautenzentrums bei den Startvorbereitungen für die Modellflieger.
Heute viel besser als in der DDR möglich: Michael Helmert (30, r.), Leiter der "AG Raketenmodellbau" des Kosmonautenzentrums bei den Startvorbereitungen für die Modellflieger.  © Peter Zschage

Der Küchwald birgt auch grausame Geheimnisse.

Im Bereich des Schaftreibeweges brachte am 3. Januar 1961 der Heizer Gustav Wepper die Schülerin Manuela Kern (†8) um.

Vorher verging er sich an dem Mädchen, das am Abend allein unterwegs war und von Wepper aus der Brückenstraße in den Küchwald gelockt wurde.

Ihre Leiche verbrannte Wepper einen Tag später an seinem Arbeitsplatz, dem ERMAFA-Werk in Borna. Der Kripo ging Wepper erst sechs Jahre später ins Netz, weil er beim Nachstellen von Frauen auf frischer Tat ertappt wurde und beim Verhör auch den Mord gestand. Er bekam lebenslänglich.

Ein paar Jahrhunderte früher hätte Wepper gehangen. Der Galgen des Mittelalter-Knastes Roter Turm befand sich auch im Küchwald.

Wo genau, ist unklar. "Wahrscheinlich aber bei dem alten Kloster, in der Nähe der heutigen Reichsstraße.

Der Abt hat da gelegentlich auch mal einen Holzdieb aufgehängt", sagt Schloßbergmuseums-Chef Uwe Fiedler (57). Der Name des 97 Hektar großen Küchwaldes kommt übrigens von "Kuchenwald", weil sich die Chemnitzer hier früher das Back- und Kochholz holten.

Wer mehr über Chemnitzer Geheimnisse erfahren möchte, kann eine "Entdeckertour" mit Stadtführerin Leonhardt buchen. Gruppenpreis (max. 25 Personen): 50 Euro. Buchung unter Tel.: 0371/690-680.

In der Nähe wurde ein Mädchen ermordet: Stadtführerin Veronika Leonhardt (59) zeigt auf den Wegweiser zum Schaftreibeweg.
In der Nähe wurde ein Mädchen ermordet: Stadtführerin Veronika Leonhardt (59) zeigt auf den Wegweiser zum Schaftreibeweg.  © Peter Zschage