Sächsischer Designer gab DDR-Produkten ihre Form

Chemnitz - Karl Clauss Dietel (83) aus Chemnitz ist einer der universellen DDR-Formgestalter. Er verlieh der Erika-Schreibmaschine, der Simson S 50, den legendären Kugellautsprechern, aber auch Produktionsmaschinen ihr typisches Aussehen.

Sieht sich heute als Formgestalter in der 1000-jährigen Tradition des deutschen Handwerks: Karl Clauss Dietel (83) in seinem Chemnitzer Atelier. "Die Weltzeituhr am Berliner Alexanderplatz von meinem Kollegen Erich John empfinde ich übrigens als sehr gelu
Sieht sich heute als Formgestalter in der 1000-jährigen Tradition des deutschen Handwerks: Karl Clauss Dietel (83) in seinem Chemnitzer Atelier. "Die Weltzeituhr am Berliner Alexanderplatz von meinem Kollegen Erich John empfinde ich übrigens als sehr gelu  © Sven Gleisberg

Sein Markenzeichen: das "Offene Prinzip". "Die Form muss zum Menschen hin konzipiert sein muss, soll seine Bedürfnisse erfüllen. Bei der Simson waren zum Beispiel Baugruppen leicht erweiter- und austauschbar."

Dietel lernte erst Maschinenschlosser, studierte anschließend an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. "Für meine Diplomarbeit 1961 entwarf ich das weltweit erste Vollheckfahrzeug. Bei Untersuchungen im Dresdner Windkanal, wo auch die DDR-Olympia-Bobs getestet wurden, stellte sich heraus, dass ein 'abgeschnittenes' Heck den geringsten Luftwiderstand aufweist."

Trotzdem ging der "abgehackte" Dietel-Wartburg nie in Serie, dafür eine "moderne" Stufenheck-Karosse.

Trotz vieler Ablehnungen sagt er: "Es gab für DDR-Formgestalter keine doktrinären Einschränkungen. Design sollte zeitlos sein. Volksbedarf ging vor Luxus." Wegen der permanent angespannten Rohstofflage war bei Produkten jedoch Langlebigkeit gefordert.

Nach der Wende arbeitete Dietel als freischaffender Formgestalter unter anderem für VW in Mosel und Bratislava, entwarf Fertigungshallen für Porsche und eine Heckenschere für die Mogatec GmbH in Drebenbach im Erzgebirge. 2014 wurde ihm von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel der Deutsche Designpreis für sein Lebenswerk verliehen.

Welches Design gefällt ihm heute? "Smartphones und mein Freischwingerstuhl im Atelier sehen gut aus und sind zudem praktisch." Nur manche Auto-Karosserieformen mag er nicht: "Mercedes, BMW und Audi unterwerfen sich zu sehr dem moralischen Verschleiß des US-Designs. Blechwülste an Seitenpartien oder Scheinwerfer und Kühlerfronten, die wie Maul aufreißende Tiefseefische aussehen - zu aggressiv! Das entspricht keiner visuell-ästhetischen Kultur."

Der Ideenreichtum des Chemnitzer Formgestalters

Wäre es nach Dietel und seinem Formgestalter-Kollegen Lutz Rudolph gegangen, wäre der altbackene Trabant schon 1968 mit dem Modell P 610 zu einem modernen "DDR-Golf" geworden: "Wir hatten in drei Jahrzehnten Autogeschichte insgesamt sieben Nachfolgegenerationen gestaltet. Doch allesamt wurden abgelehnt." Auch ihre Ideen für neue Wartburg-Karossen blieben zwischen 1960 und 1991 nur Designstudien.

© DPA

Für das neue Design der Erika-Schreibmaschine wurden 1965 fünf Gestaltungskonzepte eingereicht. Dietels Vorschlag machte zwar das Rennen, allerdings abgespeckt nur in einem Plastik-Gehäuse: "Alles andere hätte vom VEB Robotron Rechen- und Schreibtechnik Dresden einen zu großen technologischen Wandel erfordert." Dietels Erika wurde über 1 Million Mal gebaut, auch für den Neckermann-Katalog.

© Ralf Seegers

Dietels Lautsprecher-Kugeln K 20 gelten heute als Klassiker des DDR-Designs: "Als der Stereoton aufkam, suchten wir nach einer optimalen Abstrahlung von Boxen." So war die Idee der in jede Richtung drehbaren Kugelbox geboren - und scheiterte fast an der Herstellung. Erst die Globus-Manufaktur Räthgloben in Markranstädt (bei Leipzig) konnte mit entsprechenden Pappkugeln aushelfen, die mit Raufasertapete beschichtet wurden. Das Radio "rk 5 sensit" war das am längsten produzierte Rundfunkgerät der DDR.

© DPA