Darum nahm sich der MDR-Intendant das Leben

Udo Reiter († 70). Ein kluger Kopf, gradlinig und konsequent - bis zum bitteren Ende.
Udo Reiter († 70). Ein kluger Kopf, gradlinig und konsequent - bis zum bitteren Ende.

Leipzig - Trauriger Abschied mit Ankündigung: Erst im Januar beschrieb der ehemalige MDR-Intendant Udo Reiter (70) in einem Essay für die „Süddeutsche Zeitung“, wie er sich ein selbstbestimmtes Ende nach 47 Jahren im Rollstuhl vorstellt.

Am Freitag setzte er diesen finalen Plan um - und seinem Leben mit einer Pistole ein Ende. „Zu Hause, wo ich gelebt habe und glücklich war“, wollte Reiter so selbstbestimmt sterben, wie er trotz Rollstuhl gelebt hatte.

Nach dem Frühstück am Morgen rollte der frühere Intendant auf die Terrasse seines Hauses, der alten Dorfschule in Gottscheina bei Leipzig. Ein letztes Mal schaute er über seinen großen Garten und die angrenzenden Felder.

Dann nahm er eine Pistole und schoss sich in den Kopf.

"Ich möchte nicht als Pflegefall enden"

Gottscheina im Norden von Leipzig: Auf der Terrasse seines Anwesens erschoss sich der pensionierte TV-Boss.
Gottscheina im Norden von Leipzig: Auf der Terrasse seines Anwesens erschoss sich der pensionierte TV-Boss.

Gegen 10 Uhr wurde Reiter laut Polizei leblos neben seinem Rollstuhl gefunden. Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen.

Nach dem Krebstod seiner ersten Frau Ursula im Jahr 2011 hatte sich der promovierte Germanist, der seit einem Unfall 1966 querschnittsgelähmt war, offen und öffentlich für selbstbestimmtes Sterben und die Legalisierung von Sterbehilfe eingesetzt.

„Ich möchte nicht als Pflegefall enden, der von anderen gewaschen, frisiert und abgeputzt wird. ... Ich möchte nicht vertrottelt als freundlicher oder bösartiger Idiot vor mich hindämmern“, schrieb Reiter in seinem Essay.

Warum gerade jetzt? In einem Abschiedsbrief soll Reiter die Gründe dargelegt haben.

In einem seiner letzten Interviews, mit der „Zeit“, erzählte Reiter 2013, wie ihm die Kräfte nach so langer Zeit im Rollstuhl allmählich schwinden:

„Wenn ich heute aus dem Rollstuhl falle, breche ich mir die Knochen, weil die entkalkt sind“, beschrieb er sein größtes Problem.

Das war sein Leben

Udo Reiter war in zweiter Ehe mit der Journalistin Else Buschheuer (48) verheiratet.
Udo Reiter war in zweiter Ehe mit der Journalistin Else Buschheuer (48) verheiratet.

Von Juliane Morgenroth

Von Bayern nach Sachsen: Über 20 Jahre lang war Udo Reiter Intendant des MDR. Er baute die Drei-Länder-Anstalt nach der Wende auf.

2011 verabschiedete er sich in den Ruhestand: „Ich gehe lieber, solange man das noch bedauert. Ein öffentlichrechtlicher Dinosaurier muss ich nicht werden.“

Geboren wurde Udo Reiter 1944 in Lindau am Bodensee. Ein tragischer Unfall machte seine Lebensplanung zunichte: Er hatte die Aufnahme zur Pilotenausbildung bei der Lufthansa bestanden, als er 1966 mit dem Auto auf Glatteis ins Rutschen kam, aus dem Wagen geschleudert wurde.

Seitdem sitzt Reiter im Rollstuhl. Nach Germanistikstudium und Promotion machte er beim Bayerischen Rundfunk Karriere. 1986 wurde er Hörfunkdirektor, entdeckte Thomas Gottschalk.

1991 wechselte Reiter zum MDR. In seine Amtszeit fielen auch Skandale, etwa die Suspendierung des MDR-Sportchefs Wilfried Mohren wegen Bestechlichkeit.

Sein Dasein als Rollstuhlfahrer hatte Reiter in seinem Buch „Gestatten, dass ich sitzen bleibe“ beschrieben und dabei auch über ein selbstbestimmtes Leben und Sterben nachgedacht.

Immer wieder äußerte er sich in Talkshows zu dem Thema, zuletzt vergangene Woche bei „Maybrit Illner“.

Reiter war mit der Journalistin und Moderatorin Else Buschheuer (48) verheiratet. Aus erster Ehe hatte er eine Tochter.

"Wir verlieren einen väterlichen Freund"

MDR-Intendantin Karola Wille (55) reagierte tief bestürzt auf den Tod Reiters.
MDR-Intendantin Karola Wille (55) reagierte tief bestürzt auf den Tod Reiters.

Von Jens Jungmann

Leipzig/dresden - Mit tiefer Bestürzung reagierte MDR-Intendantin Karola Wille (55) auf den Tod ihres Vorgängers und Gründungsintendanten Udo Reiter (70).

„Die deutsche Medienlandschaft, wie wir sie heute kennen, verliert einen ihrer Gründungsväter, der MDR einen Kollegen und väterlichen Freund“, sagte sie.

Reiter sei ein Visionär gewesen, der mit Kraft, Überzeugung und politischem Geschick den politischen Strukturen in den neuen Bundesländern eine publizistische Stimme gegeben habe.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (55, CDU): „Udo Reiter hat nach der Wiedervereinigung den Mitteldeutschen Rundfunk mit aus der Taufe gehoben und geprägt."

Tillich weiter: "Er hat mit Umsicht, Durchsetzungskraft und Charme maßgeblich dazu beigetragen, dass der neu gegründete Sender sich außerordentlich erfolgreich entwickelt. Sein Tod trifft mich sehr und erfüllt mich mit großer Trauer.“

ZDF-Intendant Thomas Bellut betonte (59): „Deutschland schuldet Udo Reiter großen Dank. Er hat das Deutschlandradio von der ersten Stunde an bis heute mit geprägt.“

RBB-Intendantin Dagmar Reim (62) bezeichnete Reiters Lebensleistung - den MDR - als „Gesamtkunstwerk“.

Fotos: Steffen Füssel, Ralf Seegers, DPA, DAPD