In dieser sächsischen Stadt sollen die Bewohner ihre Häuser hochheben

Coswig - Läuft die Elbe über, entscheiden im Coswiger Ortsteil Brockwitz wenige Meter über Glück oder Unglück: Dutzende Häuser der "Niederseite" saufen bei Hochwasser ab, alles oberhalb der Dorfkirche bleibt verschont.

Der Coswiger Ordnungsamtsleiter Olaf Lier (56) vor Ort in Brockwitz: Die Häuser auf der tieferen Dorfseite (links) müssten angehoben werden, die Gebäude oberhalb der Kirche (rechts) liegen bereits hoch genug und flutsicher.
Der Coswiger Ordnungsamtsleiter Olaf Lier (56) vor Ort in Brockwitz: Die Häuser auf der tieferen Dorfseite (links) müssten angehoben werden, die Gebäude oberhalb der Kirche (rechts) liegen bereits hoch genug und flutsicher.  © Eric Münch

Um die Bewohner zu schützen, will Ordnungsamtsleiter Olaf Lier (56) ihre Häuser anheben lassen. Mit seiner Vision könnte Brockwitz als Pilot-Projekt den Flutschutz revolutionieren.

Die Elbe ist über 500 Meter entfernt und doch flutet sie bei Hochwasser rund 40 Brockwitzer Häuser. Lier lebt im sicheren Nachbarort, war als Coswiger Amtsleiter bei den Katastrophen hautnah dabei, stand zuletzt 2013 in überfluteten Wohnzimmern. "Die nächste Flut kommt mit Sicherheit", warnt Lier.

Das Brockwitzer Problem: Zwar ist seit 2004 ein Deichbau vorgesehen. Doch da keine Leben gefährdet sind, steht der Ort so weit hinten auf der Liste des Freistaates, dass "auf absehbare Zeit kein öffentlicher Hochwasserschutz in Aussicht gestellt werden kann", sagt Umweltministeriums-Sprecher Frank Meyer (58).

Dass er einen Deichbau noch erleben wird, glaubt Lier nicht: "Wir müssen die Häuser um ein bis zwei Meter anheben. Sonst gehen sie wieder unter."

"Unsere einzige Chance": Anwohner Peter Marek (55) unterstützt mit seiner Bürgerinitiative "Niederseite" die Anhebungs-Pläne.
"Unsere einzige Chance": Anwohner Peter Marek (55) unterstützt mit seiner Bürgerinitiative "Niederseite" die Anhebungs-Pläne.  © Thomas Türpe

Das Anheben ist kein Hexenwerk. Die Bewohner könnten sogar während der Arbeiten Zuhause bleiben.

Laut Lier wäre eine Anhebung auch günstiger als ein Deichbau, kostet je nach Haus bis zu 150.000 Euro.

Anwohner Peter Marek (55) unterstützt mit seiner Bürgerinitiative "Niederseite" die Anhebung: "Befürworter und Skeptiker halten sich die Waage. Die Älteren tun sich schwerer. Aber es ist unsere einzige Chance, einen Schutz gegen die Flut zu bekommen."

Anwohnerin Petra Köstler (52): "Ich möchte nach 2002 und 2013 keine dritte Flut mehr erleben, weiß nicht, ob ich das verkraften würde. Die Hebe-Idee ist gut. Aber wer soll das bezahlen?"

Steffen Lippert (58): "Ich kann mir das für mein Haus vorstellen. Aber einen weiteren Kredit kann ich nicht mehr aufnehmen."

Konrad Landrock (80): "Meine Frau sitzt im Rollstuhl, bräuchte eine Rampe. Das ist alles nicht so ohne." Vier Forschungsinstitute prüfen aktuell die Machbarkeit der Brockwitzer Häuser-Anhebung, darunter Denkmalpfleger und Hydrologen der TU Dresden. Der Bund machte dafür 300 000 Euro locker.

März 2019 soll es ein Ergebnis geben - Olaf Lier ist optimistisch. Wird Brockwitz dann gar bundesweites Pilot-Projekt, könnte die "abgehobene" Siedlung Vorbild für andere hochwassergefährdete Orte werden.

Ganze Häuser höherlegen - so geht's

Im Keller werden Pfähle durch die Bodenplatte gebohrt und mit Zugstangen befestigt. Diese werden an der Unterseite verschraubt, können so die Bodenplatte hydraulisch nach oben ziehen.
Im Keller werden Pfähle durch die Bodenplatte gebohrt und mit Zugstangen befestigt. Diese werden an der Unterseite verschraubt, können so die Bodenplatte hydraulisch nach oben ziehen.  © Stadtverwaltung Coswig

Die Arbeiten finden hauptsächlich im Keller der Häuser statt. Dort werden Pfähle durch die Bodenplatte bis ins feste Erdreich gebohrt. Dann werden an den Pfählen Zugstangen befestigt, mit der Unterseite der Bodenplatte verschraubt.

Millimeter um Millimeter wird das Haus dann hydraulisch nach oben gezogen, der entstehende Freiraum zwischen angehobener Bodenplatte und Erdreich sofort verfüllt.

Zwei Meter Anheben sind in vier Tagen machbar. Dazu werden die Leitungen etwa für Strom und Wasser entsprechend verlegt. Letztlich liegt das Haus einfach höher als zuvor.

Danach könnten ebenso Straße und Gelände aufgeschüttet werden, was auch historisch gewachsene Sichtachsen in Brockwitz (der Ortskern ist über 1.000 Jahre alt) erhalten würde.

Das tiefer gelegene Brockwitz mit rund 40 Häusern wird bei Elbe-Hochwassern geflutet, wie diese Aufnahme vom Juni 2013 zeigt.
Das tiefer gelegene Brockwitz mit rund 40 Häusern wird bei Elbe-Hochwassern geflutet, wie diese Aufnahme vom Juni 2013 zeigt.  © Stadtverwaltung Coswig/Normann