Bei der Heimkinder-Ausfahrt hatten die Biker einen dicken Kloß im Hals

Bei der Heimkinderausfahrt dabei: Motorradfahrer Stefan Fricke (45) erinnert sich an das Drama vor zwei Jahren, als zwei der Ordner ums Leben kamen,
Bei der Heimkinderausfahrt dabei: Motorradfahrer Stefan Fricke (45) erinnert sich an das Drama vor zwei Jahren, als zwei der Ordner ums Leben kamen,  © Eric Münch

Pirna - Zum 22. Mal fand am Samstag die Heimkinderausfahrt der Motorradfreunde „Beinhart Pirna“ statt - ein voller Erfolg! Harte Biker auf schweren Maschinen brachten wieder die Augen von mehr als 500 Kindern zum Leuchten.

Mädchen und Jungen aus 50 Kindereinrichtungen in Deutschland, Polen und Tschechien chauffierten sie durch die Sächsische Schweiz.

Bei wohl allen Fahrern im Hinterkopf: der schlimme Unfall von vor zwei Jahren. Einer erinnert sich an den Tag, der in einer Katastrophe endete.

Als Stefan Fricke (45) am 13. Juni 2015 gegen 17 Uhr mit seinem Mikrofon auf die Bühne tritt, ist die vage Angst bereits traurige Gewissheit: Norbert B. (†57) und Thomas S. (†45) sind tot. Pressesprecher Fricke braucht fünf Sätze, um die Anwesenden über das Unglück zu informieren.

Kurz, sachlich und nüchtern sind seine Worte. Dennoch: „Es war die schwerste Rede an diesem Tag“, sagt er heute. Danach brachen auch bei ihm alle Dämme.

Totalschaden: Beim Aufprall hoben beide Maschinen ab. Die Kawasaki flog über die Leitplanke und landete nach 40 Metern im Straßengraben. Die Triumph rutschte 50 Meter über den Asphalt.
Totalschaden: Beim Aufprall hoben beide Maschinen ab. Die Kawasaki flog über die Leitplanke und landete nach 40 Metern im Straßengraben. Die Triumph rutschte 50 Meter über den Asphalt.  © Daniel Förster

Bereits beim Mittags-Stopp in Altenberg informierte die Polizei einen kleinen Kreis.

„Zwei Ordner sind verunglückt“, hieß es. Stefan Fricke schaltete auf Autopilot. „Ich habe funktioniert wie eine Maschine.“ Zeit blieb ohnehin kaum. Es war die Jubiläumsausfahrt, noch dazu mit Rekordzahl.

739 Biker waren mit 600 Kindern unterwegs. Die Veranstaltung musste gesichert, Stillschweigen bewahrt und Panik vermieden werden. Ob letzteres gelingt, daran gab es wohl Zweifel.

Eigentlich sollte es über die Täler der Sächsischen Schweiz zurück nach Berggießhübel gehen. Ein großes „Aber“ blieb. Die Veranstalter brachen die Ausfahrt ab, setzten die Mädchen und Jungen kurzentschlossen in Busse Richtung Ausgangsort. Ein aufziehendes Gewitter lieferte den perfekten Vorwand.

Die meisten Biker blieben aber noch. Den ganzen Abend saß man am Lagerfeuer, spendete Trost, hörte zu, schwieg. Die große „Schweigeminute“ gab es beim Abschied. Die Männer ließen ihre dröhnenden Motoren aufheulen, gaben im Leerlauf noch einmal Vollgas, eine gefühlte Ewigkeit lang - im Gedenken an Norbert & Thomas.

Besonders tragisch: Die beiden Männer aus Pirna wollten eine gute Tat vollbringen - und bezahlten mit dem Leben. Kinder hatten die Biker keine dabei.

Sie waren als Ordner im Einsatz. Norbert B. als Vereinsmitglied, Thomas S. als Ehrenamtler. Für den Konvoi sicherten sie die Seitenstraßen ab. Und dabei passierte es, gegen 11.20 Uhr.

Unvergessen: Norbert B. vom Motorradclub "beinhart" in Pirna, mit Ordnerweste und Zigarette im Mund.
Unvergessen: Norbert B. vom Motorradclub "beinhart" in Pirna, mit Ordnerweste und Zigarette im Mund.  © Daniel Förster

Laut Polizeibericht hatten sie Schmiedeberg gerade hinter sich gelassen. Beide bildeten das Schlusslicht des Geleits. Kawasaki-Fahrer Norbert B. beschleunigt seine Maschine, um zur Spitze aufzuschließen.

Auf Höhe eines Lkw-Parkplatzes kollidierte er mit der Triumph des vorausfahrenden Thomas S.

Die Rettungskräfte fanden die Trümmer des Zusammenstoßes über eine Länge von 80 Metern verteilt. Die Notärzte aus der Eskorte waren sofort zur Stelle, konnten aber nichts mehr ausrichten. Beide Männer verstarben noch am Unfallort.

Norbert B., ein Mann der wenigen Worte, der nicht schnackte, sondern machte, so behält ihn Motorrad-Freund Stefan Fricke in Erinnerung. Zur Beerdigung auf dem Heidenauer Friedhof fuhren seine etwa 30 Beinhart-Kumpels mit ihren Maschinen vor, in roten Vereins-T-Shirts statt schwarzer Kluft. Das war der Wunsch von Lebenspartnerin Anne. Ebenso schmerzlich der Verlust von Thomas S.: Hilfsbereit, für jeden ein gutes Wort, so beschreiben ihn diejenigen, die ihn kannten. Beruflich führte er eine Schädlingsbekämpfungsfirma, privat hinterlässt er Frau und zwei Kinder.

Die Antwort auf das „Warum“ blieb offen. Doch so schwer der Verlust auch wiegt, eines wurde schnell klar. „Lasst die Heimkinderfahrt weiterleben.“

Diese Forderung kam von allen Seiten. Der Verein rückte zusammen, traf sich öfter, man redete mehr, auch mit Seelsorgern. „Ein halbes Jahr ließen wir uns Zeit“, sagt Fricke. Dann stand fest: „Wir machen weiter.“

Bei der 22. Heimkinderausfahrt bretterte Robert Mathe (11) auf dem Feuerstuhl von Uwe Krause (58) durch die Sächsische Schweiz. Nachdenklich.
Bei der 22. Heimkinderausfahrt bretterte Robert Mathe (11) auf dem Feuerstuhl von Uwe Krause (58) durch die Sächsische Schweiz. Nachdenklich.  © Christian Juppe

So sicher ist die Heimkinderausfahrt

Freiwillige Feuerwehr Berggießhübel im Einsatz: Robert Smyrtek (37, v.r.), Jason (13) und Lenny (9) sperren die Ortsdurchfahrt ab.
Freiwillige Feuerwehr Berggießhübel im Einsatz: Robert Smyrtek (37, v.r.), Jason (13) und Lenny (9) sperren die Ortsdurchfahrt ab.  © Christian Juppe

Neben dem Schutz der Kinder und Jugendlichen steht auch der Schutz der Ordner an erster Stelle.

Bei über 600 paarweise fahrenden Motorrädern zieht sich der geschlossene Konvoi allerdings schnell auf fünf bis sechs Kilometer.

Eine Gefahrenquelle für die pendelnden Ordner, die bislang die komplette Strecke mit der Polizei absperren mussten.

Anders als in den Vorjahren sichern inzwischen die ortsansässigen Vereine die Ortsdurchfahrten. Freiwillige Feuerwehren ebenso wie Ordnungs- und Landratsämter machen mit.

So wurde ein Restrisiko minimiert. Denn die Ordner brauchen nun nicht mehr am langen Konvoi vorbeiziehen, um die vorausfahrende Polizei abzulösen, sondern können sich im Geleit einfädeln.